Doris: Neles Hausgeburt in drei Akten

Der zweite Tag des Dezembers ist der zweite Tag des Adventskalenders mit Geburtsgeschichten. Doris erzählt die Geschichte der Hausgeburt ihrer Tochter Nele.


Nele wurde bei uns zu Hause am 26.9.21 bei einer wundervollen Hausgeburt bei 40+1 geboren.

Aber erst mal von Anfang an.

Erster Akt: Akupunktur, Eipollösung, Rizinus-Cocktail


Ich wollte ja am Schluss schon nicht mehr wirklich. Am 16.9. war ich zur Akupunktur – diesmal bei der Kollegin meiner Hebamme; die beiden machen das im wöchentlichen Wechsel.

Noch eine gute Woche bis zum Termin. Auf meinen Wunsch hin wird noch nicht einleitend akupunktiert, erst nach Termin. Zu diesem Zeitpunkt war der Muttermund schon knapp 2 cm offen.

Eine Woche vergeht, der 23.9.21 kommt — wieder Akupunktur — diesmal bei meiner Hebamme. Sie hat mich nochmal vaginal untersucht: Der Muttermund war schön weich, gute 2 cm. Herztöne vom Zwergi bestens. Sie hat eine „Eipolösung“ gemacht, habe es gar nicht als unangenehm empfunden. Ebenfalls habe ich das „Go“ für einen Rhizinusölcocktail bekommen.

Wieder zu Hause – let’s fetz und runter mit dem Zeug. EINMAL UND NIE WIEDER!

Ich wollte mich mit meiner großen Tochter Lotta schlafen legen, allerdings bin ich nach 30 Minuten schon auf und es hat mich so ausgeräumt — oben sowie unten.

Ab da hatte ich dann auch drei Wehen innerhalb einer halben Stunde. Danach spürte allerdings erstmal keine Wehen mehr.

Am Nachmittag war ich mit Lotta alleine. Prompt schlägt sie sich die Lippe auf und hat einen minimal lockeren Schneidezahn. Ab zum Zahnarzt, der Dienst hat. Heute war eindeutig kein Tag mehr zum Kind kriegen. Ich glaube, besonders die Assistentin war froh, als ich wieder weg war. Die wollte, glaub ich, kein Kind in der Praxis bekommen.

Der 24.9.21 war ruhig; am Nachmittag war ich noch mit den Kindern beim Oktoberfest „on the road“ vom Musikverein, denn bei uns in der Nähe war eine Station.

Am 25. September hätte ich zum eigentlichen Geburtstermin in der Früh im Krankenhaus einen CTG Termin gehabt. Den hab ich aber auf Anraten meiner Hebamme abgeblasen. Ebenso haben wir vereinbart, dass wir Sonntag am Vormittag telefonieren würden, welche Schritte wir weiter unternehmen, um das Zwergi rauszulocken.

Zweiter Akt: Hoher Fruchtblasensprung und erste Wehen


26.9.2021

Meine Mama (wir wohnen im selben Haus) schreibt um ca. 6 Uhr, ob ich schon Wehen habe und ob sie am Vormittag „weg dürfe“; gegen Mittag wäre sie wieder zu Hause. Ja klar, alles ruhig – das Baby hat mich offensichtlich „vergessen“.

Meine Hebamme schreibt mir gegen 9 Uhr, ob alles ruhig sei; sie würde mit ihrer Familie einen Ausflug machen ins Weinviertel.

„Nein, ich denke, ich hatte einen hohen Blasensprung weil es nicht Platsch gemacht hat. Unterhose etwas nass obwohl ich zuvor am Klo war…“

Sie hat mich dann bewegen geschickt, um zu prüfen, ob noch mehr käme. Ich hab ja zu dem Zeitpunkt selbst mit pH Streifen getestet; der hat sich aber nicht wie für Fruchtwasser verfärbt. Es waren aber weiße Flankerl im Harn (Käseschmiere, war bei Lotta damals auch).

Meine Hebamme wollte dann nach ihrem Frühstück vorbeikommen um mal zu schauen.

Ja, es war definitiv ein Blasensprung: Für Harn war es zu viel und zu feucht.

Dieses Gefühl, die Gewissheit, dass unser Baby heute oder spätestens morgen kommt, war so überwältigend – so lange haben wir darauf gewartet, so lange ersehnt – und dennoch war es in diesem Moment so endgültig und irgendwie zu schnell.

Nach Absprache mit der Hebamme haben wir eine Wehe abgewartet und sie hat den Stand der Fruchtblase gefühlt und mit meinem Einverständnis mit einem Fingerling noch eröffnet unten. Und JA, ich wollte einen Einlauf – die Vorstellung während der Geburt groß zu müssen wollte ich absolut nicht.

Wir haben dann vereinbart, sie führe nochmal nach Hause, immerhin wohnte (und wohnt) sie im selben Ort. Das war die beste Entscheidung ever, liebe Martina K.

Wir würden uns schreiben und ich sollte mich melden, wenn die Wehen regelmäßig und in kurzen Abständen kommen.


