Ich kennzeichne diesen Beitrag trotz des kritischen Untertons als Werbung, weil er Affiliate Links beinhaltet.
Der Beitrag gehört zur Serie Geburten und Feminismus. Bisher veröffentlicht wurden:
- Mein Feminismus
- Was hat eine Geburt mit Feminismus zu tun? Geburten aus gesellschaftlich-feministischer, machtsystemischer Sicht
- Feministische Geburtsvorbereitung
- Hebammen jenseits des Systems
- Die Praxis: Gleichberechtigung und Geburt — überhaupt möglich?
- Geburten und Corona: Die Gesellschaft unter dem Brennglas der Pandemie
Die Free Birth Society hat ihren Ursprung in den USA. Sie ist relativ jung und eine Gemeinschaft von Menschen, deren Grundanahme lautet:
Die Verantwortung für eine Geburt liegt bei der Gebärenden.
Geburtsmedizin solle nur dann zum Einsatz kommen, wenn die Gebärende das bestimmte. Eine Geburt ohne Eingriffe sollte normal sein.
So weit, so gut.
Das klingt erst mal nach der feministischen Grundausrichtung, die ich auch im 2. Teil dieser Artikelserie bereits angesprochen habe. Dennoch sehe ich die Free Birth Society durchaus kritisch. Dabei ist mir bewusst, dass die Ausgangssituation in den USA nicht gleichzusetzen ist mit der Situation in Deutschland.
Die Gründerinnen der Free Birth Society sehen das medizinische System in den USA als ziemlich falsch an. Sie bevorzugen nicht nur außerklinische Geburten, sondern Geburten ohne die Anwesenheit von Fachpersonal. Insofern würden sie auch in Deutschland sehr viele Missstände erkennen. Ihr Ziel wäre wohl auch in Deutschland eindeutig:
Alleingeburten als ultimatives Ziel
Nun bin ich beim Thema Alleingeburt immer noch, und immer wieder, im Wandel. Die Gebärende entscheidet. Und was ist, wenn sie falsch entscheidet? Gibt es ein falsch, wenn es um den eigenen Körper geht, aber eben auch um ein anderes Wesen, ein Baby im Bauch? Sind Alleingeburten inakzeptabel?
Die Gründerinnen der Free Birth Society stellen die Alleingeburt als ultimatives Ziel dar.
Weil sie aber auch wissen, dass nicht jede Frau allein gebären will, haben sie ein Programm ins Leben gerufen, in dem Frauen* (so weit ich es verstehe, ist das Programm für Frauen und queere Menschen mit weiblicher Identität offen) lernen, andere bei der Geburt zu betreuen, ohne die Selbstverantwortung der Gebärenden einzuschränken.
Dieses Programm nennen sie die Radical Birth Keeper School.
Radical Birth Keeper School
Die Programmdetails reichen von Wissen über Geburten über rechtliche Fragen (vermutlich bezogen auf die USA) bis hin zum Aufbau einer Webseite als Selbstständige*r Geburtsbegleiter*in.
Das Ziel ist es also, das Fachwissen einer Hebamme zu vermitteln, aber eben ohne die rechtlichen Bedingungen, an die Hebammen gebunden sind. Als ich von dem Programm erfuhr, war ich zwiegespalten. Inhaltlich ist das Programm bestimmt spannend. Soll ich es auf meiner Vergleichsseite für online-Geburtsvorbereitungskurse vorstellen? Ich habe mich dann dafür entschieden, die Vorstellung der Radical Birth Keeper School in der gleichen Art umzusetzen, wie bei allen anderen Kursen. Ihr findet sie hier.
Unterstütze ich die Entwicklung eines Parallelsystems?
Doch möchte ich den Kurs überhaupt bewerben? Möchte ich, dass sich ein Parallelsystem entwickelt — jenseits von Hebammen, Krankenkassen und Vorsorge?
Zu was genau bilden die Kursleiterinnen ihre Teilnehmer*innen aus? Die beiden Leiterinnen sind selbst keine Hebammen. Das bin ich auch nicht. Und dennoch gebe ich Tipps weiter. Ich habe sogar einen Beitrag zur Geburtsvorbereitung auf eine Alleingeburt geschrieben.
