Vivien: Die Macht unserer Stimme bei der Geburt

Vivien Zuta ist Sprech- und Stimmtrainerin. Im Interview sprechen wir darüber, ob Tönen für die Geburt hilfreich ist und wie Vivien die Geburten ihrer Kinder erlebt hat.

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Liebe Vivien, danke, dass du dir die Zeit nimmst!

Magst du erzählen, wie deine Kinder zur Welt gekommen sind?

Ach… Also sagen wir mal so: Ich erinnere mich lieber an die Momente, die so toll waren, als wir uns ein bisschen aneinander gewöhnt hatten. Die Geburten waren beide schlussendlich Kaiserschnitte. Beide Schwangerschaften haben mich viel Energie und auch ein bisschen Gesundheit gekostet und ich finde, dass dieser Heldinnentat (aller Gebärenden!) immer ein bisschen zu wenig Ehrerbietung zuteil wird – so im alltäglichen Leben. Wir sind doch voll die Superheros! Und es gibt meines Erachtens zu wenig Zeit sich dafür die verdienten Lorbeeren abzuholen. Wo bleibt die Beweihräucherung? Also wie dem auch sei. Ich hadere nicht mit den Kaiserschnitten, aber ich pflege gelegentlich zu sagen „Kinder im Bauch zu beherbergen liegt mir nicht ganz so gut, wie das Leben und den Alltag mit ihnen zu teilen.

Du bist unter anderem Sprechtrainerin und Phonetikerin. Hat das deine Geburtsvorbereitung beeinflusst?

Ich muss gestehen, ich hatte sehr sehr wenig Geburtsvorbereitung, aber eine tolle Hebamme. Ich war 29 und wollte ursprünglich keine Kinder. Irgendwann dachte ich dann: „Oh doch, Kinder wären super!“ und ich bin eine von den Glücklichen, bei denen es dann auch direkt geklappt hat. Ich war da etwas naiv und hatte mich einfach nie besonders lang damit beschäftigt. Ich bin in keinen Kurs gegangen, weil ich überheblicherweise dachte: „Kinderkriegen, haben schon so viele Frauen geschafft, das werd ich ja wohl auch noch hinkriegen.“ Meine Hebamme zeigte mir dann aber Atemübungen und die waren mir aufgrund meines Jobs mehr als vertraut.

Foto von Vie Studio

Ich muss sagen: Ich weiß nicht, ob man hecheln soll oder nicht….soweit habe ichs dann ja nicht geschafft, aber das Tönen, also das kannte und konnte ich. Und das mache ich auch immer noch bei Schmerzen. Ich glaube, dass mich diese Kombination von Atmung Resonanz über die ersten 20 Stunden gebracht hat.

Warum genau funktioniert denn Tönen so gut?

Tja… Also es gibt da unterschiedliche Ebenen. Es ist ja kein Geheimnis, dass unter der Geburt das Zauberwörtchen „Entspannung“ auch echt helfen kann. Aber wie zur Hölle soll man sich entspannen, wenn sich dein ganzes Selbst in Aufruhr befindet? Ich denke ein wesentlicher Aspekt ist, dass man durch das Tönen ganz zu sich selbst zurückfindet. So eine Geburt befördert eine Frau ja an 1000 unterschiedliche Orte, physisch und psychisch. Ein Kreißsaal, ein Warteraum, eine Liege in unterschiedlichen Positionen, ständig will jemand was von mir, dabei will ich nur das Kind entbinden und dass wir alle gesund sind und was denken die Geschwister und muss ich dabei aufs Klo und das tut aber wirklich weh und wo ist meine Partnerin, das kann ich nicht aushalten, das muss ich aushalten, das werde ich aushalten, was? Erst 6cm? Wie viel müssen das sein?, bald sehe ich mein Baby, was mache ich dann damit, Oh Gott tut das weh….etc … da ist das Wort Entspannung so ziemlich das letzt an das man denkt. Nichts desto trotz, muss sich der Körper der Frau physiologisch gesehen extrem weiten und das geht einfacher, wenn die Muskeln nicht noch zusätzlich verkrampfen. Das Tönen ist den meisten Menschen ja schon lange vor der Entbindungssituation bekannt. Wenn man mal einen tiefen müden Seufzer ausstößt, dann hat der so ungefähr eine ähnliche Frequenz, er klingt also ähnlich. Und er hat auch eine ähnliche Wirkung. Er entspannt. Wir seufzen, wenn wir angespannt sind oder genervt, wenn also zu viel Spannung besteht und wir diese loswerden wollen.