Dritter Akt


Gegen 11 Uhr waren die Wehen auf jeden Fall stärker. Sie waren stärker als Regelschmerzen. Ich hab es irgendwie nicht geschafft zu sagen, wann meine Wehe endete, deswegen habe ich immer „JETZT“ gesagt oder „WEHE“ und mein Freund hat mich quasi beobachtet und hat anhand vom Bauch gesehen, wann sie war und wie lange sie gedauert hat. Während der Wehe war der Bauch immer ganz spitz nach vorn und natürlich hart.

Ab 11.45 Uhr, also relativ schnell, kam die Wehen dann regelmäßig alle 3 Minuten, allerdings noch nicht „Türstock mässig“.

Endlich war die Oma aus Wien zurück. Sie wollte zu Mittag Rindschnitzel kochen. – Ich habe ihr ziemlich klar gesagt, dass sie das bestimmt nicht machen würde. Die großen Kinder sollten stattdessen bei ihr oben bitte schnell Würstel essen und dann doch bitte zeitnah auf den Spielplatz gehen.

Gegen zwölf Uhr war ich irrsinnig genervt. Das Gewusel der Kinder war mir zu viel. Mein Großer (Julian) war sehr emotional, weil er mit neun Jahren natürlich verstand, was jetzt passierte. Er war überwältigt, dass er jetzt endlich wirklich bald sein zweites Geschwisterchen haben würde.

Gegen 12.45 Uhr kommt die Frage meiner Hebamme: „Brauchst du mich schon?“ — Nein, wir kommen gut alleine zurecht. Mein Freund und ich haben währenddessen noch herumgeräumt und die letzten Sachen für die Geburt gerichtet.

Ich erinnere mich, dass die Wehen zwar schon zum Innehalten waren, allerdings noch nicht wirklich zu veratmen.

Endlich haben die Großen gegessen gehabt und sind mit Oma Richtung Spielplatz – versorgt mit Jause und ausreichend warmen Gewand – abgezogen.

Gegen 13 Uhr schrieb ich eine Info an meine Hebamme: „Du, ich glaube seit letzter Wehe kommt minimal Pressdrang hinzu“ — „Ich komme“! Zeitgleich habe ich auch meine Geburtsfotografin verständigt; die braucht circa 40 Minuten zu uns.

Martina — unsere Hebamme — war dann da, hat sich „eingerichtet“ in einem Winkerl und hat außer Beobachten, Dokumentieren, Herztöne zeitweise Kontrollieren („stets ein entspanntes Kind“), nach Einverständnis Muttermund Tasten uns selbst machen lassen. Mein Freund hat sich anhören dürfen „Komm!“ – dann wusste er es kommt wieder eine Wehe, welche ich am Gymnastikball oder in seinen Armen hängend veratmet habe. Danke dafür, mein Schatz!

Im Endeffekt weiß ich nicht mehr, wie viele Wehen ich hatte — bis Martina gesagt hat „noch 10 Wehen“, dann schauen wir mal. Es waren dann nurmehr 5 Wehen, nach denen ich gesagt habe „Ich will jetzt endlich das Kind“ und „Wer ist so blöd und kriegt freiwillig 3 Kinder!?“

Zu Veru — meiner Fotografin — habe ich gesagt „Ah, du bist auch so verrückt!“ Sie ist selbst dreifache Mama und hat meine Aussage verstanden und nicht übel genommen.

Wer mich kennt, weiß, dass ich viel rede – und es wäre nicht ICH, wenn ich während den Wehenpausen still gewesen wäre bzw. Kraft gesammelt hätte. Ich habe einfach die Wehe verarbeitet und habe anschließend daran ans Thema wieder angeknüpft.

Wir sind dann auf den Geburtshocker übergegangen, Dennis (mein Freund) ist hinter mir gesessen und hat mich von hinten toll unterstützt. Martina hat mich während des Pressens gut angeleitet, damit ich meine Kraft richtig nutzte und sie in die richtige Richtung gelenkt würde.

Nach ein bis zwei Presswehen war der Kopf geboren. Das Gefühl mit meiner linken Hand auf das weiche, warme Köpfchen zu greifen, wahr unbeschreiblich. Nach ein bis zwei weiteren Presswehen war unser Baby geboren. Martina hat sie auf den Boden begleitet.

Es waren alle – Dennis, Martina sowie Veru – von mir instruiert NICHT das Geschlecht zu sagen – unser Regenbogenbaby war eine Überraschung.

„Es ist wirklich ein Mädchen“ – nach diesen Worten hab ich sie in Empfang genommen und bestaunt und die Emotionen sind in mir hoch gekommen.

(Witziger Seitenhinweis: Dennis dachte, es sei ein Bub, weil er die Nabelschnur zwischen den Beinen sah.)

Die Plazenta ist eigentlich unmittelbar danach mit einem Pressen gekommen.