Warum stößt mir also dieser Kurs auf? Ja, der Preis ist heftig, aber darum geht es nicht.
Ich fühle mich unwohl damit, dass die Gründerinnen nur Geburten ohne medizinischen Eingriff als wirkliche Geburtserfahrungen anerkennen. Mir scheint es, als seien alle Schwangeren, die sich für eine Geburt mit Hebamme oder Arzt entscheiden, keine wahren Frauen.
Der Respekt vor der Selbstverantwortlichkeit der Schwangeren kann irgendwann umschlagen in eine Verachtung, wenn sich die Schwangere nicht in der Lage sieht, ihr Kind allein zur Welt zu bringen.
Gesellschaftliche Indoktrinierung erkennen die Kursleiterinnen zwar als patriarchales Übel an. Diese Indoktrinierung müsse aber eben überwunden werden. Wenn das nicht gelinge, habe die Frau versagt. So wird aus einem Mantra schnell ein Dogma.
Außerdem ist aus meiner Sicht nicht jede Geburt mit medizinischem Personal automatisch eine Entmächtigung der Gebärenden. Nicht mal muss das Ziel einer feministischen Geburtsvorbereitung eine interventionsfreie Geburt sein. Auch ein Kaiserschnitt kann selbstbestimmt sein.
Inhaltlich kann ich nicht sagen, ob die Radical Birth Keeper School nun näher an einer Hebammen- oder Doula-Ausbildung dran ist. Die Kursleiterinnen selbst nennen das Programm einen Kurs in Authentic Midwifery. Sind dann also alle anderen Hebammen nicht authentisch?
Ich habe das Programm nicht mitgemacht. Es reizt mich einerseits, andererseits ist mein Schwerpunkt das Schreiben. Das ist es, was ich kann. Also bleibt es bei einer Außenansicht. Ich bin mir sicher, dass viel wertvolles Fachwissen vermittelt wird, das auch für Menschen sinnvoll ist, die dem Einsatz von Geburtsmedizin offener gegenüber stehen als die Free Birth Society.
Affiliate für die Radical Birth Keeper School
Doch will ich denn nun einen Kurs bewerben, der so offensichtlich mit einem Bruch des Systems wirbt? Komisch, eigentlich werbe ich doch auch immer dafür, systemkritisch zu sein und nicht einfach blind dem System zu vertrauen.
Tja, und so folgt das Fazit:
Ich stimme nicht in allen Punkten mit der Philosophie der Radical Birth Keeper school überein. So geht es mir aber in unterschiedlicher Intensität bei anderen beworbenen Kursen auch. Letztendlich ist es bei der Kurswahl nicht anders als bei der Geburt: Eine Lösung für alle passt nicht. Viele individuelle Lösungen sind es, die gebraucht werden. Und bestimmt ist auch die Radical Birth Keeper School für manche Menschen* genau der richtige Ansatz, um ihren Weg zu gehen. Aus diesem Grund habe ich mich entschlossen, auch dieses sehr streitbare Programm vorzustellen. Wenn du also Interesse an der Radical Birth Keeper school hast, kannst du hier mehr erfahren.
