Katrin: Hausgeburt einer Hebamme

Willkommen beim heutigen 13. Tag des Geburtsgeschichten-Adventskalenders! Heute erzählt Katrin von der Geburt ihrer Tochter. Katrin ist selber Hebamme mit Praxis in Berlin und hat sich für eine Hausgeburt mit Hebammenbegleitung entschieden.

Kurz zu mir: ich heiße Katrin, bin 45 Jahre alt, Hebamme seit 20 Jahren und Mutter von drei Kindern (2010, 2014 und 2017), zudem hatte ich 2013 eine Fehlgeburt in der 11. SSW, die ebenfalls zu Hause geboren wurde,
wie alle meine Kinder.

Im folgenden beschreibe ich die Geburt meiner ersten Tochter 2010:

Ungeplant, aber nicht unerwünscht

Obwohl mir seit meiner eigenen Kindheit klar war, dass ich einmal Kinder haben möchte (gerne vier), war ich dann doch schon 33 Jahre alt, als ich ungeplant schwanger wurde. Wie das Leben eben manchmal so spielt, kam es vorher nicht dazu. Ich war lange im Ausland unterwegs, hatte keine feste Partnerschaft und so vergingen die Jahre. Der Kinderwunsch war immer noch da, aber noch hatte ich ja Zeit. Schließlich, zurück in Berlin und zurück im Hebammenberuf, passierte es dann plötzlich ganz schnell. Ich hatte gerade meinen allerersten eigenen Geburtsvorbereitungskurs gestartet, da stellte ich, nach nur kurzer Zeit mit meinem neuen Partner, fest, dass ich schwanger bin. Wow! Ungeplant, aber nicht ungewünscht.

Die Schwangerschaft

Im Familien- und Freundeskreis musste ich mir aufgrund des „Unfalls” einige Kommentare anhören: Ich als Fachfrau müsse doch eigentlich wissen, wie man richtig verhütet. Aber auch hier freuten sich dann alle mit uns. Die Schwangerschaft verlief unproblematisch, das Baby wuchs, der Bauch genauso und die Spannung stieg. Für mich war von Anfang an klar, dass ich, sofern keine Komplikationen auftreten, außerklinisch gebären möchte. Mein Freund, der zum damaligen Zeitpunkt bereits eine neunjährige Tochter hatte, deren Geburt im Krankenhaus wohl nicht so
schön verlief, war zum Glück auch sofort auf meiner Seite. U

m die zehnte Schwangerschaftswoche herum begann ich, mich um eine Hebamme zu kümmern. Damals war das noch früh genug, heutzutage ist es in der Woche leider oft schon zu spät für die Hebammensuche — zumindest in Berlin. Ich war mir noch nicht sicher, ob ich im Geburtshaus oder zu Hause gebären wollte und so fragte ich im nächstgelegenen Geburtshaus nach einer Kollegin, die beides anbot. Ganz bewusst hatte ich auch eine Hebamme gewollt, die ich noch nicht persönlich kannte. Und so lernten wir Helga kennen und ich merkte sofort, dass es passte.

Bis zur 21. SSW ging ich noch zu meiner Gynäkologin und aufgrund der geplanten außerklinischen Geburt ließ ich auch die Feindiagnostik machen, allerdings mit dem Hinweis, nur nach dem Allernotwendigsten zu schauen. Für uns war die Frage wichtig, ob die Plazenta hoch genug läge und ob das Baby einen schweren Herzfehler hätte. Welches Geschlecht das Kind hatte und andere nicht „überlebenswichtige” Dinge waren für uns nicht relevant.

Acht Wochen vor dem errechneten Termin gönnten wir uns unseren vorerst letzten Urlaub zu zweit. Während des Mutterschutzes besuchten wir dann auch noch einen Geburtsvorbereitungskurs, ebenfalls bei einer mir fremden Kollegin. Mein Freund wollte unbedingt an einem Kurs teilnehmen, ich war zunächst nicht überzeugt (war ich doch selbst einmal die Woche kursleitende Hebamme). Aber da mich sein Interesse freute, stimmte ich schließlich zu. So kam es, dass wir einen Kurs buchten, der zwei Tage vor dem errechneten Termin endete. Da ich aber fest davon überzeugt war, dass unser Kind sowieso erst einige Tage danach zur Welt kommen würde, war das für mich völlig okay. Der Kurs war übrigens toll und ich fand es schön, auch mal auf der „anderen Seite” (als Teilnehmerin) zu sitzen.

