Das Becken als Energiezentrum auch bei der Geburt: Interview mit Dörte

Heute darf ich ein Interview mit Dörte veröffentlichen. Wir sprechen über das Becken als Energiezentrum und bei der Geburt eines Kindes. Dörte gibt auch konkrete Tipps, was eine Frau tun kann, um ihr Becken auf eine Geburt vorzubereiten.

Wenn du direkt zu den Tipps springen willst, folge diesem Link.

Bitte stell dich kurz vor

Mein Name ist Dörte. Ich arbeite mit Frauen im therapeutischen Kontext. Es geht vor allem darum, Frauen zurück zu begleiten in ihren wunderbaren Körper, in ihren Herzraum, in ihr Becken, um so ganz in ihrer Kraft verwurzelt zu sein.

Erklär uns doch mal das Becken — dein liebstes Körperteil!

Ich weiß gar nicht, ob das mein liebstes Körperteil ist. An sich liebe ich meinen ganzen Körper. Aber es ist schon ein sehr schönes Körperteil. Außerdem ist auch das Herz sehr wichtig und der Kopf ist tatsächlich auch wichtig. Der wird nur leider zu viel benutzt.

Das Becken symbolisiert für mich gerade bei den Frauen rein anatomisch schon das Thema Empfangen. Damit meine ich nicht nur die Empfängnis von Kindern, sondern sich wirklich zu öffnen für das Leben. Wir empfangen eben auch Ideen und das Leben an sich. Über das Becken können wir so auch ein klares Ja oder Nein bekommen und feststellen: Was will ich denn wirklich?

Wenn wir verbunden sind mit dem Becken, ist es eindeutig, was passend ist und was nicht passend ist. Deswegen ist dieses wunderbare Körperteil auch so gut, um Grenzen zu spüren.

Menschen mit einem weiblichen Becken haben eine Kraft und Verbundenheit mit der Erde. Auch während des Blutens entsteht eine Öffnung. Der Muttermund öffnet sich, alles streckt sich nach unten. Diese Verbundenheit zur Erde ist über das Becken spürbar — und dann über die Beine und die Füße. 

Wenn wir verbunden sind, trägt uns das Becken durch das Leben. Leider sind viele Frauen nicht mit ihrem Becken verbunden.

Woran liegt das?

Unsere Gesellschaft legt keinen Wert darauf, sicher und verbunden im Becken zu sein. Es ist alleine schon schwierig, mit dem Zyklus verbunden zu sein. Auch in der Schwangerschaft oder während der Geburt, in der so viel Angst entstehen kann, bräuchten wir eine stärkere Verbindung mit dem Becken.

Die Ängste vor Schmerzen und vor dem Loslassen sind bei vielen Frauen groß. Gerade das Becken symbolisiert das große Thema Loslassen: Es geht hier um Anspannung(en) und Entspannung.

Was genau ist in unserer heutigen Gesellschaft eigentlich förderlich für ein stabiles, gesundes Becken?

Stress ist Mist. Wir haben Stress in unserem Leben. Dieser Rhythmus von neun bis fünf, Montag bis Freitag — da ist alles zusammengepresst. „Jetzt muss ich da hin, dann muss ich da hin, dann muss ich dorthin.“

Gerade Mütter haben es so schwer, präsent zu sein in ihrem Körper. Sie stecken in einer Dauerschleife der Organisation und des Kümmerns. Um alle möglichen Sachen kümmern sie sich: Um die Kinder, um den Partner oder die Partnerin. Und ganz zum Schluss kommen sie selbst.

Die Frauen stellen sich ganz oft zum Schluss an. Es muss erst sonst etwas passieren, damit die Frauen sich tatsächlich um sich selber kümmern. In unserer Gesellschaft soll das Leben linear verlaufen. Wir brauchen aber Wellen. Und das bedeutet auch: Wir brauchen Ruhephasen.

Bild : Gerd Altmann

Deswegen sind so viele Frauen auch ständig über ihren Grenzen und haben dadurch ein erhöhtes Stresslevel. Das ist genau das Gegenteil von dem, was ein gesundes Becken braucht.

Was kann Frau tun, um sich und ihre körperlichen Bedürfnisse als wichtig anzunehmen?

