Sintias Tochter kam zu Hause zur Welt. Weil die Geburt so rasant war, blieb gar keine Zeit, vom Klo in die Wanne zu steigen. Viel Spaß mit dem 23. Türchen des Geburtsgeschichten-Adventskalenders.
Eine aktive Schwangerschaft entgegen der Richtlinien
Ja wo soll ich anfangen… Erstmal möchte ich erwähnen, dass ich sehr offen schreibe und alles beim Namen nenne, ganz so, wie ich es wirklich empfunden und gesehen habe.
Der Geburtstermin war am 04.04.2021. Es ist der Geburtstag von meinem Erstgeborenem. Genau wie bei ihm, ist eine Alleingeburt zu Hause geplant.
Wie bei der ersten Schwangerschaft habe ich auch diesmal keine Vorsorgeuntersuchungen gemacht. Ich bin einmal im vierten Monat zum Ultraschall gegangen um das Geschlecht zu erfahren.
Dann war ich nochmal in der 32. Woche für einen Ultraschall beim Arzt, um zu schauen, wie es der Kleinen ging. Die Frauenärztin stellte einen verkürzten Gebärmutterhals fest und befürchtete nun eine Frühgeburt. Sie verschrieb mir ein Medikament, welches diese verhindern würde. Ich habe es nicht genommen, denn ich wusste, dass es keine Frühgeburt geben würde.
Ich lasse mich nicht von Angst leiten sondern von Vertrauen. Wenn man mit sich selbst im Kontakt ist und verbunden mit eigenen Körper, spürt man ganz genau, was passiert und mit dieser mentalen Kraft kann man selbst entscheiden, welchen Weg man geht.
Ich ging in der 34. Woche zur Kontrolle und siehe da: Der Gebärmutterhals war um einen Zentimeter länger. Keine weiteren Termine. Und keine Komplikationen oder sonst irgendwelche Probleme in der Schwangerschaft – außer Sodbrennen vom Feinsten.
Ich habe mich an keine Empfehlungen oder Vorgaben, was man essen oder nicht essen sollte, gehalten, sondern mich nach den Bedürfnissen meines Körpers ernährt. Das war eine Zeit lang morgens zum Beispiel Schokolade, weil mein Blutzuckerspiegel sehr tief in den Keller gefallen ist und meine Arme zum Beispiel schwer wie Blei waren. Nach einem Stückchen Schoki hatte ich wieder Kraft.
Ich habe auch bis zur 32. Woche die Hufe unsere Pferde ausgeschnitten und Stalldienste gemacht, stundenlange Abenteuerspaziergänge im Wald und ab der 38. Woche die Eingewöhnung im Waldkindergarten für meinen Sohn. Ich lief also 4 Stunden täglich im Wald herum.
Kein Bock mehr, schwanger zu sein
Kurz vor dem errechneten Geburtstermin ging dann aber plötzlich gar nichts mehr. Meine Laune war ab da dann genauso tief wie mein Blutzuckerspiegel. Ich hatte absolut keinen Bock mehr, schwanger zu sein. Jeden Morgen wieder mit Bauch aufzuwachen, war irgendwie zum Kotzen.
Durch mein Gemecker und Gejammer hat sich das kleine Baby dann noch schöne elf Tage bis nach dem Geburtstermin Zeit gelassen. Ich bin nicht zum Arzt gefahren, weil ich keine Lust hatte, dass sie mir Angst und Druck machten, einleiten zu lassen.
Für mich ist eine Einleitung, wenn kein medizinischer Notfall, sondern aus reiner Vor-sorge, einfach dumm. Die Geburt ist ein Prozess, in dem alles, was der Körper braucht, passen muss. Wenn ein Teil noch nicht zum anderen passt und der Körper mit der Einleitung zur Geburt gezwungen wird, ist das totale Manipulation und der ganze Prozess schon in die Pathologie gedrängt. Dabei können einfach nur Komplikationen entstehen. Und dann heißt es wieder „gut, dass man im Krankenhaus war…“ Naja anderes Thema.
Auf jeden Fall wollte ich das unter keinen Umständen, ich hätte auch noch 20 Tage über ET gewartet. Mein Körper und das Baby wüssten schon, wann sie bereit wären.
Gute Laune, schlechte Laune
Gut, kommen wir zum 15.April des Jahres 2021.
