In guten Händen: Buchrezension Teil 7/9

Heute erscheint der siebte Teil meiner Buchrezension von In Guten Händen von Nora Imlau. Einen Überblick mit allen Teilen findest du weiter unten.

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Um denjenigen gerecht zu werden, die sich mit den Worten „Frau“ oder „Mutter“ nicht identifizieren können, obwohl in ihrer Geburtsurkunde „weiblich“ steht, habe ich mich dazu entschlossen, in meinen eigenen Beiträgen „Mutter“ und „Frau“ jeweils mit dem Inklusionssternchen zu versehen. Ihr werdet also Frau* oder Mutter* lesen (falls der Text von mir kommt und nicht von anderen Menschen). Geschlechtergerechte und inklusive Sprache ist mir ein Herzensthema, allerdings ist (meine persönliche und die gesellschaftliche) Entwicklung dazu noch lange nicht abgeschlossen. Mal sehen, wie ich es in Zukunft angehe. Mehr zum Thema liest du unter anderem hier: Sollte ein Geburtsblog geschlechtsneutral sein, Gebären wie eine Feministin und Sex, Gender, Geburten und die deutsche Sprache.

In guten Händen: Alle Rezensionsteile

im blauen Kasten findest du alle Teile der Rezension, und falls die Technik funktioniert, sind die bisher bereits veröffentlichten Teile auch verlinkt.

In guten Händen: Alle Teile der Rezension

(bitte zum Lesen aufklappen)
  1. Teil: (hier lesen)
    • Überblick
    • Einleitung
    • Kapitel 1: Ein Dorf für uns und unser Kind
  2. Teil: (hier lesen)
    • Kapitel 2: Auf die Bindung kommt es an
    • Kapitel 3: Familie und Freundeskreis (Einleitung, Bezugspersonen von Babys)
  3. Teil: (hier lesen)
    • Kapitel 3: Familie und Freundeskreis (Fortsetzung bis Kapitelende)
  4. Teil: (hier lesen)
    • Kapitel 4: Was prägt uns in der Betreuungsfrage? Eine Spurensuche
  5. Teil: (hier lesen)
    • Kapitel 5: Unseren Weg als Familie finden
  6. Teil: (hier lesen)
    • Kapitel 6: Ein guter Ort für unser Kind
  7. Teil: (hier lesen)
    • Kapitel 7: Es geht los
  8. Teil:
    • Kapitel 8: Neue Beziehungen: Schule und Kinderfreundschaften
  9. Teil:
    • Der Schluss: Ein Netz, das trägt
    • Meine Meinung: In guten Händen
    • Fazit

Kapitel 7: Es geht los

In diesem Kapitel wird es ganz praktisch: Wie bereiten wir unserem Kind einen möglichst guten Start in die neue Betreuungssituation?

Der erste Tipp richtet sich gar nicht an den Umgang mit dem Kind. Vielmehr schlägt die Autorin vor, die Eingewöhnung in die neue Situation zeitlich so flexibel zu gestalten, dass die Eltern nicht wegen ihrer Erwerbsarbeit unter Druck geraten. In der Praxis ist das leider häufig gar nicht so einfach, weil Kitas und Arbeitgeber*innen jeweils feste Zeitpunkte einplanen wollen. Im Sinne des Kindes ist das aber oft nicht.

Foto von Markus Winkler

Keine Sorge müssen, so Nora Imlau, Eltern haben, wenn sie Dinge zu Hause anders machen als in der Kita oder bei den Tageseltern:

Zu Hause ist zu Hause, und die Kita ist die Kita – das begreifen kleine Kinder blitzschnell und stellen sich auf die entsprechend unterschiedlichen Gegebenheiten ein.

Nora Imlau: In Guten Händen, Seite 241

Abstillen zur Kita-Eingewöhnung?