Abendessen im Freundeskreis am ET

In diesen Wochen vor dem Termin kam in mir auch der Wunsch auf, am Abend des errechneten Termins ein Abendessen mit guten Freunden zu veranstalten. Ich wollte diesen Tag nicht wie jeden anderen verstreichen
lassen. Mein Freund war skeptisch: „Was, wenn es dann doch losgeht”. Ich entgegnete: „Ach, wird es nicht. Nur ca. vier Prozent der Kinder kommen pünktlich. Und wenn doch, dann schicken wir einfach alle nach Hause. Ist doch kein Ding!”

Gesagt, getan. Am Abend des Geburtstermins hatten wir eine große Tafel angerichtet und gemeinsam ein einfaches 3-Gänge-Menü gezaubert. Mein Freund hatte in der Nacht zuvor seine letzte Nachtschicht gearbeitet, er war von nun an im Urlaub. Ich hatte nachts zum allerersten Mal leichte Kontraktiönchen gespürt (der Bauch wurde sporadisch hart). Ich freute mich sehr, nachdem ich bis dahin absolut nichts gespürt hatte. Keine Übungswehen, keine Senkwehen, keine dieser Wehen, von denen ich in den Kursen immer erzählt hatte — wo blieben sie nur?

Während wir eingekauft und gekocht hatten, wurde der Bauch weiterhin ab und an hart. Wunderbar. Abends kamen unsere Freunde und so saßen wir zu Zwölft am Tisch und hatten einen wunderbaren gemeinsamen Abend. Und meine Kontraktiönchen? Sie wurden langsam zu Kontraktionen!

Die einzige Mutter unter den Gästen war auch die Einzige, die mich fragte, ob alles okay sei. Sie sah es mir an. Alle anderen nicht. Zum Dessert war es dann soweit, dass ich nicht mehr entspannt am Tisch sitzen konnte. Ich nahm meinen Freund beiseite und erklärte ihm, dass wir unsere Gäste nun nach Hause schicken sollten. Sofort herrschte helle
Aufregung.

Geburtsbeginn: Küche aufräumen

Unsere Küche war noch nie so schnell sauber und aufgeräumt. In Windeseile räumten die Gäste die Tafel ab, wuschen Geschirr, räumten alles weg und verschwanden. Ich beruhigte währenddessen die Meute und meinte, es seien vielleicht ja erstmal nur Übungswehen — mal sehen! Doch kurz bevor die Gäste gingen, merkte ich, dass ich Fruchtwasser verlor. Kaum waren alle weg, berichtete ich davon meinen Freund. Nun war es also sicher: es ging los!

Wir ließen Wasser in die Wanne ein, setzen uns gemeinsam hinein und dann rief ich erstmal meine Hebamme an. Es war kurz nach elf und ich wollte sie vorwarnen, bevor sie ins Bett geht. Ich sagte ihr also Bescheid und versprach, mich bei Bedarf wieder zu melden. Ich war mir aber sicher, dass es erstmal dauern würde und wünschte ihr eine Gute Nacht.

Während des Bades wurden die Wehen etwas stärker, irgendwann wollte ich dann wieder ins Trockene. Während mein Freund noch letzte Vorbereitungen traf, wehte ich vor mich hin. Ich erinnere mich, wie er einmal bei mir im Zimmer war und fragte: „Soll ich Helga anrufen?” Meine Antwort war: „Nein, das ist noch zu früh!” Im Kopf hatte ich die vielen
Erstgebärenden, die voller Hoffnung in den Kreißsaal kommen und dann hören, dass es noch viel zu früh sei und sie wieder nach Hause fahren sollten. Die Hebamme in mir wollte die Kollegin nicht zu früh rufen! Mein Freund ging also kurz raus und als er knapp drei Wehen später zurückkam, erkannte er mich kaum wieder und ich rief nur „Ruf Helga an!”

