Der Arschlochmoment (ein Dank an Papas*)

Man kennt ihn unter vielen Namen: Übergangsphase, Arschlochmoment, Zweifelminute… In diesem Beitrag möchte ich den Moment würdigen, den wohl die allermeisten Personen kennen, die bei Geburten dabei waren: Der Moment, in dem die Stimmung kippt. Und um diesen Moment, den ich gerne den Arschlochmoment nenne, geht es in diesen Beitrag.

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Die Übergangsphase aus medizinischer Sicht

Die Übergangsphase bezeichnet in der Geburtshilfe den Moment, in dem der Muttermund seine volle Öffnung erreicht, meist zwischen acht und zehn Zentimetern. Die Wehen sind jetzt besonders intensiv und kommen oft in sehr kurzen Abständen. Der Körper arbeitet mit Hochdruck daran, das Kind in den Geburtskanal zu schieben – ein Prozess, der überwältigend sein kann und oft mit starken Emotionen einhergeht

Die Übergangsphase tut weh

In der Übergangsphase ist der Muttermund also (fast) vollständig geöffnet und das Kind „dreht sich ein“, um durch das Becken zu gleiten. (Okay, manche Mütter* würden wohl sagen, dass das mit „Gleiten“ nichts zu tun hat… Und damit sind wir auch schon beim Punkt:)

Meistens ist die Übergangsphase nicht nur emotional fordernd, sondern auch körperlich anstrengend; und manchmal sogar schmerzhaft.

Die Gebärende schwankt zwischen purer Erschöpfung, Schmerz und dem unbändigen Willen, ihr Kind auf die Welt zu bringen. In dieser Phase sind die Gebärenden oft unverblümt ehrlich, was nicht selten zu pointierten Gefühlsausbrüchen führt.

Schön hat das zum Beispiel Schwesterfraudoktor auf doccheck geschrieben:

Das letzte Drittel der Eröffnungsphase wird auch Übergangsphase genannt und ist der Part der Geburt, der am meisten schmerzt. In dieser Zeit möchten Frauen gerne aufstehen, ihre Sachen packen und nach Hause gehen. „Ich bin fertig, ich gehe“, ist wohl ein typischer Satz, der häufig ausgesprochen wird. Ich habe geheult, was schließlich auch eine sehr erwachsene Reaktion ist. Die Wehen in der Übergangsphase kommen deutlich häufiger und haben eine nochmals stärkere Schmerzintensität, weil der Kopf durch das mütterliche Becken tritt und dabei eine 90°-Wende hinlegt. Dabei fühlt es sich an, als würde das Becken gesprengt werden. Was vielleicht eine Erleichterung wäre. Bumm. Endlich Platz da unten. 

Schwesterfraudoktor auf doccheck


Manifest für eine selbstbestimmte Geburtskultur

Manifest für eine Selbstbestimmte Geburtskultur
Manifest für eine Selbstbestimmte Geburtskultur

Der Arschlochmoment

Warum aber bezeichne ich diesen Moment als Arschlochmoment? Der Ausdruck beruht auf einer persönlichen Statistik im Umfeld, nach der sehr viele meiner Bekannten ihren doch eigentlich geliebten Kindsvater zur Sau gemacht haben und ihm verschiedene Schimpfwörter entgegenschlugen, und zwar immer im folgenden Zusammenhang:

Nur DEINETWEGEN mache ich das hier durch, du [Hier bitte Schimpfwort deiner Wahl einfügen].

Logisch, etwa neun Monate vorher war der entsprechende Mensch wohl vermutlich an der Zeugung beteiligt und damit wird er nun zum perfekten Sündenbock. Denn ohne ihn keine Zeugung, ohne Zeugung keine Geburt, ohne Geburt keine Schmerzen.

Und kein Arschlochmoment.

Unterstützung in der Übergangsphase: Praktische Tipps für Väter

In der Übergangsphase ist die körperliche Unterstützung des Partners von entscheidender Bedeutung. Doch was genau kann der Vater tun, wenn die Gebärende am Rande der Erschöpfung steht und der Schmerz fast unerträglich wird? Zunächst einmal: Ruhe bewahren. Die Gebärende spürt die Anspannung und die Unsicherheit des Vaters und wird diese eventuell noch verstärken. Ein ruhiges, liebevolles „Du schaffst das“ oder „Ich bin bei dir“ kann enorm helfen. Praktisch kann der Vater die Gebärende anleiten, sich auf ihren Atem zu konzentrieren, eine angenehme Position zu finden, oder ihr mit sanften Massagen oder der Anwendung von Wärme Erleichterung zu verschaffen. All das sind kleine Gesten, die große Wirkung haben und die Gebärende spüren lassen, dass sie nicht allein ist.