Diesem Grundsatz gibt die Autorin im nächsten Abschnitt nochmal mehr Platz mit besonderem Fokus auf das Stillen. Sie ist davon überzeugt, dass ein Kind nicht abgestillt werden muss, wenn es von anderen Menschen betreut wird. Sie stellt folgend zehn Grundsätze auf, die ich hier jeweils kurz umreißen möchte. Im Buch führt sie diese Grundannahmen auch noch genauer aus, darauf verzichte ich an dieser Stelle.


Was hat Geburt mit Feminismus zu tun? Einladung zur Blogparade

Titelbild: Was hat Geburt mit Feminismus zu tun?

1. Eine zeitweise Betreuung durch nicht-stillende Personen war und ist rund um den Globus eher die Regel als die Ausnahme.

2. Kleinkinder zu stillen, ist normal; wir sollten uns dabei nicht verstecken wollen. Kleinkinder nicht zu stillen, ist auch okay.

3. Stillkinder wissen ziemlich genau, bei wem sie Milch bekommen und beim wem nicht.

4. Nicht nur regelt die Nachfrage das Angebot, sondern auch das Angebot die Nachfrage. Wenn ein Kind nicht gestillt werden kann, entwickelt es andere Strategien, um Bedürfnisse zu befriedigen.

5. Gestillte Kinder lösen sich nicht schwerer von ihren Eltern als nicht gestillte Kinder. Trennungsprobleme werden allerdings häufig auf das Stillen geschoben, ohne auf die Gründe dahinter zu achten.

6. Stillen am Ort der Eingewöhnung während der Eingewöhnung ist häufig nicht hilfreich. Vielen Stillkindern fällt die Eingewöhnung leichter, wenn die Eingewöhnung nicht vom stillenden Elternteil übernommen wird.

7. Der Stillrhythmus kann sich mit dem Betreuungsstart verschieben.

8. Kinder können in der Kita ohne Brust einschlafen, selbst wenn sie zu Hause nur mit Brust einschlafen.

9. Gestillte Kinder bekommen einen Immunbooster und kommen leichter mit Kita-Keimen zurecht.

10. Diskutiert eure Stillbeziehung nicht mit dem Kita-Personal.

Foto von willsantt

Exkurs: Unsere Kinder beim Stillen in der Kita

(bitte zum Lesen aufklappen)

Ich habe alle meine Kinder noch gestillt, als sie in die Kita kamen. Manche Erzieher*innen fanden das gut, andere nicht. Letztendlich sind sie aber alle recht schnell praktisch geworden: Okay, was isst das Kind sonst noch? Sollen wir abgepumpte Milch füttern? Wie schläft es zu Hause ein, wenn Papa da ist, Mama aber nicht?

Unser Großer hat sich mit der Kita das Stillen tagsüber recht schnell abgewöhnt, wollte nachts dafür aber umso mehr. Unser Mittlerer wollte immer direkt beim Abholen an die Brust. Die Jüngste wollte lieber zu Hause nochmal ne Runde nuckeln, aber nicht in der Kita.

Essen und schlafen mit Gruppendynamik

Im nächsten Abschnitt geht Nora Imlau genauer auf die Themen Essen und Schlafen ein. Sie betont, dass die Gruppendynamik oft dazu führt, dass Kinder den Mittagsschlaf in der Kita problemlos akzeptieren, selbst wenn das zu Hause nicht der Fall ist. Außerdem ist nicht wichtig, ob das Einschlafritual zu Hause und in der Kita genau übereinstimmt – so lange es jeweils einen Weg gibt, neuen Kindern das Einschlafen zu erleichtern.

Merkmale einer guten Eingewöhnung

Der nächste Abschnitt dreht sich um die Merkmale einer guten Einewöhnung. Dabei betont die Autorin nachmals, dass Kita oder Tagespflege keine stumpfe „Verwahrung sein darf, sondern auf sicheren Bindungserfahrungen beruhen muss, um kleinen Kindern nicht nachhaltig zu schaden.“ (Seite 247). Diese sichere Bindung sollte deshalb das Kernstück einer guten Eingewöhnung sein.