Die Intensität, die Kraft der Wehe, hatte ganz plötzlich enorm zugenommen. Diese Naturgewalt war irre, ich merkte, jetzt brauchte ich meine Hebamme! Kurze Augenblicke der Angst davor, dass es so jetzt stundelang weiterginge… mit diesen unglaublichen Schmerzen… und das zu Hause? Ohne Chance auf PDA? War ich verrückt? Konnte ich das schaffen?

45 lange Minuten später war die Hebamme da und ich war so froh, sie zu sehen! Gleichzeitig hatte ich Angst: Was, wenn der Muttermund sich bisher kaum geöffnet hätte? Ein furchtbarer Gedanke. Helga untersuchte, lächelte und sagte: „Wunderbar, fast vollständig”. Ich war so glücklich!

Ausgiebige Übergangsphase

Nachdem die Eröffnungsphase recht rasant war, folgte eine etwas ausgiebigere Übergangsphase. Unser Kind wollte nicht so recht „runterkommen” und ich wurde fast wahnsinnig, dass der Schmerz ausschließlich im Bereich der Symphyse war. Mein größter Wunsch war, dass der Schmerz an eine andere Stelle wanderte. Hatten die Frauen im Kreißsaal nicht oft berichtet, wie der Schmerz im Verlauf der Geburt wanderte? Wieso machte das „mein Schmerz” nicht?

Und so kam ich an den Punkt, an dem ich am Liebsten nach meiner Mama gerufen hätte. Eine Tatsache, die mich im Kreißsaal oft zum Schmunzeln gebracht hatte. Nun war ich selbst soweit und konnte die Frauen verstehen. Doch meine Mama kam natürlich nicht, aber mein Freund und meine Hebamme waren ein ebenbürtiger Ersatz. Etwa eine halbe Stunde vor der Geburt kam unterstützend eine zweite Hebamme dazu. Das ist bei Hausgeburten oft so, um im Falle eines Falles besser agieren zu können.

Kraftvolle Geburt

Irgendwann war es dann soweit und ich schob mein Kind mit aller Kraft hinaus ans Licht. Ich hockte vor meinem Freund, er hielt mich fest. Der Endspurt war eine Erleichterung. Zu wissen, dass es bald geschafft ist, welch wunderbare Aussicht! In dieser Endphase kam die Hebamme in mir wieder kurz zum Vorschein und ich bremste meine Kraft beim Kopfdurchtritt, damit es möglichst keine Geburtsverletzungen geben würde. Im Nachhinein fanden Helga und ich es interessant, dass ich genau in dem Moment daran gedacht habe.

4.17 Uhr und ein sehr blaues Menschlein erblickt das gedämmte Licht unseres Wohnzimmers, ist erstmal stumm und hat die Nabelschnur um den Hals. Ich weine einfach nur vor Erleichterung, bin heilfroh, dass es geschafft ist. Die Hebammen befreien unser Kind von der Nabelschnur und „ärgern” es ein bisschen, damit es anfängt zu atmen und einen ersten Schrei heraus lässt. Es klappt und das blaue Bündel wird schnell zu einem rosigen Baby. Irgendwann fragt die Hebamme „Wollt ihr nicht schauen, was es ist?”. Achja, da war ja noch was. Junge oder Mädchen? In dem Moment eigentlich egal, aber dann waren wir doch neugierig. Ein Blick — ein Lächeln — ein Mädchen. Nachts gebären — welch wunderbare Atmosphäre!

Schon zu Kreißsaalzeiten, als Hebamme im Nachtdienst, habe ich es geliebt. Dort, im Krankenhaus, gibt es diese besondere Ruhe; nur Menschen, die wirklich im Kreißsaal sein müssen, sind da. Die Alltagsroutine ruht bis circa sieben Uhr morgens, die Ärzte schlafen in ihren Bereitschaftszimmern (sofern es keine Komplikationen gibt), das Licht ist gedimmt, die Räume sind einfach nur erfüllt von „freudiger Erwartung” und „harter Arbeit”. Und auch bei uns zu Hause war es aufgrund der nächtlichen Stunde eine besondere Stimmung. Und dann dieser Luxus: vom Wohnzimmer ging ich einfach nur drei Schritte in das benachbarte Schlafzimmer. Mit der neuen Erdenbürgerin legte ich mich in das eigene Bett und staunte, schaute, bewunderte. Wir redeten noch ein wenig, stießen auf die Geburt unserer wundervollen Tochter an und schließlich ging Helga in den frühen Morgenstunden nach Hause und wir fielen in einen tiefen, wenn auch kurzen Schlaf.

