Nora: ungeplante Alleingeburt

Das heutige 17. Türchen des Geburtsgeschichten-Adventskalenders präsentiert die Geburt von Noras drittem Kind. Die Hausgeburt war geplant, allerdings nicht als Alleingeburt. Eine rundum schöne Geschichte; von Zeugung bis Nachgeburt.

Energieschub

Am 08. April am späteren Nachmittag habe ich einen unerklärlichen Energieschub, ich schaffe es, eine Babyhose zu nähen und mit meinem Sohn neue Kleider für seine Puppe zu nähen, obwohl ich seit Wochen ab mittags Schmerzen beim Sitzen habe.

Eigentlich rechne ich nicht mehr damit, dass das Baby vor dem „Termin“ kommt. Den Abend verbringe ich erst auf dem Sofa am Handy und dann im Bett, mein Bauch wird immer wieder hart, aber richtige Wehen sind es nicht, sie kommen auch zu unregelmäßig und gegen halb zwölf schlafe ich schließlich ein, ein bisschen frustriert darüber, dass die Wehen nicht mehr geworden sind.

Geburtsbeginn

Um kurz vor fünf, ich meine um 04:52, wache ich auf. Ich kann nicht wieder einschlafen und weiß erst nicht, wieso. Aber dann beginnen Wehen und ich merke, diesmal wird es ernst. Allerdings kommen sie in großen Abständen und auch unregelmäßig. Aus Neugierde lade ich mir eine Wehenapp herunter und trage die Wehen ein. Manche dauern 1,5 Minuten, andere nur eine halbe Minute oder etwas länger. Die Abstände sind teilweise 15 Minuten, teilweise nur fünf.

Mein Freund und die Kinder schlafen noch in Ruhe und ich verbringe die Zeit bis halb sieben im Bett und veratme die Wehen hier. Zwischendurch spiele ich am Handy und notiere die Wehen. Die App sagt mir, ich soll noch nicht ins Krankenhaus fahren. Ich bin froh, dass ich nirgends hinfahren muss.

Um halb sieben beschließe ich, ins Bad zu gehen, solange die Ruhe noch andauert. Zwischen Zähneputzen, Kontaktlinsen einsetzen und duschen kommen immer wieder Wehen, die ich konzentriert veratme. Ich bin froh, dass ich mich mit dem Hypnobirthingbuch so gut vorbereitet habe.

Um kurz vor sieben beschließe ich, meinen Freund zu wecken. Er hat am Vorabend bis nach Mitternacht Computer gespielt und ich will ihn schlafen lassen, so lange es geht, aber langsam merke ich, dass ich alles vorbereiten will. Er ist erst verschlafen, aber als er hört, dass es losgeht, steht er auf und bereitet mir den Pool vor, der schon seit einer Woche aufgeblasen im Wohnzimmer steht.

Ich beziehe währenddessen die Couch mit der wasserfesten Unterlage und einem Leintuch, richte die extra gekauften roten Handtücher her und veratme wieder Wehen. Inzwischen sind die Abstände bei 3 — 5 Minuten.

Telefonate

Mein Freund findet, ich soll die Hebamme und meine Schwester anrufen. Inzwischen ist auch unsere Tochter wach und sehr aufgeregt, dass das Baby kommt, sie will am liebsten ihre beste Freundin anrufen, aber das erlaube ich erstmal nicht.

Dann rufe ich meine Schwester an, die sich zum Glück gleich auf den Weg macht und dann kontaktiere ich die Hebamme. Ich bin unsicher, wie lange die Geburt noch dauert und sage ihr, sie kann gern ihre Kinder noch in den Kindergarten bringen, obwohl ich weiß, dass sie eine Anfahrt von 45 Minuten hat.

Um halb acht ist der Pool fertig, genau richtig, denn am Trockenen halte ich die Wehen kaum mehr aus, mein unterer Rücken schmerzt, das kenne ich so von den anderen Geburten nicht. Also ziehe ich mich bis auf den BH aus und steige ins Wasser. Das tut gut, es ist angenehm warm. Meine Schwester frühstückt mit den Kindern, denn inzwischen ist auch unser Sohn wach, und mein Freund macht ein paar Fotos. Zwischendurch schauen alle immer wieder am Pool vorbei.

