Das neute Türchen des Adventskalenders öffnet sich heute. Viola berichtet von der Geburt ihrer Tochter. Obwohl Viola eine Darm-OP hatte, konnte sie ihre Tochter zu Hause im Wasser zur Welt bringen. Und dabei gab es gleich noch eine Überraschung: Ihre Plazenta war eine insertio velamentosa.
Künstlicher Darmausgang
Um das Wunder besser zu beschreiben möchte ich etwas ausholen. Sieben Jahre hatte ich mit einer chronischen Darmentzündung gekämpft, die 2015 zu Rissen im Dickdarm, septischen Schock und Koma führte. Die Ärzte gaben mir 10 % Überlebenschance und ich wurde notoperiert. Dabei wurde mir fast der gesamte Dickdarm entfernt und ein Stoma (künstlicher Darmausgang) gelegt. Dieses Stoma sollte nicht nur mir ein neues Leben schenken, sondern später auch meiner Tochter.
Mein Körper nahm die 10 Prozentchance!
So wurde ich auf den Tag genau 4 Jahre später schwanger… Ich hatte eine schöne komplikationslose Schwangerschaft und mir ging es seelisch und körperlich super. Selten war ich in meinem Leben so ausgeglichen, bodenständig und positiv. Ich fühlte mich geborgen und hatte die besten Gründe, gut für mich zu sorgen, was mir sonst im Leben manchmal etwas schwer fiel, jetzt konnte ich es gut. Aber ich konnte auch noch bis kurz vor der Geburt arbeiten.
Hebammensuche
Die Schwangerschaft merkte ich schon, bevor man sie testen konnte, und so suchte ich mir sehr früh eine Hebamme vom Geburtshaus. Leider entschied das Geburtshaus, dass sie mich wegen meiner Vorgeschichte nicht bei sich entbinden lassen würden… Um so länger ich schwanger war, um so mehr wünschte ich mir eine Hebammengeleitete Geburt jenseits vom Krankenhaus.
Die anderen Geburtshäuser waren leider voll.
Beleghebammen gibt es leider in unserer Stadt nicht und Hebammen, die Hausgeburten machen, genau zwei Stück. In der 22. Schwangerschaftswoche machte ich mich auf die Suche nach Alternativen zur Krankenhausgeburt. Die 1. Hebamme lehnte eine Begleitung leider wegen einem Missverständnis und da es ihr gerade selber nicht so gut ging ab. Nun fühlte ich mich von allen verlassen und wandte mich an die 2. Hebamme. Anders als das Geburtshaus sah sie meine Vorgeschichte und den künstlichen Darmausgang gar nicht als Hindernis.
Sie hatte selber 4 Kinder alleine zu Hause zur Welt gebracht und meinte ganz locker: „Die Darm-OP hat doch nichts mit der Gebärmutter zu tun.“ Und falls doch irgendwas sein sollte, sei sie die erste, die jemanden ins Krankenhaus schickte. Das Krankenhaus ist auch nur 10 min. von uns entfernt und somit konnte ich meinen Mann, der selber eine Haus/Gartengeburt ist, leicht überzeugen.
Das kritische Umfeld
Um so mehr ich über natürliche Geburten las, um so glücklicher war ich, so etwas zu Hause versuchen zu dürfen… Freunde und Arbeitskollegen waren da skeptischer, da kam manchmal schon der Satz: „Was habt ihr den geraucht?“ oder „wir leben doch im 21. Jahrhundert, da muss man doch nicht mehr so etwas zu Hause machen.“
Alle diese Einwände prallten an mir ab und ich war einfach nur glücklich mit 39 Jahren, mit künstlichem Darmausgang, mein 1. Kind zu Hause bekommen zu dürfen.
Fruchtblasensprung als Auftakt in den Geburtsmarathon
Et -2 war ich psychisch irgendwie das erste mal in der Schwangerschaft extrem nah am Wasser gebaut und merkte, dass sich irgendwas in mir veränderte. Abends schnackselten wir noch und am nächsten Morgen, kaum war ich wach, hörte ich ein Plop und das Fruchtwasser schwappte aus mir raus.