Wir müssen uns darauf besinnen, dass es auch anders geht. Es muss nicht alles von uns persönlich durchorganisiert sein. Wir dürfen abgeben. Wir dürfen uns fallen lassen. Wir dürfen entspannt Hilfe annehmen. Und wir dürfen uns Räume kreieren für uns selber. In diesen Räumen ist dann auch Platz für die Entspannung des Beckens. Diese Entspannung ist super-wichtig. Denn tendenziell haben Frauen einen sehr angespannten Beckenboden.

Im Becken sitzen die ganz großen Gefühle, die oft nicht gefühlt werden wollen.

Jetzt nochmal zurück zur Frage: Was kann Frau also tun? 

Sie kann sich entspannen und sich mit der Fülle verbinden. Sie kann herausfinden: Was tut mir gut? Was kann der Körper genießen? Wo kann der Körper sich fallen lassen? Wo kann das Becken weit werden?


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Wichtig ist es halt tatsächlich, die Verbindung mit dem Becken bewusst zuzulassen. Wir müssen bewusst Kontakt mit dem Becken aufnehmen und das Becken spüren. Das muss gar nicht unbedingt emotional sein. Sondern eher mit den Fragen: Okay, wie geht es dir? Wie fühlst du dich an?

Viele Frauen haben ihr Becken überhaupt noch nicht gesehen.

Ich habe zum Beispiel ein Modells des Beckens hier. Überraschung: Es ist gar nicht so einfach, ein weibliches Beckenmodell zu finden. Die Modelle werden nämlich immer am männlichen Körper orientiert. Der männliche Körper ist der Standard. Umso wichtiger ist es für uns Frauen, überhaupt sich mal das Becken anzugucken und dann zu wissen: Wie sieht mein Becken eigentlich aus und wie fühlt sich das an?

Tipps: Das eigene Becken kennenlernen

Mein erster konkreter Tipp ist das Fühlen des Beckens mit den Händen: Leg die Hände auf die Knochen, die Hüften oder hinten auf dein Kreuzbein. Und spüre: Okay, das ist mein Becken!

Und dann bin ich ein ganz großer Fan von Steaming. Das ist deshalb mein zweiter Tipp.

Steaming ist ein Dampfbad für den Unterleib mit Kräutern und kann wunderbar entspannend wirken.

Wie siehst du unsere modernen Becken in Bezug auf die Schwangerschaft und Geburt?

Bei vielen Frauen ist auch in den Schwangerschaften schon das Becken zu angespannt — vielleicht sogar verspannt.

Wenn ich davon spreche, dass das Becken an sich angespannt ist, meine ich vor allem den Beckenboden, also die drei Schichten der Muskulatur. Die Frau trägt quasi ihre Geschichte und zum großen Teil die Geschichte ihrer Mutter und ihrer Großmutter in der Muskulatur des Beckens.

Das ist auch während der Schwangerschaft so, und deswegen kann es besonders hilfreich sein, sich vor der Schwangerschaft mit dem Becken auseinanderzusetzen und die Muskulatur weicher werden zu lassen. Dann wird auch die Geburt einfacher. Gleichzeitig bin ich allerdings davon überzeugt, dass jede Frau genau diejenige Geburt bekommt, die sie braucht. Emotional bekommt sie, was gerade bei ihr dran ist. Und so trägt die Geburt dazu bei, das nächste Thema loszulassen.

Hilft während der Schwangerschaft alles, was sanfte Bewegung ins Becken bringt?

Ja und nein. Es muss nicht immer Bewegung sein. Wir haben nämlich diesen tollen Kopf. Der ist wirklich klasse für Visualisierung. Wir können also unsere Wahrnehmung lenken.

Ich kann mit dem Kopf Muskeln entspannen in der Stille.

Ich kann jede Zelle meines Körpers über den Kopf berühren und diese Zelle weiter werden lassen. Das braucht einfach Übung. Und so arbeite ich zum Beispiel sehr gern mit Vorstellungskraft.

Damit können wir viel schon emotional loslassen. Manchmal hilft auch eine Massage oder eine ganz liebevolle Berührung — von uns selbst oder einer anderen Person.

Nicht nur das Becken, sondern der ganze Körper freut sich, wenn er liebevoll berührt wird. Er geht total dafür auf. Denn ganz ehrlich: Liebevoll gehalten zu werden, das ist das, was viele Frauen sehr vermissen. Sie wollen gehalten werden, damit sie loslassen können. Das ist auch bei der Geburt so. Wenn sich frau fallen lassen kann, geht das Becken automatisch auf. Das ist bei der Geburt wie bei der Sexualität: Wenn ich liebevoll behandelt werde und immer mal hier und da eine schöne Berührung bekomme, entspanne ich mich.