Meine Hebamme hat mir dann im Schlafzimmer das Bett gerichtet und der stolze Papa hat zum ersten Mal mit seiner Tochter Haut auf Haut kuscheln dürfen. Unser Mädchen hat offensichtlich ziemlich schnell den ersten Stuhl (Mekonium) abgesetzt, dies hab ich allerdings nicht mitbekommen, weil ich da schon im Schlafzimmer war. Übrigens war es bis dahin noch namenlos. Erst drei Tage später entschieden wir, dass sie Nele heißen sollte.

Ich wollte eigentlich gleich Duschen gehen, ich durfte aber noch nicht: Ich sollte zuerst etwas gegessen sowie getrunken haben. Der Blutverlust war zwar weniger als 500ml, aber ich dürfte dennoch etwas blass gewesen sein.

Zwergi wurde mir dann vom Papa „nachgebracht“ – ebenso die Plazenta in einem Sieb, denn ich wollte zuerst eine Lotusgeburt. Ich war dann schon ganz aufgeregt, weil die Großen schon am Heimweg waren um ihr Geschwisterchen zu bestaunen und um zu wissen welches Geschlecht es hat. Martina hat auf meinen Wunsch Stücke aus der Plazenta geschnitten (gegen Nachwehen).

Aus der Situation heraus habe ich entschieden doch abzunabeln, und mein Erstgeborener durfte dann die Nabelschnur durchschneiden. Wir haben von einer sehr lieben Freundin zwei selbstgehäkelte Nabelschnurbändchen mit einem Regenbogen/Stern bekommen (welches eine irrsinnig große Bedeutung für mich hat).
Mein Großer war irrsinnig stolz, das er die Nabelschnur durchschneiden durfte.

Das war unsere tolle, selbstbestimmte Hausgeburt!

Privatfoto von Doris

Epilog: Danke!

Ich möchte in erster Linie meinem Freund danken: Danke mein Schatz, dass du mich IMMER ausgehalten hast, während der Schwangerschaft mein Sudern und Jammern akzeptiert hast und einfach für mich da warst.

Danke an meine beiden Großen — Julian & Lotta — ihr habt in der Schwangerschaft so viel zurück stecken müssen, eine grantige hormongesteuerte Mama aushalten müssen… Ich liebe euch unwahrscheinlich!

Danke liebe Mama — meine Mama — du hast uns soviel unterstützt und hast eine grantige Tochter aushalten müssen…

Danke liebe Martina — meine Hebamme — die immer und zu jeder Zeit für mich da war und jeweils alle Fragen geduldig beantwortet hat (ja, auch als Drittgebärende „vergisst“ man, was Wehen sind).

Danke liebe Veru — unsere Geburtsfotografin — so tolle, wunderbare und emotionale Fotos — du warst während der Geburt so „unscheinbar“; wir haben dich nicht bemerkt!

Auch dir liebe Christin S. und Nadine L. möchte ich danken — die quasi „ab Zeugung“ dabei waren, für unsere Gespräche, Ängste, Sorgen, und und und…

DANKE!

Privatfoto von Doris

Adventskalender 2021

  1. Rebekka: Traumgeburt mit Pizza
  2. Doris: Nele — Geburt in drei Akten
  3. Jeanette: Heilsame Hausgeburt im Wohnzimmer
  4. Dieter & Katrin: Alleingeburt aus Sicht eines Vaters
  5. Franziska: Das fünf-Kilo-Baby
  6. Franziska: Ein Sternengucker
  7. Carina: Schnelle Alleingeburt
  8. Sintia: Alleingeburt beim ersten Kind: Weil es genau das Richtige war
  9. Cindy: Angst ist ein schlechter Ratgeber
  10. Jana: Hockergeburt im Krankenhaus
  11. Nora: Beckenendlagengeburt
  12. Nora: Wassergeburt zu Hause
  13. Katrin: Hausgeburt einer Hebamme
  14. Barbara: Hausgeburt trotz extrem kurzer Nabelschnur
  15. Miriam: Geburt einer Sternenguckerin mit PDA und toller Unterstützung
  16. Andrea: Wassergeburt im Krankenhaus
  17. Nora: ungeplante Alleingeburt
  18. Kasia: Magische Vollmondgeburt
  19. Jana: Geburtshausgeburt mit viel gelassener Zeit und viel Geburtskraft
  20. Jessica: Die Wellensurferin
  21. Anna-Elisabeth: Drei Tage Blubbern vor dem Kaiserschnitt
  22. Katrin: Ein sanfter Notfallkaiserschnitt
  23. Sintia: Alleingeburt vor dem Klo
  24. Franziska: Wehencocktail vor der Hausgeburt

Und deine Geschichte?

Diese Geschichte habe ich nicht geschrieben, durfte sie aber veröffentlichen. Hast du deine Geburtsgeschichten aufgeschrieben? Oder fehlen mir dir die Worte? Willst du dazu meine Unterstützung in Anspruch nehmen, um die richtigen Worte zu finden? Ich helfe dir beim Schreiben der Geburtsgeschichte. Achtung, sie wird lang. Viel länger als diese hier. Das liegt alleine schon daran, dass du nicht schreiben musst, sondern erzählst. Hier gibt es mehr Informationen!

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