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Ein weiterer Aspekt ist: Wenn wir das Tönen für uns nutzen wollen, dann wählen die denjenigen Ton, der „unser eigener“ ist. Der ist übrigens meist viel tiefer als wir denken. Denn dieser Ton – es sind eigentlich mehrere Töne, die nah aneinander liegen – entsteht, durch einen komplett entspannten Kehlkopf und im besten Fall einen ganz entspannten Kiefer. Man tönt am besten mit offenen Mund. Ich sage gern „wenn du das Gefühl hast, du siehst richtig blöd aus, dann ists wahrscheinlich gut.“ Der Kiefer und der Beckenboden stehen in einem guten und engen Verhältnis zueinander. Je entspannter dein Kiefer, desto bessere Chancen hast du, dass du auch im unteren Körperteil nicht verkrampfst. Achtung: Es gibt hier keine Garantie für nichts! Das ist eine Entbindung und ich habe es auch nicht geschafft „spontan“ zu entbinden, trotz Tönen. Aber das Tönen hat mir und auch dem Baby geholfen. Denn, und das ist der 3. Aspekt: Auch das Baby spürt die Resonanzen beim Tönen. Es gibt keinen Frequenzbereich, in dem mehr Resonanzen durch den Körper geleitet werden, als wenn du deine eigene Stimmlage entdeckt hast. DAs Baby spürt diese also auch und beruhigt sich unter dem Stress. Win Win Win.

Wie finden wir denn diesen Ton, wenn wir gerade keinen Spiegel haben, um zu sehen, dass wir „richtig blöd aussehen“?

In der Regel hat man ein gutes Gefühl dafür, ob man blöd aussieht. Aber Spaß beiseite. Du kannst dir vorstellen etwas leckeres liegt vor dir und du machst ein entsprechendes Geräusch „mmmmjammmmjammm“ , das ist schon ein guter Richtwert. Und es ist absolut sinnvoll, sich bereits vor den ersten Wehen oder auch vor der ersten Schwangerschaft mal mit der eigenen Stimmlage zu beschäftigen. Aber Sprechen ist nicht gleich tönen.

Foto von Ash

Dein Tönen kann sehr tief sein. Ich selbst habe beim Tönen immer das Wort „tief“ gedacht. Der Kiefer hängt tief, das Baby sitzt tief (in Gedanken habe ich es durch den Ton immer angeschoben) und man schickt die Töne in Richtung Baby. Wer den Vergleich nicht scheut, und ich mag Tiere einfach sehr gern. Es hat so ein bisschen was von einer zufriedenen Kuh auf einer Wiese und klingt wie ein tiefes Muuuuuuhhh.

Und wenn eine der Leserinnen das Gefühl hat, doch Hilfe dabei zu brauchen, die eigene Stimmlage zu finden — kannst du dabei helfen?

Aber natürlich. Für solche Zwecke biete ich auch Einzelstunden an. Einfach einen Mail schreiben oder einen Termin aussuchen https://calendly.com/voice-consultant/use-your-voice

Liebe Vivien, ich danke dir für das Interview!

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Katharina Tolle

Wie schön, dass du hier bist! Ich bin Katharina und betreibe seit Januar 2018 diesen Blog zu den Themen Geburtskultur, selbstbestimmte Geburten, Geburtsvorbereitung und Feminismus.

Meine Leidenschaft ist das Aufschreiben von Geburtsgeschichten, denn ich bin davon überzeugt, dass jede Geschichte wertvoll ist. Ich helfe Familien dabei, ihre Geschichten zu verewigen.

Außerdem setze ich mich für eine selbstbestimmte und frauen*-zentrierte Geburtskultur ein. Wenn du Kontakt zu mir aufnehmen möchtest, schreib mir gern!

Foto von Katharina

1 Gedanke zu „Vivien: Die Macht unserer Stimme bei der Geburt“

  1. Die Weisheit des Körpers und die Macht unserer Stimme im intimsten Moment des Lebens – der Geburt – sind faszinierende Wege, das Potenzial des Frau-Seins zu erkunden. Wie oft vergessen wir, dass in den einfachsten Resonanzen tiefgreifende Wahrheiten liegen? Das Tönen als Brücke zwischen Bewusstsein und physischem Erleben eröffnet einen Raum, in dem Körper und Geist harmonieren können. Dieser Artikel erinnert uns daran, dass Entspannung nicht nur ein mentaler Zustand ist, sondern sich im Klang manifestiert. Das Echo einer Mutter, das durch den Raum hallt, ist ein urzeitlicher Gesang, der Trost und Kraft in den stürmischsten Zeiten bietet. Ein wahrer Ode an die weibliche Stärke.

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