Ich bin morgens aufgestanden und hatte nach der Toilette etwas Blut im Klopapier. „Endlich“, hab ich gesagt. Die schlechte Laune verpuffte erstmal und ich hatte Lust auf den Tag. Ich sagte meinem Partner und Papa der Kleinen Bescheid, dass es heute oder in der Nacht losgehen würde. Meine Mutter, mein Sohn und ich gingen noch einkaufen und danach ging ich mit ihm und meinem Hund ein Stück spazieren. Danach hielten wir unseren Mittagsschlaf.
Zum Abend hin kam der Papa von der Arbeit. Ich hatte bis dahin nicht eine einzige Wehe. Dafür war die schlechte Laune wieder da. Ich habe dann angefangen, für die Kleine einen Anzug für draußen zu nähen. Dann habe ich Jasha ins Bett gebracht.
Immer noch nichts.
Ich ging dann baden — in der Hoffnung, es würde etwas bewirken. Da saß ich nun. Ohne Anzeichen, dass es losginge. Mein Partner saß am Beckenrand und wir redeten etwas und lachten mich aus wegen meiner schlechten Laune. Ich stieg aus der Wanne aus. Irgendwann gingen wir ins Bett und ich beschwerte mich, morgen früh wieder mit Bauch aufzuwachen.
Ich hatte dann aber auch kein Bock mehr auf die Geburt, weil es schon so spät war. Da wollte ich dann gern schlafen. Es war circa 24 Uhr.
Der 16.April hatte begonnen.
Wehen von Null auf Heftig
Um 00:23 spürte ich plötzlich eine sehr starke Wehe. Sie war so stark, dass ich wusste: Nun ging’s los. „Bartosz! Es geht los“ sagte ich zu ihm. Er war gerade eingeschlafen. „Jetzt?“ — „Ja“ drückte ich während der schmerzhaften Wehe heraus. „Jetzt?“, versicherte er sich nochmal. „Ja! Jetzt!“
Er sprang auf, machte das Licht an, zog seine Klamotten an und stand bereit: „Was soll ich machen?“ Es war voll süß.
Dabei fühlte er sich genauso unvorbereitet wie ich, weil wir auf schlafen eingestellt waren. Ich bestellte erstmal eine Wärmflasche. Während er sie machte, kam noch eine Wehe. Sie waren von Anfang an extrem stark. Als er wieder da war, kam die nächste und ich merkte, dass ich das im Bett so nicht aushielt.
Ich ging dann ins Badezimmer, wo ich vor einer Woche schon alles vorbereitet hatte. Bartosz zündete tausende Kerzen an. Musik, Isomatte vor die Badewanne — und fertig. Es war eine unglaublich schöne harmonische Stimmung. Zwischen den Wehen unterhielten wir uns, konnten es gar nicht richtig wahrhaben, dass es jetzt passierte.
Wir hatten so lange gewartet. Die letzten 2 Wochen hatten 2 Jahre gedauert. Ich wunderte mich etwas, dass ich noch so da war und mich unterhalten konnte. Bei der ersten Geburt war ich richtig in Trance und konnte an der Außenwelt nicht mehr teilnehmen.
Ich dachte „Oh Mann, das wird Stunden dauern…“ Die Wehen waren stark, aber ich konnte sie gut ertragen. Sie kamen sehr regelmäßig. Ich ließ etwas Wasser in die Badewanne. Das Geräusch des Wassers und meine schöne Geburtsmusik taten sehr gut und ich fühlte mich unglaublich wohl.
Mein Bartosz hat sich soo lieb gekümmert und war so da. Das hat mir sehr viel Kraft gegeben. Irgendwann bin ich in die Badewanne gegangen. Ich setzte mich auf meine Knie. Dort hatte ich zwei Wehen. Dann hab ich mich kurz auf den Rücken gelegt, um im warmen Wasser zu sein. Mein Körper gönnte mir eine kurze Pause. Ich merkte, dass ich nicht im selben Abstand Wehen bekam, sondern eine ausgelassen wurde. Das war nett in dem Moment. Ich genoss es, ich wusste ja auch nicht, was dann kommen würde.
Von da an wurde es verrückt.
Die nächste Wehe war so mächtig, dass ich dachte, ich zerbräche. Mein Körper wollte schon fast in eine Presswehe übergehen, aber tat es dann doch nicht. „Jetzt schon??“ Irgendwas fehlte noch. Ich spürte kurz den Kopf drücken.