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Danke an euch alle, liebe Papas*

Der Partner steht bei einem Gefühlsausbruch in der Übergangsphase (oder auch zu jedem anderen Moment während der Geburt) daneben, oft hilflos, manchmal überfordert – aber allein seine Anwesenheit kann eine unglaubliche Stütze sein. Das gilt sogar, selbst wenn er das gar nicht so empfindet.

Ja, viele werdende Väter* müssen sich in dieser Übergangsphase anhören, was die Ärzte schon 1998 besangen: Männer sind Schweine.

Exkurs: Männer sind Schweine: Liedtext

(bitte zum Lesen aufklappen)

Wenn ich schon mal die Gelegenheit habe, auf meinem Blog einen Liedtext der besten Band der Welt zu posten, will ich das natürlich auch tun.

Copyright: Die Ärzte, siehe hier: https://www.bademeister.com/songs/maenner-sind-schweine

Hallo, mein Schatz: Ich liebe dich, du bist die Einzige für mich
Die andern find ich alle doof, deswegen mach ich dir den Hof
Du bist so anders, ganz speziell, ich merke so was immer schnell
Jetzt zieh dich aus und leg dich hin, weil ich so verliebt in dich bin
Gleich wird es dunkel, bald ist es Nacht
Da ist ein Wort der Warnung angebracht:

Männer sind Schweine, traue ihnen nicht, mein Kind
Sie wollen alle das Eine, weil Männer nun mal so sind

Ein Mann fühlt sich erst dann als Mann, wenn er es dir besorgen kann
Er lügt, dass sich die Balken biegen, nur, um dich ins Bett zu kriegen
Und dann am nächsten Morgen weiß er nicht einmal mehr, wie du heißt
Rücksichtslos und ungehemmt, Gefühle sind ihm völlig fremd
Für ihn ist Liebe gleich Samenverlust
Mädchen, sei dir dessen stets bewusst:

Männer sind Schweine – frage nicht nach Sonnenschein
Ausnahmen gibts leider keine
In jedem Mann steckt auch immer ein Schwein
Männer sind Säue, glaube ihnen nicht ein Wort
Sie schwörn dir ewige Treue
Und dann am nächsten Morgen sind sie fort

Und falls du doch den Fehler machst und dir ‘nen Ehemann anlachst
Mutiert dein Rosenkavalier bald nach der Hochzeit auch zum Tier
Da zeigt er dann sein wahres Ich, ganz unrasiert und widerlich
Trinkt Bier, sieht fern und wird schnell fett und rülpst und furzt im Ehebett
Dann hast du King Kong zum Ehemann
Drum sag ich dir, denk bitte stets daran:

Männer sind Schweine, traue ihnen nicht, mein Kind
Sie wollen alle nur das Eine, für wahre Liebe sind sie blind
Männer sind Ratten, begegne ihnen nur mit List
Sie wollen alles begatten, was nicht bei drei auf den Bäumen ist
Männer sind Autos, nur ohne Reserverad

Doch die Rolle des Vaters* bei der Geburt ist von unschätzbarem Wert und verdient besondere Anerkennung.

Umso wichtiger ist es, an dieser Stelle einmal zu sagen:

Liebe Papas*, ihr seid toll. Für euch war die Geburt des Kindes vermutlich auch anstrengend. Vielleicht war sie nicht so schmerzhaft, aber gelitten habt ihr vermutlich trotzdem beim Anblick eurer Frau*. Ihr musstet hilflos zusehen, wie euer Lieblingsmensch Schmerzen durchlitt, und konntet oft nur wenig tun, um sie zu lindern.

Aber ihr habt euer Bestes gegeben. Ihr wart da, habt Händchen gehalten, ermutigt, Eiswürfel gereicht, den Rücken massiert und vielleicht sogar als menschlicher Boxsack oder Stressabbauball hergehalten – freiwillig oder unfreiwillig. Ihr habt durchgehalten, auch wenn ihr manchmal nicht wusstet, was ihr tun oder sagen solltet.