Das Becken freut sich, der ganze Körper freut sich, wenn er liebevoll berührt wird. Er geht total dafür auf. Die meisten Frau vermissen es sehr, liebevoll gehalten zu werden, damit sie loslassen können. 

Wie ich vorhin bereits sagte: Wir tragen auch die Erinnerungen unserer Mutter und unserer Großmutter mit uns. Das heißt natürlich im Umkehrschluss auch: Wenn wir jetzt schwanger werden, geben wir natürlich auch etwas an unsere Kinder. Deshalb bietet es sich an, schon vor der Schwangerschaft mit dem Becken ins Reine zu kommen.

Wenn jetzt jemand unser Gespräch liest und sich denkt: „Oh nein, ich hab noch drei Wochen bis zum errechneten Geburtstermin. Was soll ich tun?“ Was antwortest du?

Fang genau jetzt an. Egal, wie weit du bist. Egal, wie dick die Murmel ist. Es geht am Ende immer um die Verbindung mit sich selbst. Auch mit dickem Babybauch ist es möglich, still zu sitzen und Kontakt mit dem Baby aufzunehmen — gerade drei Wochen vor der Geburt!

Es ist wichtig für diesen Geburtsprozess, Vertrauen in das Baby und in sich selbst zu haben.

Hab Vertrauen: Irgendwie wird das alles. Als Mama kannst du diesen Geburtsprozess nicht aufhalten. Du kannst ihn annehmen. Das geht über das Anfassen des Bauches, über Streicheln, mit Öl einreiben, den Muttermund spüren. Der Muttermund ist das zweite Herz. Da ist so viel abgespeichert. Wenn der Muttermund bereit ist, dann flutscht das dann auch. Geh also in Zwiesprache mit deinem Muttermund. Egal, ob jemand im Krankenhaus darüber lacht oder nicht.

Denn genau das ist es, was uns verloren gegangen ist als Frauen: Der natürliche Zugang zum Becken. Wir brauchen die eigene Kraft, unsere Körper zu spüren. Vertrau deinem Körper, dass er weiß, wie das geht.

Denn er weiß es. Wir machen das seit tausenden von Jahren, wir müssen den Körper nur lassen. Wir brauchen totales Vertrauen in den animalischen Körper.

Was können wir tun, wenn der Beckenboden während der Geburt geschädigt oder traumatisiert wurde? 

Ich hoffe wirklich, dass niemand diesen Frauen sagt, „wir können gar nichts tun“.

Der Körper ist so intelligent, er kann alles heilen. Es braucht halt den Prozess, sich auf den eigenen Körper einzulassen. Die Schulmedizin, die macht das nicht. In der Schulmedizin wird nach Minuten abgerechnet und dann muss es zack, zack, zack, zack gehen.

Das passt nicht zum Beckenboden oder überhaupt zum Körper an sich.

Es gibt verschiedene Wege, den Beckenboden zu heilen. Es gibt zum Beispiel Physiotherapeut*innen, die sich auf den Beckenboden spezialisieren, die über interne Massagen sehr viel wieder reparieren können.

Manchmal hilft auch eine äußere Massage.

Das Becken ist quasi die Wurzel des Nervensystems, das heißt: Wenn ich ganz feinfühlig damit arbeite und Risse repariere, dann wächst es auch wieder zusammen.

Es geht um Langsamkeit und Fürsorge. Dieser Prozess lässt sich nicht abkürzen. Wir müssen durch die Langsamkeit gehen. Eigentlich ist es ja auch klar: Wenn im Becken, an der Wurzel, was nicht stimmt, dann kann es sehr einschränkend im Leben sein.

Ich möchte nochmal auf die Fürsorge zurück. Meine Arbeit hat sich genau aus diesem Grund heraus entwickelt: Frauen werden von der Schulmedizin nicht gehalten in solchen Situationen. Ich war selber in entsprechenden Situationen und dachte: “Das darf doch wohl nicht wahr sein. Bin ich froh, dass ich Körpertherapeutin bin und mich selbst halten kann. Ansonsten wäre ich verloren.” Genau das ist dieses Gefühl, was bei den Frauen übrig bleibt: Es ist Verzweiflung, alleine gelassen zu werden. Pure Hilflosigkeit. Und viele ergeben sich dann in ihr vermeintliches Schicksal. Dabei muss das nicht sein.

Wie genau arbeitest du?