Zwischen den Wehen lenke ich mich am Handy ab und bestelle schnell noch Stoff, in der Annahme, dass ich noch ein paar Stunden im Pool verbringen werde und die Ablenkung brauche. Ich scherze noch, dass die Geburt sicher nicht schneller geht als die vorherige, aber dass das Baby bis zum Mittagessen wohl da ist.

Um zehn vor acht ruft mich die Hebamme an, dass sie ihre Kinder abgeliefert hat und ob sie gleich weiterfahren soll. Mehr als ein „ja bitte“ bekomme ich nicht mehr heraus, die Wehen sind sehr stark und intensiv, sodass ich mittöne, obwohl ich das für gewöhnlich nicht mag. Meine Schwester und die Kinder ziehen sich ins Kinderzimmer zurück, aber nicht ohne nochmal meine Hand zu streicheln, und räumen auf.

Konzentration statt Diskussion

Mein Freund will plötzlich mit mir über Babynamen sprechen, aber ich hab da gerade keinen Kopf dafür und vertröste ihn auf später, wenn das Baby da ist. Er gießt mir heißes Wasser in den Pool und ich veratme und töne. Plötzlich habe ich das Gefühl, ich muss aus dem Pool und aufs Klo. Mein Freund hilft mir aus dem Wasser und ich mache mich auf den Weg.

Wirklich müssen tu ich nicht, aber ich stelle fest, dass ich blute und der Muttermund also aufgeht. Das freut mich und gibt mir Mut, die nächsten Stunden gelassen zu sehen, obwohl die Wehen so stark sind. Viele sind es nicht, aber extrem intensiv. Zurück im Pool kommt die nächste Wehe, aber ich merke schnell, sie ist anders und ich muss drücken. Sanft mitschieben ist nicht, dazu ist alles zu intensiv, zu schnell und es überrollt mich.

Konversation in außergewöhnlichen Momenten

Mein Freund hat inzwischen gemerkt, dass es nicht mehr lang dauert. Er pendelt zwischen dem Pool und dem Fenster und sagt immer „langsam, mach langsam“ und ich denke, er hat eigentlich recht, nicht dass ich wieder reiße. Also versuche ich, langsam zu machen und taste nach dem Baby. Ich fühle die Fruchtblase und den Kopf. Mit einer Hand halte ich mir den Damm, mit der anderen stütze ich mich ab, ich knie im Pool und versuche, dem starken Pressdrang nicht nachzugeben, aber das klappt nicht, ich drücke mit und mein Freund sagt wieder „langsam“. Ich zische ihm ein „Halt die Klappe“ zu, als ich gerade nicht drücken muss. Ich taste wieder, spüre Haare. Keine Ahnung, ob die Fruchtblase geplatzt ist, das habe ich gar nicht bemerkt.

Dann eben ohne Hebamme

Dann ist auch schon der Kopf geboren und ich halte ihn. Eigentlich hätte ich gern eine Pause, aber ich denke, wenn der Kopf schon da ist, sollte der Rest auch kommen und schiebe den Körper heraus. Unser Baby ist geboren. Ganz schnell, ganz ohne Hilfe. Ich hebe es aus dem Wasser auf meine Brust, das Baby ist ganz voller Käseschmiere.

Mein Freund kommt mit einem Handtuch. Er ist genau wie ich überwältigt. Wir wickeln die Nabelschnur noch vom Baby und dann kuschle ich kurz mit dem Baby im Pool. Wir sehen nach, was wir bekommen haben und stellen fest, dass es ein Bub ist.

Nach wenigen Minuten und ein paar Fotos sind auch die Kinder und meine Schwester im Wohnzimmer, sie haben gar nicht bemerkt, dass das Baby schon da ist und freuen sich. Unsere Tochter hat sich sogar ihr schönstes Kleid angezogen, um das Baby zu begrüßen. Sie bestaunen ihren Bruder, ziehen sich dann aber wieder zurück.

Baby und ich kuscheln auf der Couch, in Handtücher gehüllt. Ich versuche ihn zu stillen, aber er mag nicht. Plötzlich fällt mir ein, dass wir keine Ahnung haben, wann er geboren ist. Anhand der Kamerafotos schafft mein Freund den Zeitraum einzugrenzen und wir einigen uns auf 08:17 am 09. April, bei 39+4.