Auch wenn sie das kurzfristig unter der Geburt vergessen hat, eigentlich weiß eure Frau* das. Und sie weiß es sehr zu schätzen, dass ihr euch nicht einfach rausgenommen habt. Eure Anwesenheit, eure Unterstützung und eure Liebe waren in diesen schwierigen Stunden von unschätzbarem Wert.

[Hinweis: Wenn du das als Schwangere oder Mutter* liest, dann sag doch einfach mal Danke. Selbst, wenn es schon viele Jahre her ist. Ich kann mir vorstellen, dass es ihm ein ehrliches Lächeln auf das Gesicht zaubert. Ich glaube, das werde ich jetzt auch mal direkt nochmal machen, immerhin war mein Lieblingsmensch bei den Geburten von Kind 1, Kind 2 und Kind 4 ausgesprochen involviert und hat mich auch bei der Geburt unseres Sternenkindes nach Kräften unterstützt. Vielleicht sage ich einfach ab jetzt jedes Jahr am Geburtstag eines Kindes „Danke, dass du damals dabei warst und mich unterstützt hast!“. Die Idee gefällt mir.]

Nach der Geburt habt ihr vielleicht die ersten Windeln gewechselt, das Baby geschaukelt oder eurer erschöpften Partnerin etwas zu essen und zu trinken gebracht. Ihr habt euch in eine völlig neue Rolle eingefunden und dabei geholfen, dass sich eure Frau* erholen konnte.

Ohne euch wäre diese Geburt eures Babys anders verlaufen. Nämlich mit einer vertrauten Bezugsperson weniger. Wir alle wissen mittlerweile, dass die Betreuung und Begleitung unter der Geburt einen wesentlichen Faktor bei der Einschätzung bildet, ob eine Gebärende die Geburtserfahrung als selbstbestimmt und ermächtigend oder als erniedrigend und traumatisch empfindet. Im Zweifelsfall war es also vielleicht eure Stimme, eure Geste, euer Streicheln, das den Unterschied gemacht hat. Vielleicht waren es auch eure Freudentränen.

Exkurs: Wann ist die Geburt für Väter* ein positives Erlebnis?

(bitte zum Lesen aufklappen)

Im Rest dieses Artikels gehe ich auf die unterstützende Kraft von Vätern* auf die Gebärende ein. Dabei sollten wir aber natürlich nicht vergessen, dass auch Väter* Geburten unterschiedlich erleben können. Und dieses Erleben ist durchaus wichtig!

Deshalb hier die Kurzzusammenfassung einer Qualitativen Studie, die sich genau damit beschäftigt:

Ergebnisse

Alle Väter beurteilten das Erleben der Geburt ihres Kindes retrospektiv positiv. Eine Vielzahl an potentiellen Einflussfaktoren auf das väterliche Geburtserleben konnten eruiert werden, sowohl biografische Einflussfaktoren, als auch Einflussfaktoren während der Schwangerschaft und der Geburt. Insbesondere zeigte sich das medizinische Fachpersonal von Bedeutung, im Speziellen die Hebamme.


Schlussfolgerung

Das medizinische Fachpersonal sollte dem
väterlichen Geburtserleben mehr Aufmerksamkeit schenken.
Der Fokus für weitere Forschung könnte auf Konzepte zur Förderung eines positiven Geburtserlebens der Väter gelegt werden.

Jennifer Krulis, Martina König-Bachmann, Christoph Zenzmaier: Einflussfaktoren auf das väterliche Erleben der Geburt im Kreißsaal: Eine qualitative Studie. Online-Zugriff: https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/pdf/10.1055/a-1204-2212.pdf?utm_source=chatgpt.com

Fühlt euch umarmt. Ihr habt eine wichtige Rolle gespielt und werdet auch weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Die Geburt war nur der Anfang eurer Reise als Vater*, und eure Unterstützung wird in den kommenden Wochen, Monaten und Jahren genauso wichtig sein.

Denkt daran: Auch wenn der Arschlochmoment hart war, ist er vorübergegangen. Was bleibt, ist die gemeinsame Erfahrung, die euch als Paar und Familie zusammenschweißt.

