Nichtwissen in der Schwangerschaft und zur Geburtsvorbereitung

Susanne Wagner hat eine Blogparade über das Nichtwissen ins Leben gerufen. Dies ist mein Beitrag zur Blogparade.

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Um denjenigen gerecht zu werden, die sich mit den Worten „Frau“ oder „Mutter“ nicht identifizieren können, obwohl in ihrer Geburtsurkunde „weiblich“ steht, habe ich mich dazu entschlossen, in meinen eigenen Beiträgen „Mutter“ und „Frau“ jeweils mit dem Inklusionssternchen zu versehen. Ihr werdet also Frau* oder Mutter* lesen (falls der Text von mir kommt und nicht von anderen Menschen). Geschlechtergerechte und inklusive Sprache ist mir ein Herzensthema, allerdings ist (meine persönliche und die gesellschaftliche) Entwicklung dazu noch lange nicht abgeschlossen. Mal sehen, wie ich es in Zukunft angehe. Mehr zum Thema liest du unter anderem hier: Sollte ein Geburtsblog geschlechtsneutral sein, Gebären wie eine Feministin und Sex, Gender, Geburten und die deutsche Sprache.

Ich kann nicht alles wissen

Zu viel Wissen auf der Welt

Mir persönlich fällt es sehr schwer, Dinge nicht zu wissen. Mir ist klar, dass ich nicht alles wissen kann und dass ich in sehr vielen Gebieten keinerlei oder nur sehr oberflächliche Ahnung habe. Das finde ich immer wieder doof, muss aber damit leben. Dafür gibt es einfach mittlerweile viel zu viel Wissen auf dieser Welt.

Ausnutzung der Asymmetrischen Informationslage

Nicht nur die Arbeits-, sondern auch die Wissensteilung hat uns in der Vergangenheit natürlich sehr genutzt, unsere Gesellschaften voranzubringen. Nichtsdestotrotz ist ein Wissensgefälle oder ein Informationsgefälle natürlich immer auch ein Einfallstor für Missbrauch. Das fängt bei relativ banalen Dingen an. Wenn ich in Berlin an der Friedrichstraße in ein Taxi steige und zur Müllerstraße will, sind das eigentlich nur 5 Minuten Fahrt, denn die Friedrichstraße heißt ab einem gewissen Punkt einfach Müllerstraße.



Wenn das aber der*die Taxifahrer*in ausnutzen will und vermutet, dass ich mich in Berlin nicht auskenne, geht die Fahrt vielleicht von der Friedrichstraße erstmal Richtung Potsdamer Platz und am Reichstag vorbei, vielleicht sogar die Dorotheenstraße runter, hinter den Regierungsgebäuden an der Spree entlang und wir kommen erst hinter dem Hauptbahnhof wieder an der Müllerstraße aus. Damit steigt dann das Taxameter entsprechend und meine Unwissenheit wurde mir zum Nachteil.

Foto von Mike Bird

Nichtwissen in der Schwangerschaft

Eine asymmetrische Informationslage kommt aber auch bei wesentlich einflussreicheren Themen zum Tragen als der Frage, wie viel wir für eine Taxifahrt bezahlen. Immer wieder stellt sich zum Beispiel die Frage, ob Frauen bestimmte Vorsorgeuntersuchungen während der Schwangerschaft machen wollen, um herauszufinden, ob ihr Baby mit einer hohen Wahrscheinlichkeit an einer bestimmten Krankheit leiden wird.

Das biologische Geschlecht

Genauso geht es Menschen mit der Bestimmung des Geschlechts. Während es in Deutschland — in Anführungszeichen – nur darum geht, die verschiedenen Stereotype bereits während der Schwangerschaft ausleben zu können, sind diese Geschlechtstests, die mit Bluttests sogar schon vor der 12. Schwangerschaftswoche durchgeführt werden können, in anderen Ländern entscheidend für die Frage, ob das Kind abgetrieben oder ausgetragen wird. Ein männlicher Fötus ist leider immer noch in vielen Regionen der Welt mehr wert als ein weiblicher Fötus.

Nichtwissen hat mich im Falle des Geschlechts meiner Kinder davor bewahrt, diesen bereits vor der Geburt Eigenschaften zuzuschreiben. Leider kann ich nicht von mir behaupten, dass ich nach der Geburt dagegen vollkommen immun gewesen wäre. Die rosa-hellbau-Falle nervt mich zwar und ich will sie gerne so viel wie möglich vermeiden.

Mir ist aber durchaus klar, dass ich da lange nicht so gut drin bin, wie ich es gerne wäre.

Lesetipp mit Lnk zum Beitrag "ich gebäre ein Mädchen! Oder einen Jungen! Oder auch nicht. Oder überhaupt."

Wie viel will ich über die Geburt wissen?

Wissen oder Nichtwissen ist auch ein spannender Aspekt beim Thema Geburtsvorbereitung. Manche Frauen* tendieren dazu, sich in der Schwangerschaft mit theoretischem Wissen aus Büchern zu beschäftigen und sich damit auf die Geburt einzustimmen. Andere Frauen* finden diese Art von Vorbereitung eher hinderlich, weil sie sagen, sie möchten sich auf das konzentrieren, was ihr Körper tut, und sie brauchen keine theoretische Beschäftigung damit.