Ein positives Bindungsfundament kann für die meisten Kinder in zwei bis vier Wochen aufgebaut werden. Dass daraus eine wirklich sichere Bindung wird, braucht bei den meisten Kindern aber noch länger. Aber immerhin das Fundament kann gelegt werden. Dafür sei es sinnvoll, dass die Kinder nach einem wissenschaftlich fundierten Eingewöhnungsmodell eingewöhnt werden. Im folgenden stellt sie mit dem Berliner Modell und dem Münchener Modell zwei dieser Modelle vor. Sie betont, dass sich das Münchener Modell eher nach den Bedürfnissen des Kindes richtet, dadurch aber auch schwerer umzusetzen ist, weil der Zeitrahmen wesentlich größer ist. Nora Imlau macht deutlich, dass beide Modelle erstmal Papiertiger sind und es je nach Einrichtung unterschiedliche Voraussetzungen gibt, sie umzusetzen.

Nach der Vorstellung der Modelle geht die Autorin auf Abschiedsschmerz und Tränen ein. Ihr Fazit: Tränen zeigen, dass Kinder traurig sind, aber auch, dass sie sich sicher genug gebunden fühlen, um ihre Tränen zu zeigen. Und das ist allemal besser als Kinder, die sich gar nicht trauen, ihre Gefühle zu zeigen. Wenn Kinder voller Panik klammern, sollte man reagieren, als seien sie krank: „für den Tag abmelden und nach Hause gehen“ (Seite 265). Diese Reaktion der Eltern wird, so die Autorin, auch nicht dazu führen, dass Kinder dieses Verhalten in Zukunft provozieren würden:

Kinder sind nicht so manipulativ, wie ihnen oft unterstellt wird. Sie wollen mit uns kooperieren, und dazu gehört auch, dass sie normalerweise in die Kita gehen, wenn sie können. Doch das geht nur, wenn sie sich dort wohlfühlen. Und nicht, wenn sie uns brüllend vom Arm gerissen werden.

Nora Imlau: In Guten Händen

Die Eingewöhnung erleichtern

Der nächste Abschnitt wird sehr praktisch: Hier stellt Nora Imlau einige Kniffe vor, die aus ihrer Sicht eine Eingewöhnung erleichtern. Wieder gilt: Im Buch ist jeder Punkt ausführlicher beschrieben, als ich es hier aufliste.

1.) Plant möglichst viel Zeit ein.

2.) Manchmal hilft der Wechsel der Bezugsperson.

3.) Schleicht euch nicht von euren Kindern weg – das ist ein massiver Vertrauensbruch.

4.) Seid als Eltern langweilig. Dann wenden sich die Kinder spannenden Menschen und Dingen zu.

5.) Füllt vor und nach der Kita die Bindungstanks des Kindes mit Kuscheln, Stillen, Spielen und allem, was dem Kind gut tut.

6.) Beziehungen können auch gelingen, wenn das Umfeld nicht optimal ist.

7.) Im ersten Winter werden alle dauernd krank.

8.) Betreuungszeiten lassen sich anpassen – in beide Richtungen.

9.) Verbringt mit den anderen Kita-Kindern (und deren Eltern) auch jenseits der Kita Zeit.

10.) Elternarbeit ist wichtig und wir bekommen dadurch viel schneller mit, was in der Kita läuft. Engagement in der Kita – sei es im Elternbeirat oder bei der Organisation von Festen – gibt euch tiefere Einblicke in den Kita-Alltag.

11.) Sucht eine gute Verbindung zu den Personen, die sich in der Kita um euer Kind kümmern.