Hühnersuppe im Wochenbett

Das frühe Wochenbett verlief ruhig, mit einem großen Topf Hühnersuppe auf dem Herd. Die ersten Ausflüge nach draußen ließen uns frischgebackene Eltern erschrocken zurück: Wie laut war diese Stadt? Wie viele Abgase? Die Stadt, in der man seit Jahren lebte, war plötzlich eine andere.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass es einfach unglaublich ist, diese Naturgewalt zu erleben. Es ist extrem, unvergleichlich, schmerzhaft und doch möchte ich es nicht missen. Ich meine damit tatsächlich die Geburt selbst! Es gibt sicherlich wenige Situationen im Leben, die uns so an unsere Grenzen bringen.

In meinen Geburtsvorbereitungskursen möchte ich versuchen, die Frauen möglichst ehrlich auf die Geburt vorzubereiten. Ja, es ist verdammt harte Arbeit. Ja, man denkt mehr als einmal: „Das schaffe ich nicht!” Und ja, meist gehört meiner Erfahrung nach auch ein Augenblick der Angst dazu. Man darf die Angst nur nicht einladen zu bleiben, das ist wichtig! Und ja, Geburt ist eine Naturgewalt, die nur bedingt zu beeinflussen ist — vielmehr müssen wir uns darauf einlassen. Aber, und das sage ich wirklich auch allen Frauen, man darf sich tatsächlich darauf freuen!

Der vollständige Adventskalender

  1. Rebekka: Traumgeburt mit Pizza
  2. Doris: Nele — Geburt in drei Akten
  3. Jeanette: Heilsame Hausgeburt im Wohnzimmer
  4. Dieter & Katrin: Alleingeburt aus Sicht eines Vaters
  5. Franziska: Das fünf-Kilo-Baby
  6. Franziska: Ein Sternengucker
  7. Carina: Schnelle Alleingeburt
  8. Sintia: Alleingeburt beim ersten Kind: Weil es genau das Richtige war
  9. Cindy: Angst ist ein schlechter Ratgeber
  10. Jana: Hockergeburt im Krankenhaus
  11. Nora: Beckenendlagengeburt
  12. Nora: Wassergeburt zu Hause
  13. Katrin: Hausgeburt einer Hebamme
  14. Barbara: Hausgeburt trotz extrem kurzer Nabelschnur
  15. Miriam: Geburt einer Sternenguckerin mit PDA und toller Unterstützung
  16. Andrea: Wassergeburt im Krankenhaus
  17. Nora: ungeplante Alleingeburt
  18. Kasia: Magische Vollmondgeburt
  19. Jana: Geburtshausgeburt mit viel gelassener Zeit und viel Geburtskraft
  20. Jessica: Die Wellensurferin
  21. Anna-Elisabeth: Drei Tage Blubbern vor dem Kaiserschnitt
  22. Katrin: Ein sanfter Notfallkaiserschnitt
  23. Sintia: Alleingeburt vor dem Klo
  24. Franziska: Wehencocktail vor der Hausgeburt

Und deine Geschichte?

Diese Geschichte habe ich nicht geschrieben, durfte sie aber veröffentlichen. Hast du deine Geburtsgeschichten aufgeschrieben? Oder fehlen mir dir die Worte? Willst du dazu meine Unterstützung in Anspruch nehmen, um die richtigen Worte zu finden? Ich helfe dir beim Schreiben der Geburtsgeschichte. Achtung, sie wird lang. Viel länger als diese hier. Das liegt alleine schon daran, dass du nicht schreiben musst, sondern erzählst. Hier gibt es mehr Informationen!

1 Gedanke zu „Katrin: Hausgeburt einer Hebamme“

  1. Hallo liebe Katrin, vielen Dank für Deinen sehr lesenswerten und intensiven Beitrag! Es ist vor allem auch ein Beitrag, der Mut macht und auch Vorfreude auf die Schwangerschaftszeit vermittelt. Weisst Du als Hebamme, wie es sich nach der Geburt mit dem Stillen verhält bei einem Brustimplantat? Kann das problematisch werden? Liebe Grüsse

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