Nachgeburt mit Hebamme

Um ungefähr dreiviertel neun ist unsere Hebamme dann auch da. Sie hat schon geahnt, dass sie zu spät kommen wird, aber freut sich mit uns, dass wir das so gut alleine geschafft haben. Die Plazenta ist noch nicht soweit, aber in meinem Bauch zieht es wieder, also kann es nicht mehr allzu lange dauern.

Die Hebamme füllt den Mutter-Kind-Pass aus und wir suchen einen Namen für unseren Sohn aus. Dann sieht meine Hebamme nach, ob ich verletzt bin, aber diesmal ist alles fast heil geblieben, ich blute nicht, es muss nichts genäht werden. Auch auf das Baby wirft sie einen Blick. Die Hebamme stellt fest, dass das Baby ziemlich viele Pickel hat und meint, es könnte ein Hinweis auf Streptokokken sein, wir sollen seine Temperatur kontrollieren und darauf achten, ob er sich auffällig verhält. Sie hält sogar Rücksprache mit einer Kollegin, aber die weiß leider auch nicht, was wir machen sollen. Ins Krankenhaus fahren wird als unnötig erachtet und darüber bin ich sehr froh.

Nach einer Stunde ungefähr kommt dann die Plazenta und wir stellen fest, dass sie herzförmig ist. Die große Schwester darf die Nabelschnur durchschneiden und dann gibt’s Plazentasmoothie für mich. Die restliche Plazenta wandert in den Tiefkühler, wie ich spontan beschließe. Unser Baby soll in Kroatien einen Baum auf der Plazenta gepflanzt bekommen, irgendwie finde ich die Idee schön, ihm an dem Ort, wo er seinen Anfang genommen hat, einen Baum zu pflanzen.

Das Baby wird gewogen, 3530g und mein Freund misst es ab, 50cm. Ich lege mich mit dem Baby ins Bett. Die Hebamme misst noch seine Sättigung und dann kuscheln und schlafen wir eine Runde. Die Hebamme fährt nach Hause und mein Freund holt Mittagessen. Anschließend informieren wir die stolzen und teilweise schon wartenden Großeltern über die Geburt des Babys.

Der Adventskalender 2021

  1. Rebekka: Traumgeburt mit Pizza
  2. Doris: Nele — Geburt in drei Akten
  3. Jeanette: Heilsame Hausgeburt im Wohnzimmer
  4. Dieter & Katrin: Alleingeburt aus Sicht eines Vaters
  5. Franziska: Das fünf-Kilo-Baby
  6. Franziska: Ein Sternengucker
  7. Carina: Schnelle Alleingeburt
  8. Sintia: Alleingeburt beim ersten Kind: Weil es genau das Richtige war
  9. Cindy: Angst ist ein schlechter Ratgeber
  10. Jana: Hockergeburt im Krankenhaus
  11. Nora: Beckenendlagengeburt
  12. Nora: Wassergeburt zu Hause
  13. Katrin: Hausgeburt einer Hebamme
  14. Barbara: Hausgeburt trotz extrem kurzer Nabelschnur
  15. Miriam: Geburt einer Sternenguckerin mit PDA und toller Unterstützung
  16. Andrea: Wassergeburt im Krankenhaus
  17. Nora: ungeplante Alleingeburt
  18. Kasia: Magische Vollmondgeburt
  19. Jana: Geburtshausgeburt mit viel gelassener Zeit und viel Geburtskraft
  20. Jessica: Die Wellensurferin
  21. Anna-Elisabeth: Drei Tage Blubbern vor dem Kaiserschnitt
  22. Katrin: Ein sanfter Notfallkaiserschnitt
  23. Sintia: Alleingeburt vor dem Klo
  24. Franziska: Wehencocktail vor der Hausgeburt

Und deine Geschichte?

Diese Geschichte habe ich nicht geschrieben, durfte sie aber veröffentlichen. Hast du deine Geburtsgeschichten aufgeschrieben? Oder fehlen mir dir die Worte? Willst du dazu meine Unterstützung in Anspruch nehmen, um die richtigen Worte zu finden? Ich helfe dir beim Schreiben der Geburtsgeschichte. Achtung, sie wird lang. Viel länger als diese hier. Das liegt alleine schon daran, dass du nicht schreiben musst, sondern erzählst. Hier gibt es mehr Informationen!

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