Worum traure ich eigentlich bei Sternenkindern und warum Fußfotos?

Der heutige Beitrag ist von Tanja. Tanja hat zwei Kinder an der Hand und zwei im Herzen. Und sie ist wieder schwanger. In ihrem Gastbeitrag stellt sie ihr Projekt Fußfotos vor, mit dem sie an Sternenkinder erinnern will.

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Warum schreibe ich im Oktober von Sternenkindern?

Im Oktober ist der Monat, die Woche und am 15.10. der Tag für Sternenkinder. Sie werden auch Eileiterschwangerschaft, Windei, Abgang, Abort, Abtreibung, Fehlgeburt, Abbruch, Schwangerschaftsabbruch, Totgeburt oder Kindstod genannt.

Worum handelt es sich bei Sternenkindern?

Das deutsche Familienministerium nennt alle Kinder, die wir während der Schwangerschaft oder im ersten Jahr danach verabschieden mussten, Sternenkinder. Meine erste Tochter habe ich 2018 in der 20. SSW und meinen Sohn 2019 in der 16. SSW verabschiedet.

Foto: Tanja Wirnitzer

Ich wollte etwas tun

Für mich war das Schlimmste, der Natur ausgeliefert zu sein und nichts machen zu können. Ich suchte für mich nach einer Möglichkeit, etwas zu tun. Ich wollte mit meinen toten Kindern leben und sie in unser Familienleben mit ihren zwei Geschwisterchen an der Hand und einem im Bauch integrieren.

Foto: Tanja Wirnitzer

So entstand die Idee für Fußfotos. Fotos von Füßen im Himmel für die Spuren von Sternenkindern in unser aller Leben. Jede Person kann jederzeit ein Foto von Füßen knipsen. Seit knapp drei Jahren sammele ich Fußfotos und teile sie.

Foto: Tanja Wirnitzer

Dadurch komme ich mit vielen Sterneneltern, Mitfühlenden und Initiativen in den Austausch. Mit dieser Erfahrung unterscheide ich nicht, aus welchem Grund oder zu welchem Zeitpunkt wir Kinder verabschieden mussten. Für mich bedeutet Sternenkinder: Wenn Eltern ihre Kinder überleben, egal in welchem Alter diese Kinder sind, dann sind es Sternenkinder.

Warum teile ich Fußfotos?

Trauer ist Liebe und endet nie. Mit der Zeit verspürte ich den Drang nach etwas Aktivem. Ich wollte etwas tun, aber nichts Lautes, nichts Aktivistisches oder mich überforderndes, überrollendes. So habe ich mit dem Schreiben angefangen und Bücher über das Leben mit Sternenkindern entwickelt.

Im ersten Buch geht es um meine Erfahrung mit Sternenkindern. Dafür habe ich an vielen Orten recherchiert. Ich komme ursprünglich aus Vöhringen bei Ulm, wohne aber seit Langem in München und lebe aktuell in China und habe Simbabwe intensiv bereist. So entstand die Idee für ein Buch über das Leben mit Sternenkindern weltweit.

Das Schreiben hat irgendwann nicht mehr gereicht, weil es nur für mich war. Ich schreibe schon immer, um zu Denken, daher ist es nicht wirklich etwas für beziehungsweise durch meine Sternenkinder. Ich wollte ein Zeichen setzen, weil ich mir gewünscht hätte, vor meinen Sternenkindern viel mehr darüber gewusst zu haben.

Foto: Tanja Wirnitzer

Ich wollte etwas Einfaches, etwas, das ich mit allen teilen kann und alle Mitfühlenden mitmachen können. Eine Freundin hat mir zu Instagram geraten, weil sich hier viele sammeln. Ich hatte keine Erfahrungen mit Social Media und habe daher Instagram und eine Website gestartet.

[Insta-Screenshots:]

Was bedeutet #walkofimpact

So kam ich auf die Idee einer Fotoaktion und durch einen Zufall mit den Geschwisterchen meiner Sternenkinder war die Idee für Fußfotos entstanden. Fotos von Füßen im Himmel mit dem #walkofimpact.

Die Füße (walk) stehen für den Weg, den Sternenkinder in ihrem eigenen Leben nicht gehen. Weniger sichtbar (im Himmel), dafür umso intensiver sind die Spuren (impact) von Sternenkindern auf unser Leben.

Foto: Tanja Wirnitzer

Ich habe so viel durch meine Sternenkinder gelernt und betrachte Dinge aus so neuen Blickwinkeln, dass mir durch diesen viel umfassenderen Überblick vieles so einfacher fällt. Mein Leben, meine Einstellung und vor allem meine Toleranz lassen sich zeitlich in VOR und NACH meinen Sternenkindern einteilen.

Worum trauere ich bei Sternenkindern eigentlich?

Vielen fällt es schwer zu verstehen, wie meine Kinder Einfluss auf mein Leben haben können, wo ich sie doch gar nicht kennengelernt habe. Das hätte ich vor meinen Sternenkindern sicher auch so gesehen. Ich hatte mich damals nicht aus dieser Perspektive mit dem Tod von Kindern beschäftigt.