Der neue Kita-Alltag

Im vorletzten Abschnitt dieses Kapitels geht Nora Imlau auf den neuen Kitaalltag ein. Meine Highlights des Kapitels:

  • Familienergänzende Betreuung dient nicht nur zur Abdeckung der Arbeitszeit, sondern auch zum Aufladen der eigenen Akkus. Habt kein schlechtes Gewissen, wenn das Kind mal ein wenig länger in der Kita bleibt, selbst wenn ihr in der Zeit nicht den Wocheneinkauf erledigt, sondern vielleicht sogar mal ein Bad nehmt. Das Kind profitiert davon, wenn eure Akkus voll sind.
  • Wir müssen nicht die neuen Besten Freund*innen des Kita-Personals werden, solange die Beziehung auf Respekt beruht. Die Kinder vertrauen Menschen mehr, wenn wir diesen mit Respekt und gegenseitigem Verständnis begegnen.
  • Es braucht einen Ausgleich der Bedürfnisse im Familiensystem. Das gilt sowohl für die Eltern als auch den Nachwuchs. Kita kann manche Bedürfnisse beider Seiten befriedigen, aber nicht alle.
  • Die Zeit, die wir mit dem Kindern verbringen, überstrahlt in der Bindungsbedeutung alles, was in ihrem Leben sonst noch passiert. Wir sind nun mal die wichtigsten Bindungspersonen. Daran ändert auch ein langer Kita-Tag nichts.
  • Es ist ein Privileg, wenn man nur verhältnismäßig kurze Betreuungszeiten braucht. Nicht alle Familien haben diese finanzielle und familiäre Option.
  • Kinder können auch eine glückliche Kindheit haben, wenn sie lange in einer familienergänzenden Betreuung sind. Wichtig ist, dass ihre Bedürfnisse gestillt werden.

von der Krippe in die Kita

Der letzte Abschnitt dieses Kapitels heißt „Wir haben jetzt ein Kindergartenkind“ und widmet sich der Betreuung des Kindes ab dem dritten Lebensjahr. Nora Imlau betont, dass der dritte Geburtstag aus ihrer Sicht kein starres Datum sein sollte, denn manche Kinder sind schon vor ihrem dritten Geburtstag emotional bereit für die veränderte Betreuungssituation in der Kita, während andere noch länger brauchen.

Die Autorin macht deutlich, dass Bindungserfahrungen übertragen werden können, selbst wenn die Bindung zu einer neuen Betreuungsperson erst wachsen muss. Wenn Kinder eine positive Bindung in der Kita aufbauen konnten, zehren sie bei der Eingewöhnung in den Kindergarten von dieser Erfahrung.

Restraint Collapse

Besonders spannend fand ich auch den Abschnitt zum Restraint Collapse: Darin erklärt die Autorin, dass so ein Kindergartentag für die Knirpse doch ganz schön anstrengend ist. Sie spielen nicht nur, sondern üben auch den Bedürfnisaufschub, wenn sie sich in die Gruppendynamik einfügen. Kinder kooperieren, halten Regeln ein und stellen auch schon mal ihre eigenen Bedürfnisse zurück. Wenn sie dann bei ihren engsten Bindungspersonen (fun fact: meine Autokorrektur wollte hier gerne Bodenpersonal statt Bindungspersonen schreiben…) – uns – sind, bricht die Anspannung über die angestauten Bedürfnisse aus ihnen heraus. Zornesausbrüche oder große Traurigkeit müssen uns also nicht peinlich sein; es ist nur wichtig, dass wir dann die emotionalen Ressourcen mitbringen, diese auch auszuhalten. Deshalb gilt: Hol das Kind lieber ein wenig später ab, dafür konntest du wenigstens einmal durchatmen.

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Katharina Tolle

Wie schön, dass du hier bist! Ich bin Katharina und betreibe seit Januar 2018 diesen Blog zu den Themen Geburtskultur, selbstbestimmte Geburten, Geburtsvorbereitung und Feminismus.

Meine Leidenschaft ist das Aufschreiben von Geburtsgeschichten, denn ich bin davon überzeugt, dass jede Geschichte wertvoll ist. Ich helfe Familien dabei, ihre Geschichten zu verewigen.

Außerdem setze ich mich für eine selbstbestimmte und frauen*-zentrierte Geburtskultur ein. Wenn du Kontakt zu mir aufnehmen möchtest, schreib mir gern!

Foto von Katharina

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