Nach einem anfänglichen Schreck rannte mein Mann singend durch die Wohnung: „Nini kommt, Nini kommt!“
Doch es sollte noch 59 Stunden dauern.
Danke an meine entspannte Hebamme, die zwischendrin nicht mehr ganz so entspannt war, aber immerhin diesen Weg mit uns ging.
An diesem Tag (Sonntag, Et -1) hatte ich leichte Wehen, welche die Hebamme als Übungswehen abtat. Wir gingen spazieren und fragten uns wann es richtig los gehen würde. Da wir jetzt wussten, dass es bald losgehen würde, luden wir schon mal meine Mutter aus Süddeutschland ein. Ein vorzeitiger Blasensprung hat den Vorteil, dass man sich noch besser auf die Geburt vorbereiten kann.
Am nächsten Tag war Vollmond und errechneter Geburtstermin. Den ganzen Tag passierte nichts, außer dass die Panik stieg, es würde nicht von alleine los gehen… Ich rannte in die Apotheke und holte homöopathische Mittelchen, telefonierte rum, versuchte, mit meinem Kind zu kommunizieren und nachts sang ich alleine den Vollmond an.
Rizinuscocktail
Mein Mann sollte an Et +2 seine Abschlussprüfung haben und meine Hebamme wollte an dem Tag in Urlaub. Die Vorstellung, ohne Mann im Krankenhaus zu gebären, machte mir extremsten Stress. Die Hebamme gab mir Zeit bis sie in Urlaub fuhr, riet mir aber jetzt, 2 Tage nach Blasensprung, ihren Rizinuscoctail dringend zu trinken…
Wir telefonierten mit dem Chef meines Mannes und seiner Lehrerin. Sie hatten endlich ein Einsehen und verschoben seine Prüfung. Jetzt trank ich den Cocktail mit Sahne und frischgepresstem Saft, er schmeckte lecker.
Ich sollte ihn auf drei Etappen trinken. Nach dem 1. Glas schlafen, dem 2. Baden und dem 3. tanzen. Ich hatte sofort Wehen. Wusste, dass es jetzt endlich los ging, weil ich mich endlich ohne die Prüfung im Nacken entspannen konnte.
Als ich den Cocktail mittags fertig getrunken hatte, kam die Hebamme und meinte, ich sollte aus der Wanne und jetzt für den letzten Teil tanzen. Das war für mich unvorstellbar. Alle paar Minuten musste ich Wehen veratmen.
Die ganze Zeit sangen meine Mutter, mein Mann und ich liegetönte während der Wellen.
Ich schleppte mich aufs Klo und entschied mich, nicht zu tanzen sondern mich kurz neben den Pool zu legen. Dort wurden die Schmerzen sofort stärker und ich wollte wieder in den Pool. Meine Mutter stoppte die Wellen: Sie kamen regelmäßig alle 2 Minuten. Irgendwann färbte sich das Wasser rot und ich hatte das Bedürfnis zu pressen.
Mein Mann rief die Hebamme an. Die wollte nur kurz gucken und war zum Glück in der Nähe. Als sie reinkam, war sie ganz geschockt, und murmelte die ganze Zeit erstaunt: „Viola, so weit bist du schon“ Ich fragte, ob ich mitpressen dürfte, sie kümmerte sich nicht wirklich um mich, sondern versuchte, die 2. Hebamme zu erreichen, die ein paar Straßen weiter wohnte…
Als sie sagte, dass ich pressen dürfe, dauerte es ein paar Wehen und der Kopf zeigte sich erst spitz mit vielen Haaren, zog sich nach der Welle aber wieder in meinen Körper. Dies wiederholte sich ein paar mal, bis er bei einer der Wellen raus ploppte.
Wassergeburt mit Kopf nach unten
Mittlerweile wurden unsere Liegetöne etwas lauter und etwas höher bei den Wehen. Jetzt kam die 2. Hebamme und zwei Wehen später schwamm unsere Kleine mit Kopf nach unten und extrem vielen Haaren im Wasser. Die Hebamme legte sie auf meine Brust, die Kleine lächelte mich an. Mein Mann und meine Mutter weinten vor Glück (wie eigentlich schon die letzten Wehen).
Die Hebammen umarmten sich und beobachteten begeistert die neue kleine Familie.