Foto von Yan Krukau

[Wenn du einen Papa* kennst, der das lesen sollte, leite ihm diesen Beitrag gerne weiter. Vielleicht hilft es ihm, sich an seine eigene Stärke in diesem besonderen Moment zu erinnern oder gibt ihm Mut für eine bevorstehende Geburt.]

Katharina Tolle

Wie schön, dass du hier bist! Ich bin Katharina und betreibe seit Januar 2018 diesen Blog zu den Themen Geburtskultur, selbstbestimmte Geburten, Geburtsvorbereitung und Feminismus.

Meine Leidenschaft ist das Aufschreiben von Geburtsgeschichten, denn ich bin davon überzeugt, dass jede Geschichte wertvoll ist. Ich helfe Familien dabei, ihre Geschichten zu verewigen.

Außerdem setze ich mich für eine selbstbestimmte und frauen*-zentrierte Geburtskultur ein. Wenn du Kontakt zu mir aufnehmen möchtest, schreib mir gern!

Foto von Katharina

7 Gedanken zu „Der Arschlochmoment (ein Dank an Papas*)“

  1. Mit einem geplanten Kaiserschnitt kann frau sich die ganze Folter ersparen. Ich hatte zwei Wunschkaiserschnitte, vor 40 und vor 35 Jahren. Traumgeburten, stressfrei, angstfrei, schmerzfrei. Und nachhaltig, Inkontinenz ist auch heute noch kein Thema für mich.

    Antworten
    • Hab mir die Folter nicht erspart und für mich ist, mit 64 Jahren und 5 Geburten, Inkontinenz ebenfalls kein Thema. Im Gegensatz zu manchen gleichaltrigen die nicht geboren haben. Hat wohl eher was mit Veranlagung zu tun.

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    • Dann hattest du Glück. Heutzutage werden die mit einer Spinalen bei vollem Bewusstsein gemacht und auch nicht mehr mit einer richtigen Vollnarkose von Beginn weg, sondern nur noch mit Propofolsedierung beim Ausräumen und später erst Vollnarkose. Heißt: Man hat beim geplanten Kaiserschnitt Chancen auf richtige Schmerzen oder darauf, dass man doch noch irgendwie wach ist, sich aber nicht bewegen kann und alles spürt. Mir ist das passiert bei einem geplanten Kaiserschnitt. Diese Gefahr wird gerne heruntergespielt. Und nachher wird behauptet, das wäre noch nie passiert und wäre ja auch nur Einbildung gewesen.
      Allerdings werden auch die körperlichen Konsequenzen und Schmerzen einer natürlichen Geburt oft heruntergespielt, vom Trauma fange ich gar nicht an. Die körperlichen Schäden waren bei mir bei natürlichen Geburten viel schlimmer. Aber auch die sind natürlich ganz, ganz selten und da hatte frau eben Pech. Komisch nur, wenn dann plötzlich alle um die Ecke kommen und vom Horror erzählen und dass sie nicht mehr richtig sitzen, Trampolinspringen oder Sex haben können, auch nach Jahren.
      Man kann immer Glück oder Pech haben. Folter kann beides sein. In meinem Umkreis ist es 50:50. Totaler Horror oder nicht so schlimm.
      Den Arschlochmoment kenne ich jedenfalls nicht und habe von ihm auch noch von keiner Freundin oder Bekannten gehört, egal wie schrecklich die Geburt war. Verstehe das Prinzip auch nicht so ganz.

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  2. Viele Beobachtungsstudien mit großen Datensätzen haben gezeigt, dass per Kaiserschnitt geborene Kinder ein statistisch höheres Risiko für bestimmte Krankheiten haben. Sie leiden im Laufe ihres Lebens eher an Atemwegserkrankungen wie Asthma, entwickeln häufiger Allergien und haben ein höheres Risiko für Übergewicht. Hmmm…
    Es wird vermutete, dass der fehlende Kontakt des Kindes mit der Keimflora des Geburtskanals hierfür verantwortlich sein könnte. Bei einem Kaiserschnitt ist das Baby zu allererst den Hautkeimen des OP-Personals und der Mutter ausgesetzt. Das Bakterien-Spektrum der dadurch entstehenden Darmflora unterscheidet sich deshalb deutlich von dem eines vaginal entbundenen Babys.

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