Als Ergänzung hierzu vielleicht:
ich bin Alleingebärende, habe meinen Sohn alleine geboren, ohne medizinisches Personal, was rechtliche Verantwortung übernimmt – einfach dadurch dass sie im Raum sind oder im Krankenhaus oder Geburtshaus. UND ich bin selbst Ärztin, aber ohne Erfahrung in der GYN und Geburtshilfe, stattdessen Neurologie und Psychiatrie. Ich verstehe was du meinst mit deiner Sorge vor drohenden Dogmen und der Geringerschätzung von Frauen , die nicht selbstverantwortlich gebären. Doch haben Alleingebärende, die ich kenne inklusive mir, alle nicht diese Ansicht oder diese Gefühle. Wir wissen wie schwer es ist da raus zu kommen und wissen, dass dies nicht der Weg für alle ist. und wir respektieren das und setzen uns für jede Frau ein, damit sie eine möglichst traumafrei Geburt bekommt. es geht uns dabei um die Gesundheit körperlich, mental, emotional und sexuell, einer jeden Frau und jeden Kindes ebenso!! denn es ist gesundheitlich nicht egal WIE ein Kind geboren wird! und wirklich selbstbestimmt zu gebären ist auch in deutschen oder anderen europäischen (ich bin jetzt in Österreich und war vorher in Portugal) Krankenhäusern schlichtweg fast unmöglich. Es bräuchte so viel mehr aufgeklärte und starke Doulas und Beleghebammen und Väter die die Wünsche der Mutter bis aufs Blut auch im Geburtshaus und im Kreißsaal verteidigen und die Grenzen halten. anders geht es nicht. Und wir setzen uns für freie Geburten ein! Wir finden aber alle, dass Gebärenden Hilfe und Unterstützung zusteht und sehr wohl SEEEHR gut tut. Die Alleingeburt ist immer eine Notlösung, die dann versucht wird so gut als möglich umzusetzen. aber ich kenne keine Frau, die alleine geboren hat und sagt, das solle jede Frau tun, sonst sei die Geburt schlechter oder die Mama schwächer. Wenn du es so empfindest, dann fühle nochmal für dich woher diese Verurteilung wirklich kommt. Meistens gehen wir mit uns selbst kritischer ins Gericht als andere und denken, dass andere so kritisch über uns richten, obwohl sie es garnicht tun. Und ich kenne viele Alleingebärende aus Südafrika, Frankreich, Mazedonien, Deutschland, Australien, England, Bali persönlich. Wir alle teilen diesen gleichen oben beschriebenen Ansatz. Und keine von uns war ganz alleine. es waren immer Freundinnen, andere Mütter, Ehemänner oder (zufällig) Nachbarn anwesend. Und der Ansatz ist gewissermaßen feministisch, ja. und echter Feminismus respektiert jede Frau* und macht andere nicht kleiner! Liebe zu dir und euch allen, die ihr das hier liest!
Mein Credo:
Jede Frau sollte sich auf eine Alleingeburt vorbereiten ebenso wie auf eine Krankenhausgeburt. denn nur wenn sie alles kennst, kann sie wirklich FREI entscheiden, was sie möchte!
Man müsste hier nochmal korrigieren, die beiden sagen stets, dass man spätestens nach diesem Kurs weiß, dass man bei keiner Geburt jemals dabei sein wird. Man begleitet die Frauen also allenfalls dahingehend, dass sie sich am Ende bei Geburt selbst begleiten bzw. von Menschen, die sie dabei haben wollen.
Ich weiß nicht so recht, wie du zu der Annahme kommst, dass sie Frauen die „im System“ gebären als weniger Frau sehen oder verurteilen, das System ist da ganz klar das Problem und natürlich ist es absolut traurig, wenn wir als Frauen verlernt haben uns mit unserer Urkraft und dem tiefen Urvertrauen zu verbinden und zu wissen / darauf zu vertrauen, dass unser Körper absolut alles weiß. Dahingehend kann ich Nina nur zustimmen, wenn sie sagt, eine selbstbestimmte Geburt in Krankenhäusern ist quasi unmöglich. Durch die ganzen Interventionen, wird meist Stress ausgelöst und zudem wird einem gesagt, wann was dran ist – da ist wenig mit „auf seinen Körper hören und darauf vertrauen“ leider (in den allermeisten Fällen). Und dann gibt es noch so Dinge, wie warum Beckenendlage Vaginalgeburten vor gefühlt 2 Generationen noch völlig normal waren und nun in den meisten Fällen zum Kaiserschnitt rufen, weil es vollständig an der medizinischen Ausbildung dafür fehlt. Das wissen die meisten auch nicht. Und da gehts dann bei den RBK vermutlich auch darum, den Frauen, die es hören wollen, dieses alte Wissen und Vertrauen wieder zu vermitteln und ich glaub diesbezüglich muss man das ganze gar nicht so schwarz malen.
Natürlich trifft am Ende jede Frau ihre eigene Entscheidung und viele wollen nur das hören, was ihre Ärzte und das System ihnen erzählen, aber für die, die gerne auch anderweitig Unterstützung und Informationen suchen ist sowas doch super und es ist toll, dass es das gibt.