Ich arbeite nicht unbedingt mit anfassen, sondern bei mir ist es energetische Arbeit. Es geht darum, in sich hinein zu spüren und selbst zu schauen: Wo möchte sich was befreien? Wo darf (s)ich was loslassen?

Es geht sehr viel darum, in das Becken erst einmal hinein zu spüren. Denn die meisten Frauen sind aus einem sehr guten Grund gar nicht mit ihrem Becken verbunden. Das ist Selbstschutz. Es braucht einen ersten Schritt. Wir müssen uns mit dem verbinden, was unangenehm ist.

Du sagtest es vorhin schon: Das fühlt sich unter Umständen nicht sicher, im Becken zu sein. Vielleicht kannst du das noch genauer erklären.

Wir brauchen Sicherheit: emotionale Sicherheit, körperliche Sicherheit. Das spiegelt sich vor allem im Becken wider, weil das Becken die Wurzel ist. Es ist die Wurzel des Nervensystems. Kopf und Becken sind verdrahtet und die beiden kommunizieren miteinander.

Und wenn ich das Becken nicht so gut spüre, kommuniziert nur der Kopf.

Der hat mitunter Gedanken, die nicht immer so unterstützend sind. Häufig fühlen wir uns dann unsicher oder nicht gesehen. Mitunter kommt das aus der Kindheit: Vielleicht wurde mir immer wieder gesagt “Deine Gefühle sind nicht so wie du sie wahrnimmst”. Oder meine Grenzen wurden nicht gewahrt. Manchmal hat das etwas mit sexuellen Übergriffen zu tun, muss es aber nicht. Es geht schon los mit dem Gefühl: Ich fühle mich hier nicht sicher, ich fühle mich hier nicht gesehen.

Also ziehe ich mich zurück. Es gab eine emotionale Verletzung oder ich bin verlassen worden, oder es gab einen ganz großen emotionalen Einschnitt, der nicht gehalten worden ist. Das spiegelt sich alles im Becken wider.

Wir sind so angelegt, dass wir nicht auf Schmerzen zugehen. Wir rennen vor den Schmerzen weg. Wenn das Becken deshalb taub geworden ist, geht es darum, genau da wieder hin zu spüren, damit es auftauen kann. So kann Sicherheit überhaupt wieder stattfinden. Diese ganzen Gefühle, die da sind, müssen wir da sein lassen. Ganz oft erlebe ich es in der Praxis mit Frauen, dass sie sagen: 

„Ich habe Angst vor meinen Gefühlen, sie sind viel zu groß. Ich weiß nicht, wie ich mit ihnen umgehen soll. Ich habe Angst, dass ich jemanden umbringen würde, wenn ich in die Wut komme. Ich habe Angst, dass ich nie wieder aufhöre, zu weinen.”

Das hat alles mit dem Becken zu tun. Mit dem Herz und dem Becken. Die spiegeln sich: Wenn das Becken zu ist, ist meistens auch das Herz zu. 

Natürlich gibt es nicht nur zwei Zustände – offen oder zu. Die Öffnung passiert auf einem Spektrum.

Welche Tipps hast du, um auch mit Kindern ins Beckenspüren zu kommen? 

Kinder sind so mit sich verbunden, die müssen gar nicht bewusst reinspüren, die spüren das automatisch – zumindest in jungen Jahren. Es hilft dann, das Reinspüren spielerisch zu gestalten. Man kann ein Ritual daraus machen: Zum Beispiel: Wir nehmen uns jetzt fünf Minuten Zeit und machen die Kerze so langsam wie möglich an. Oder Malen zusammen. Und dann spüren wir: Hey, wie fühlt sich das an, wie ist das für dich?

Manchmal funktioniert auch Yoga. Du kannst zum Beispiel ganz bewusst eine Yoga-Pose so langsam wie möglich mit deinen Kindern machen. Und wer zuerst spricht, hat verloren. 

Außerdem funktioniert es wirklich gut, den Kindern den eigenen Zyklus vorzuleben. Wenn Frauen ihren Zyklus leben, dann bekommen Kinder dieses Zyklische Sein mit. Sie erleben, wie sich Mama Zeit für ihre Blutung nimmt.

Kinder lernen auch viel über eine regelmäßige Mamazeit jeden Abend oder Morgen: Ich setz mich jetzt hin und schreibe für fünf Minuten auf, was mich bewegt. Die Kinder müssen das gar nicht mitmachen. Sie merken: „Mama, nimmt sich Zeit für sich und das scheint wichtig zu sein!“

Viele Frauen möchten ihre Kinder vor bestimmten Dingen oder Entwicklungen oder Erfahrungen beschützen. Sie setzen sich diesbezüglich unter starken Druck. 