Foto: Tanja Wirnitzer

Ja, ich habe keine Erinnerungen an meine Kinder. Ich erinnere mich viel kleinschrittiger und intensiver an die Schwangerschaft, Gedanken, Gefühle, Ultraschallbilder und vieles mehr als bei den Geschwisterchen an der Hand, aber konkrete Erinnerungen an meine Kinder habe ich nicht.



Was ich erst durch meine Sternenkinder realisiert habe (impact): Auch bei meinen Großeltern oder anderen Menschen im Umfeld, die ich früher als erwartet verabschieden musste, trauere ich nicht um Erinnerungen. Ich vermisse Erinnerungen.

Meine Sternenkinder vermisse ich nicht. Ich durfte sie weder kennenlernen noch begleiten. Ich denke, in diesem Punkt macht tatsächlich das Alter eines Sternenkindes einen Unterschied im Leben mit dem toten Kind. Wer seine Kinder kennenlernen durfte (und seien es nur zu wenige Jahre, Monate, Stunden oder gar Minuten), hat so vieles zu vermissen.

Foto: Tanja Wirnitzer

So hart Erinnerungen am Anfang sind, weil sie in mir schmerzhafte Impulse auslösen, was war und nicht mehr sein wird, so sehr zaubern sie mir mit der Zeit ein Lächeln ins Gesicht, geben mir Kraft, Sicherheit und werden Teil meiner Identität.

Anders ist es mit der Trauer. Sie steht für das Fehlende. Und das ist, was ich mit allen gemeinsam habe: Ich trauere um meine Sternenkinder. Trauer ist Liebe. Wenn ein von mir geliebter Mensch stirbt, traure ich nicht um die Vergangenheit. Die hatte ich ja und habe sie in Form von Erinnerungen. Worum ich trauere, ist die Person, was die Person nicht mehr haben wird und ich nicht mit ihr.

Ich traure um die Gegenwart und Zukunft, was meine Sternenkinder alles nicht erleben und erleben werden, wobei ich sie nicht begleite und begleiten werde. Die Geschwisterkinder zeigen mir das jeden Tag aufs Neue mit Neuem. Je älter sie werden, je mehr Erinnerungen wir schaffen, desto deutlicher wird mir, was meine Sternenkinder nicht haben und desto intensiver ist ihr Einfluss auf mein Leben.

Was passiert mit den Fußfotos?

Für diesen Einfluss stehen die Fußfotos. Jedes Jahr erstelle ich eine Fußfotocollage. Das erste Mal erstellte ich sie pünktlich zum Weltgedenktag für Sternenkinder am 15.10. Aber das war für mich sehr bewegend, sehr intensiv und einfach zu viel. Zu geballt in einer für mich ohnehin gefüllten Zeit mit Wetterumbruch von Warm zu Kalt, dem Oktoberfest, der Golden Week in China, dem errechneten Geburtstermin meiner Sternentochter und den Ankündigungen der Adventszeit und Weihnachten.

So wurde es Chinese New Year. Das asiatische Neujahresfest richtet sich nach dem Mondjahr, was ich sehr passend für den Begriff Sternenkinder finde. Jedes Jahr steht für ein anderes Tierkreiszeichen und nach dieser Silhouette richte ich meine Fußfotos aus.

Tierkreiszeichen Hase | Copyright: Tanja Wirnitzer
Tierkreiszeichen Drache | Copyright: Tanja Wirnitzer

Du bist ganz herzlich eingeladen mir Fußfotos zu senden: tanja@sternenkinder.org

Wer mehr über mein Leben mit Sternenkindern erfahren möchte, findet mich hier:

www.sternenkinder.org oder auf Instagram sternenkinder.org_tanja

Wer mehr über mein Leben als Mutter in China mit zwei Sternenkindern, zwei an der Hand und eines im Bauch erfahren möchte, besucht gerne meine Kolumne auf Kidsgo.

Seid ganz lieb gegrüßt

Tanja

Tanja

In Vöhringen, München und Shenyang daheim, schreibe ich als Lehrerin für Wirtschaft, Ethik und Recht über mein Leben als Mutter von zwei Sternenkindern, zwei an der Hand und einem Kind im Bauch, weil ich die Elternzeit für einige Jahre in China verbringe.

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Katharina Tolle

Wie schön, dass du hier bist! Ich bin Katharina und betreibe seit Januar 2018 diesen Blog zu den Themen Geburtskultur, selbstbestimmte Geburten, Geburtsvorbereitung und Feminismus.

Meine Leidenschaft ist das Aufschreiben von Geburtsgeschichten, denn ich bin davon überzeugt, dass jede Geschichte wertvoll ist. Ich helfe Familien dabei, ihre Geschichten zu verewigen.

Außerdem setze ich mich für eine selbstbestimmte und frauen*-zentrierte Geburtskultur ein. Wenn du Kontakt zu mir aufnehmen möchtest, schreib mir gern!

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