„Scheiß Rückenlage“, dachte ich. „Ich muss unbedingt auf Klo!“ Ich kam raus aus der Wanne, Handtuch um und aufs Klo gesetzt. Meinen Partner hab ich dafür rausgeschickt. Kacken wollte ich alleine. Die Wehen kamen nun in sehr, sehr kurzen Abständen. Und sie waren fast so stark wie die letzte in der Wanne. Ich war fertig auf Klo und hockte mich auf die Isomatte. Bartosz kam wieder dazu.
Die nächste Wehe war sehr schwer zu ertragen. Diese immense Druck nach unten. Ich sprang auf, weil ich das Gefühl hatte, wieder auf Klo zu müssen. Bartosz saß still auf seinem Stuhl und beobachtete mich. Durch die Intensität der Wehen seit der Badewanne war ich wieder in einer anderen Welt. Die Abstände der Wehen waren nun schon sehr kurz. In dieser Welt gab es nur Instinkte, Intuition und Gefühl.
Ich lief zur Toilette, musste dann doch nicht und stand dann auf der Isomatte ganz in mir versunken, um zu erspüren, was es gerade brauchte, um diese Situation zu überstehen. „Da kommt etwas“ sagte Bartosz. Ich schaute ihn völlig verwirrt an, weil ich dachte das Baby käme da plötzlich raus.
„Blut.“ Ich schaute nach und hatte Blut an der Hand. Ich steckte auch kurz meine Finger in die Vagina und war kurz vollkommen verzweifelt, weil die Wehen so mächtig waren und ich nicht mehr mochte. Ich fühlte gar kein Köpfchen. Das Baby war noch komplett in der Gebärmutter drin. Ich dachte nur: „Wie lange soll ich das noch aushalten?“ Aber gut — weiter machen.
Meine Gedanken hatten nicht lange Kraft über mich in diesem Zustand. Nächste Wehe. „Okay, doch kacken.“ Bartosz raus ..Ich auf Klo. Während der Wehe entleerte sich der Darm etwas. Ich kam nicht so richtig klar damit, das hat mich etwas überfordert. „Ich schaffe das nicht“, dachte ich zwischendurch und erinnerte mich gleich daran, dass, wenn eine Frau zu diesem Gedanken gekommen ist, das Baby bald da ist.
Ich wollte mich so gern sauber machen, aber ich schaffte es einfach nicht, weil schon im nächsten Atemzug die nächste Wehe kam. Es gab kaum eine Pause. Und der Druck war kaum auszuhalten. Ich habe angefangen, die Wehen etwas zu betonen.
Leise, aber die Wehen hatten auf jeden Fall einen Ton, und zwischendrin habe ich „Scheiße, Scheiße, Scheiße!“ vor mich hingeredet, weil ich gemerkt habe, dass ich nicht in der Lage war, meinen Po sauber zu machen. Das war es, was mich so überfordert hat. Ich kam quasi vom Klo nicht mehr weg.
Bartosz konnte ich auch nicht rufen solange ich mich nicht sauber machen konnte. Das war wirklich ein Problem für mich in dem Moment. Mein Körper sammelte meine ganze Kraft und plötzlich kam sie….Diese erste Presswehe. Mein Körper begann mit aller Macht, zu drücken. Und sofort wurde das Köpfchen in den Geburtskanal gedrückt. Dann hatte ich kurz Zeit einzuatmen und zu realisieren, dass mein Baby kam, denn im nächsten Atemzug drückte mein Körper einfach weiter.
Raketengeburt
Sie schoss wie eine Rakete durch den Geburtskanal. Nichts Pause, Nichts Dehnung. Nichts Po sauber machen. Meine Gedanken überschlugen sich. „Scheiße“, dachte ich wieder. Bartosz wartete immer noch im Flur. Ich wusste nicht, wie ich tun sollte. Ich wusste nur: „Ich muss sofort runter vom Klo! JETZT!“ Denn mein Körper drückte einfach immer weiter.
Mit einem winzigen Fitzelchen Kraft, das ich meinem Körper noch mal ansprechen konnte, rief ich leise und mit zarter Stimme „sie kommt!“ Er kam sofort rein. „Sie kommt!“ Er griff meine Hand und zog mich mit einem Schwung vom Klo.