Da entsteht gleich wieder Anspannung.

Es gehört aber leider dazu, verletzt zu werden. Jeder Mensch hat seinen eigenen Weg.

Einerseits ist es das, andererseits kann es auch sehr befreiend sein, die Last für alles nicht bei sich zu spüren.

Genau. Wir brauchen nicht diese hundertprozentige Verantwortung dafür zu übernehmen, was dem Kind im ganzen Leben widerfährt und wie das Kind diese Erfahrungen integriert. 

Viele Frauen empfinden die Zeit des Wochenbetts als sehr unangenehm. Sie merken, dass der Körper nicht so funktioniert, wie er funktionieren soll. Das gilt auch für das Becken und den Beckenboden. 

Ein Kind auf die Welt zu bringen, eine Seele auf diese Welt zu bringen, ist das höchste, was eine Frau tun kann. Ihren Körper bereitzustellen, dass eine Seele auf diese Welt kommen kann, das ist doch fantastisch. Jede Frau darf erstmal anerkennen, was sie da geleistet hat. Sie darf anerkennen, was dieser tolle Körper leistet, und dass es total okay ist, wenn er sich neu finden muss.

Geburt ist eine Übergangszeit. Es ist eine Initiierung in eine neue Form des Seins – sowohl für die Seele, die geboren wird, als auch für die Frau selbst. Sie wird zur Mutter, die geboren hat, statt der Mutter, die empfangen hat.

Das darf sie so richtig spüren, was sie als Frau da eigentlich gemacht hat. Sie darf diese  Kraft spüren. Es ist deshalb total okay, dass sich die Psyche neu ordnet und auch das Becken neu ordnet. Der Körper ändert sich.

Es ist nichts wie vorher. Das soll auch nicht so sein. Die Mutter darf sich darauf einlassen, dass da etwas ganz Neues kommt, was viel mit Expansion zu tun hat.

Die Frau wird in ein neues Sein hineingeboren. Das ist doch großartig!

Okay, ja, dann wackelt es vielleicht hier und da. Doch es geht nicht darum, funktionieren zu müssen. Dieses Funktionieren hängt eng mit Kontrolle zusammen. Und Kontrolle brauchen wir gegen die Angst: “Wer bin ich jetzt eigentlich? Was ist das neue Leben?”

Auch da kommt wieder das Verbinden ins Spiel. Wir dürfen die Veränderung zulassen. Wir dürfen Vertrauen. Das Becken hat so viel mit Vertrauen ins Leben zu tun, mit sich fallen lassen können im Prozess des Lebens. Und Geburt ist ein großer Teil davon.

Es gibt auch ein sehr schönes Ritual, um diese Zeit zu unterstützen. So ab zehn Wochen nach der Geburt kann man das machen, um die Muskulatur und die Knochen energetisch wieder zu schließen. Denn Geburt ist ein totales Aufmachen. Das Ritual hilft, wieder mehr zu sich zu kommen, in den eigenen Körper. Es handelt sich um ein mexikanisches Ritual. Rebozo heißt es.

Mit Tüchern wird der Körper wieder geschlossen. Beim Rebozo-Ritual wird man so schön gehalten von zwei Frauen, die dazu singen und energetisch für die Frau da sind.

Bild: AuroreLEBECQ

Das Thema kommt immer wieder: Wir Frauen dürfen uns gegenseitig halten und uns von anderen Frauen halten lassen. Viele Frauen machen das alles alleine. Vielleicht gehen sie zur Geburtsvorbereitung oder vielleicht lernen sie eine andere Frau im Krankenhaus kennen  oder in irgendeinem Kurs. Da gibt es dann zwar den Austausch, aber an sich ist Mama alleine. Das ist das Schlimmste in dieser Gesellschaft:  Die Frauen werden so alleine gelassen. 

Leider liegt das auch an den Frauen. Die Gesellschaft wird sich nicht verändern. Das müssen wir machen. Es bringt absolut nichts, in dieser Hilflosigkeit zu sein und zu fragen: Kann irgendjemand mal was machen? Wir müssen es selber machen. So  kommen wir in die Kraft. Wir müssen einstehen für das, was wichtig ist.

Ich suche mir das, was mein Körper braucht. Es ist nur eine Frage von persönlichem Einsatz.