Foto von Pixabay

Wie viel Geburtsvorbereitung ist also sinnvoll? Diese Frage kann nur jede*r von uns für sich beantworten. Wenn du Medizin studiert hast, gehst du vermutlich schon mit ganz anderem Vorwissen in die Schwangerschaft. Wenn du bereits ein Kind geboren hast, hast du diese eine Erfahrung, die dich ab jetzt natürlich beeinflusst.

Wenn du eine Alleingeburt planst, gehst du anders an das Thema als bei einer geplanten Sectio.

Auch aus Hebammensicht ist das Thema gar nicht so einfach: „Zu verkopft“ sind Gebärende manchmal, wenn sie zu viel Wissen angehäuft haben. Aber ein gewisses Wissen ist dann doch irgendwie gut?!

Es ist schwierig.

Nichtwissen und Entscheidungsfindung

In vielen meiner Blogposts plädiere ich dafür, dass Gebärende diejenigen sein sollten, die die Entscheidung treffen. Dafür können sie sich natürlich mit Fachpersonal abstimmen. Aber da sie diejenigen sind, die am Ende die Konsequenzen der Entscheidung tragen, sollten sie auch entscheiden. Außerdem ist ein Blick von Außen (und mag er auch noch so qualifiziert sein) eben doch nur ein Blick von Außen – und damit eine Zweitmeinung.

Wie aber soll jemand ohne Wissen eine Entscheidung treffen — erst recht, wenn es nicht nur um das eigene Leben geht, sondern auch um das Leben des Babys?

„Aus dem Bauch heraus“, sagen manche. Das finde ich insofern problematisch, als dass gerade Mädchen und Frauen ihr Bauchgefühl vielfach abgewöhnt wird. Leistungsschwankungen während des Zyklus? Besser nicht. Beim Sex etwas ablehnen, worauf man keine Lust hat? Da stehst du aber prüde da. Menschen das Bauchgefühl erst abzutrainieren und dann sagen, sie sollen darauf vertrauen, ist nicht sinnvoll. Ach, und überhaupt: Bauchgefühl heißt ja bloß, dass sich etwas ohne Nachdenken gut anfühlt. Und das sind meist diejenigen Dinge, die wir einfach immer wieder um uns herum erleben. Wüchsen wir in einer Kaiserschnitt-Gesellschaft aus, würde uns das Bauchgefühl vermutlich zum Kaiserschnitt drängen.

„Überlass die Entscheidung dem Fachpersonal“, sagen viele. Ich nicht. Denn das Fachpersonal kennt Statistiken, Normalverläufe und Pathologien. Aber kennt es dich? Kann es aus den Zahlen und Fakten ableiten, was genau du gerade brauchst? Es gibt gewisse Wahrscheinlichkeiten, dass das so ist. Aber es kann auch sein, dass du genau die Ausnahme von der Regel bist.

Ich plädiere deshalb eher dafür, Fachpersonal einzubinden, aber sich bewusst zu machen: Die Entscheidung treffe ich.

Ist komplettes Nichtwissen in diesem Fall besser als einseitiges Wissen, das uns in eine bestimmte Richtung drückt? Geben wir Minderheitenmeinungen den gleichen Stellenwert wie der wissenschaftlichen Mehrheit? Auch das ist schwierig. Aber manchmal sinnvoll.

Das „richtige“ Wissen

Das Spannungsfeld zwischen Wissen und Nichtwissen ist komplex und herausfordernd, besonders in Bereichen, die tief in unser Leben und unsere Entscheidungen eingreifen. Während Wissen Macht und die Möglichkeit zur fundierten Entscheidungsfindung bietet, kann es auch Unsicherheiten und Zwänge erzeugen. In einer Welt, in der Wissen ungleich verteilt ist und oft gezielt genutzt wird, um Entscheidungen zu beeinflussen, ist es umso wichtiger, sich bewusst zu machen, welche Informationen wir wirklich brauchen und welche wir vielleicht auch getrost ignorieren können. Das ist nicht immer einfach, aber vermutlich lohnt es sich. Mit letzter Gewissheit Wissen kann ich das allerdings nicht.

Wöchtenliche Updates zu neuen Beiträgen

Katharina Tolle

Wie schön, dass du hier bist! Ich bin Katharina und betreibe seit Januar 2018 diesen Blog zu den Themen Geburtskultur, selbstbestimmte Geburten, Geburtsvorbereitung und Feminismus.

Meine Leidenschaft ist das Aufschreiben von Geburtsgeschichten, denn ich bin davon überzeugt, dass jede Geschichte wertvoll ist. Ich helfe Familien dabei, ihre Geschichten zu verewigen.

Außerdem setze ich mich für eine selbstbestimmte und frauen*-zentrierte Geburtskultur ein. Wenn du Kontakt zu mir aufnehmen möchtest, schreib mir gern!

Foto von Katharina

2 Gedanken zu „Nichtwissen in der Schwangerschaft und zur Geburtsvorbereitung“

  1. Liebe Katharina
    Herzlichen Dank für deinen Beitrag zu meiner Blogparade zum Thema #NichtWissen!

    So ein spannendes Thema, das du aufgreifst. Da werden bestimmt viele Menschen froh sein drüber.

    Die einzige (menschliche) Geburt, die ich selbst erlebt habe, ist meine eigene. Weil ich mich daran nicht bewusst erinnern kann, gehört diese Erfahrung zu meinem Nichtwissen, obwohl es der wichtigste Moment in meinem Leben war, überhaupt auf die Welt zu kommen und den ersten Atemzug zu machen 🙂
    Lebendige Grüsse
    Susanne

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