Vor mir lag zum Glück ein Handtuch, darauf bin ich im selben Schwung auf die Knie gegangen „Hier?“, rief er erschreckt. „Ich schaffe es nicht!“
Ihr müsst verstehen: Das alles geschah innerhalb von zehn bis zwanzig Sekunden , während der Presswehe. Mein Körper drückte die ganze Zeit weiter. Ich spürte ihren Kopf durch mich durchschießen. Ich kniete mit einer Hand auf meiner Vulva, spürte sie schon ganz vorne und sie machte kein Halten um meiner Vagina etwas Dehnung zu gönnen. Sie kam einfach raus: Drei Sekunden, nachdem Bartosz mich vom Klo gezogen hatte.
Und auch nach dem Kopf gab es keine Pause. Ihr Körper kam direkt hinterher. Ich ließ sie auf das Handtuch gleiten. Ohne nachzudenken und instinktiv öffnete ich die Fruchtblase, mit der sie herausgekommen war, genauso wie mein Sohn.
Für mich war es ein großes Zeichen für die Sanftheit dieser Geburt. Kein Stress, kein Druck.
Nach einer Stunde und 40 Minuten war sie also da. Ich nahm sie an mich, glitschig und weich, drückte sie an meinen Körper und stand auf. Aus mir lief sehr viel Blut. Ich beobachtete das kurz und spürte, dass es keinen Handlungsbedarf gab.
Ich stellte mich neben die Blutpfütze und kümmerte mich ums Baby. Ich saugte ihr mit meinem Mund etwas Fruchtwasser aus Nase und Mund, um ihr das Atmen zu erleichtern. Ich spürte, dass ich gerissen war. Es hatte aber schon aufgehört zu bluten.
Wir bewunderten unser Baby.
Dann gab ich es Bartosz und wir gingen nochmal zum Klo. Ich konnte mich endlich sauber machen.
Ich setzte mich dann mit dem Baby auf den Stuhl und fing an, sie zu stillen. Bartosz kümmerte sich um das Schlachtfeld und wischte das Blut und das Fruchtwassergemisch weg. Dann legte er mir zwischen Toilettenbrille und Toilette ein Mulltuch und ich setze mich darauf. Das war circa zehn Minuten nach der Geburt. Ich gebar die Plazenta in das Tuch. Als ich aufstand, kam noch ein Schwall Blut.
„Hm. Alles wieder voll…“ dann setzte ich mich in die Wanne, um mich zu waschen. Danach legte ich mich mit dem Baby ins Bett und stillte und kuschelte. Mein Bartosz machte wieder alles sauber und versorgte uns soweit nötig. Und kam dann dazu.
Kurz darauf ist mein Sohn wach geworden und gemeinsam bestaunten und bekuschelten wir unser Baby, bis wir alle glücklich eingeschlafen sind. Die Nabelschnur habe ich circa 5 Stunden mit der Plazenta verbunden gelassen und Bartosz hat sie dann durchgeschnitten. Den Riss habe ich nicht nähen lassen.
Wir waren also bis jetzt nicht beim Arzt oder sonst wem sondern haben einfach unsere Ruhe. Warum auch nicht, wir erfreuen uns an bester Gesundheit.
Der komplette Geburtsgeschichten-Adventskalender 2021
- Rebekka: Traumgeburt mit Pizza
- Doris: Nele — Geburt in drei Akten
- Jeanette: Heilsame Hausgeburt im Wohnzimmer
- Dieter & Katrin: Alleingeburt aus Sicht eines Vaters
- Franziska: Das fünf-Kilo-Baby
- Franziska: Ein Sternengucker
- Carina: Schnelle Alleingeburt
- Sintia: Alleingeburt beim ersten Kind: Weil es genau das Richtige war
- Cindy: Angst ist ein schlechter Ratgeber
- Jana: Hockergeburt im Krankenhaus
- Nora: Beckenendlagengeburt
- Nora: Wassergeburt zu Hause
- Katrin: Hausgeburt einer Hebamme
- Barbara: Hausgeburt trotz extrem kurzer Nabelschnur
- Miriam: Geburt einer Sternenguckerin mit PDA und toller Unterstützung
- Andrea: Wassergeburt im Krankenhaus
- Nora: ungeplante Alleingeburt
- Kasia: Magische Vollmondgeburt
- Jana: Geburtshausgeburt mit viel gelassener Zeit und viel Geburtskraft
- Jessica: Die Wellensurferin
- Anna-Elisabeth: Drei Tage Blubbern vor dem Kaiserschnitt
- Katrin: Ein sanfter Notfallkaiserschnitt
- Sintia: Alleingeburt vor dem Klo
- Franziska: Wehencocktail vor der Hausgeburt