Zwischendurch hören wir: Das Baby passt da nicht durch. Das Becken ist zu eng. Es ist zu groß oder zu schwer. 

Der Körper macht nichts, was gegen ihn arbeitet.

Sicherlich gibt es komplizierte Geburten. Es ist herausfordernd, wenn eine zierliche oder schmale Frau ein großes Kind in sich trägt.

Gleichzeitig kreiert der Körper nichts, was über seine Grenzen geht. Es gibt im Leben keinen Zufall. Wir können uns nur auf das einlassen, was das Leben uns gibt.

Wenn es ein großes Baby ist, dann geht es vielleicht darum, loslassen zu lernen und sich komplett in die Hingabe zu begeben. 

Wenn dann so ein Satz kommt von den Frauenärztinnen, dann macht es noch mehr Druck. Es macht noch mehr Stress. Das ist nicht vertrauenserweckend. Dann ist es vielleicht an der Frau, zu sagen: “Nein, das ist nicht die Unterstützung, die ich mir wünsche. Ich suche mir jemand anders. Ich suche jemanden, der Vertrauen in mich hat; der Vertrauen in diesen Geburtsprozess hat.”

Wir haben immer eine Wahl. Ich weiß, dass das aktuelle Hebammensystem die Wahl nicht gerade einfach macht. und trotzdem haben wir immer eine Wahl.

Es geht immer darauf zurück: Ich stehe für mich ein.

Natürlich kannst du auch mit dem Baby sprechen und mit dem Baby Kontakt aufnehmen.

Du kannst dem Baby sagen: Wow, du hast ganz schöne Ausmaße. Wie soll das werden? Was hast du damit wie vor?

Es geht darum, ganz liebevoll mit sich Kontakt aufzunehmen, mit dem Kind Kontakt aufzunehmen und zu sagen: irgendwie wuppen wir das zusammen.

Natürlich dürfen wir das Kind auch fragen: Kind, was brauchst du? Wie kann ich dich gut unterstützen während der Geburt?

Das Kind ist lebendig, das antwortet. Das ist alles Energie. Diese Energie dürfen wir auch versprühen.

Ich beende gerne meine Interviews mit der Frage, welche Änderungen du dir fürs Geburtssystem in Deutschland wünschen würdest.

Ich wünsche mir, dass die Versicherungen für Hebammen geringer werden und dass Hebammen wieder mehr geschätzt werden. Ich wünsche mir, dass dieser Beruf überhaupt eine Chance hat für die Zukunft, damit Frauen individueller begleitet werden können – in der Schwangerschaft, während der Geburt und auch danach. 

Und ich wünsche mir Räume für Frauen, wo sie sich mit ihren Geburtstraumata hinwenden können. Räume, in denen sie gehalten werden.

Ich wünsche mir noch mehr Kreise für Frauen, in denen sie sich austauschen können. Ich wünsche mir viel, viel, viel mehr Räume für Frauen: Auf der gesellschaftlichen Ebene muss da ein großer Wandel passieren, der durch die Frauen kommt. Und auch auf privater Ebene wünsche ich mir, dass sich Frauen gegenseitig mehr halten – mit all ihren Geschichten. Es ist so wichtig, einen Raum zu bekommen für die eigene Geburtsgeschichte und für diese Ängste. Genauso brauchen wir auch Raum für das Schöne. Wir brauchen Räume, um die Geburt zu zelebrieren. 

Können wir bitte mehr Räume haben, in denen sich Frauen feiern!

Was für ein perfektes Schlusswort! Ich danke dir von Herzen für deine Arbeit und für all die Frauen, den du hilfst.

Wenn du möchtest, erreichst du Dörte hier: https://weavingcycles.com/

2 Gedanken zu „Das Becken als Energiezentrum auch bei der Geburt: Interview mit Dörte“

  1. „Gleichzeitig bin ich allerdings davon überzeugt, dass jede Frau genau diejenige Geburt bekommt, die sie braucht“ ich muss gestehen, dieser Satz triggert mich total. Denn beim Lesen fragte ich mich „Warum hab ich Schmerzen bis zur Todesangst verdient, warum braucht ich das? Es versperrt mich mehr als das es mir hilft. Und das bei mittlerweile 6 Geburten. Warum brauchte ich das? Und wie wird die 7. Geburt, wenn ich davon ausgehe, das ich bekomme was ich brauche.“

    Evtl verstehe ich diesen Satz auch verkehrt, aber er ist für mich echt nicht schön.

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