Insertio Velamentosa
Etwas später legte ich mich neben den Pool, gab meiner kleinen Milch und gebar die Plazenta. Die war besonders, da die Nabelschnur nicht an der Plazenta dran war, sondern an den Eihäuten und über dicke Arterien wieder mit der Plazenta verbunden war (insertio velamentosa) unsere Kinder sind so weise und meine Kleine hatte alles richtig gemacht.
Der vorzeitige Blasensprung hatte vielleicht uns das Leben gerettet. Da diese Plazentaart sehr selten vorkommt, hätten die Mediziner damit nicht gerechnet und sie vielleicht an der falschen Stelle geöffnet. Das hätte sehr gefährlich werden können.
Die Hebammen untersuchten begeistert eine gefühlte Ewigkeit diese seltene Plazenta. Erst, als die Kleine zum Wiegen von mir weg genommen wurde, meckerte sie das erste Mal. Es muss also nicht immer wie in den Filmen sein, dass die Babys sofort schreien.
Jetzt ist unsere Tochter 5 Monate und ein unfassbares Geschenk! Ich schaue sie immer an und kann es gar nicht glauben. Dass sie in mir drin war, dass sie so perfekt ist, dass sie so wunderschön, lustig und lieb ist. Wenn nichts mehr selbstverständlich ist, ist alles ein kleines Wunder und unsere Tochter ist für uns das Allergrößte.
Danke liebes Leben, Danke an die 2 mutigen Hebammen die uns begleitet haben, meinen Gynäkologen, der mich einfach machen ließ, meiner Mama und meinem Mann für das Singen bei der Geburt aber auch für alles andere, meiner weisen Tochter, die wusste, wie sie geboren werden will, und euch, die ihr so einen langen Text lest! Danke
Und deine Geschichte?
Diese Geschichte habe ich nicht geschrieben, durfte sie aber veröffentlichen. Hast du deine Geburtsgeschichten aufgeschrieben? Oder fehlen mir dir die Worte? Willst du dazu meine Unterstützung in Anspruch nehmen, um die richtigen Worte zu finden? Ich helfe dir beim Schreiben der Geburtsgeschichte. Achtung, sie wird lang. Viel länger als diese hier. Das liegt alleine schon daran, dass du nicht schreiben musst, sondern erzählst. Hier gibt es mehr Informationen!
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Der komplette Adventskalender
Hier findest du alle Geschichten, die ich im Geburtsgeschichtenadventskalender 2020 veröffentliche bzw. bereits veröffentlicht habe:
- Tina: Badewannengeburt mit Glückshaube
- Annika: Hausgeburt trotz hohen Blutdrucks
- Susa: Torpedo-Überraschungs-Ei
- Mirabella: Ein Wehentag mit großem Geschwisterkind
- Laura: So schnell kann keine Hebamme sein
- Anna: Heilsame Hausgeburt
- Anja: Silvesterknaller
- Anja: Anstrengende Geburt zu Hause
- Viola: insertio velamentosa bei der Hausgeburt
- Anja: Drei Tage Rumgewehe vor der Wassergeburt
- Katharina: Geburtshausgeburt mit Schlafmangel
- Anja: Schlechte Laune und gute Geburt
- Katharina: Steigerung von „Keine Verletzungen“
- Natalie: Langes Rumgewehe und plötzliches Plopp
- Sabine: Hausgeburt nach vier Krankenhausgeburten
- Linda: Hausgeburt nach Kaiserschnitt
- Barbara: Erst lag das Baby quer
- Julias Zwillinge
- Natalie: Auf einmal waren die Presswehen da
- Anna-Christina: Selbstbestimmt im Krankenhaus, bis auf die letzten Minuten
- Kristina: Ich kann gebären!
- Irene: Kurze, heftige Hausgeburt
- Anna-Christina: Druckvolle Hausgeburt
- Kristina: Natürlich eingeleitete Hausgeburt
Oh, wow! Ich bin total beeindruckt. Ich musste tatsächlich erst einmal googeln was eine insertio verlamentosa überhaupt ist. Unglaublich schön, dass es so gut gelaufen ist.
Ich habe schon einen Artikel zu dem Thema geplant… 😠Aber erst nächstes Jahr.