Geburten sind Privatsache: Auch im Leistungssport

Wenn du auf Google nach Babybauchfotos suchst, kannst du über Stunden scrollen und scrollen. Gefühlt hat jede Frau von jeder Schwangerschaft mindestens ein professionelles Shooting und zusätzlich einige Dutzend Fotos auf ihrem Handy.

Wir sollten also meinen, dass Frauen mit Babybauch in unserer Gesellschaft eine Normalität sind, die wir nicht verstecken müssen. Erst recht im liberalen Westen der Welt.

Nun ja, das ist nicht immer so.

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Wenn du erfolgreich sein willst, ist dir ein Babybauch im Weg

Wendy Cooper Porcelli postete letztes Jahr auf Facebook einen Beitrag über die Leichtathletin Allyson Felix, den ich hier veröffentlichen darf:

Quelle: Facebook-Post

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(Ganz unten im Bild siehst du Allyson Felix‘ Kaiserschnittnarbe!)

Ich habe den Text nicht wörtlich, sondern sinngemäß übersetzt. Der Text wurde 2021 während der Olympischen Spiele in Tokyo veröffentlicht.

Als Allyson Felix schwanger wurde, bereitete Nike wegen der Schwangerschaft eine Änderung ihres Werbevertrages vor, sodass Felix für ihre Werbemaßnahmen 70 Prozent weniger Gehalt erhalten hätte. Nike teilte Felix mit: „Know your place and just run“, also frei übersetzt: „Sei dir deiner Position bewusst und lauf einfach“.

Im siebten Schwangerschaftsmonat brauchte Felix wegen eines potenziell lebensbedrohlichen Zustands einem Notkaiserschnitt. Ihr Baby musste mehr als einen Monat auf der neonatologischen Intensivstation leben.

Zwei Jahre später hat sich Allyson Felix vor den Augen ihrer Tochter für ihre fünften Olympischen Spiele qualifiziert.

Felix ließ Nike als Werbepartner fallen und kreierte ihre eigene Laufschuhmarke, den Saysh One. Sie läuft derzeit [sic] bei den Olympischen Spielen in Japan und trägt sie unter dem Banner „I Know My Place“ — frei übersetzt: Ich kenne meinen Wert.

Mit jetzt 11 Medaillen überholte sie diesen Sommer Carl Lewis als diejenige Person mit den meisten Leichtathletik-Medaillen für die USA in der Geschichte!

„Ich habe meine Stimme genutzt und diese Firma für dich aufgebaut. Damit du nie um 4:30 Uhr morgens trainieren musst, während du im 5. Monat schwanger bist, um deine Schwangerschaft vor deinem Sponsor zu verbergen.“

Freie Übersetzung des Screenshots von oben.

Geburten sind Privatsache

Familie ist heutzutage Privatsache. Das gilt in den USA noch viel mehr als hier. Und das Beispiel von Allyson Felix ist nur eines von vielen. Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen, müssen sich immer wieder dafür rechtfertigen, dass sie Kinder und Karriere — in diesem Fall Leistungssport — unter einen Hut bringen wollen. Und wenn, dann sollen die Kinder (und die körperlichen Veränderungen) doch bitte möglichst unsichtbar bleiben.

Nike hat zwar nach dem öffentlichen Streit mit Allyson Felix die Richtlinien für Leistungssportlerinnen geändert, so dass diese künftig ihr Gehalt für 18 Monate weiterbeziehen können. Das ist aber nur ein Einzelfall.

Frauen im Leistungssport müssen nach wie vor darum kämpfen, ernst genommen zu werden. Manchmal sind es Sponsoring-Verträge, wie bei Allyson Felix und Nike.

Manchmal sind es auch die Veranstalter, für die junge Mütter nicht ins Konzept passen. So waren zum Beispiel die Ausrichter der French Open 2018 nicht damit einverstanden, dass die US-amerikanische Tennisspielerin Serena Williams im Catsuit startete. Der Chef der French Open, Bernard Giudicelli, sagte damals:

“I believe we have gone too far. Serena’s outfit this year will no longer be accepted. You have to respect the game and the place.”

Ich bin davon überzeugt, dass das zu weit geht. Serenas diesjähriges Outfit wird nicht länger akzeptiert. Wir müssen das Spiel und die Spielstätte [mit ihrer Tradition] respektieren.

Bernard Giudicelli, Chef der French Open 2018. Quelle: Fashionbombdaily

Genau. Die Tradition ist nämlich wichtiger als die Gesundheit der Spielerinnen. Immerhin unterstützte der Catsuit durch seine Kompressionswirkung die Blutzirkulation der Athletin. Aber gut, das ist ja nicht so wichtig wie die Tradition des großen Sportereignisses.

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Systemänderung statt Einzelversuche

Allyson Felix und Serena Williams stehen im Rampenlicht. Sie haben ihre Macht und ihren Status genutzt, um sich für die Rechte von Frauen rund um die Geburt stark zu machen.

Auf der Internetpräsenz von Felix‘ Schuhmarke steht zum Beispiel:

Saysh was founded in response to inequality in the world of athletics. But you don’t have to be a seven-time Olympic champion, like our founder Allyson Felix, to feel the persistent legacy of inequality women deal with today.

Saysh wurde gegründet als Antwort auf die Ungleichheit in der Welt des Sports. Aber du musst nicht siebenmalige Olympiagewinnerin sein wie unsere Gründerin Allyson Felix, um das Vermächtnis der Ungleichheit zu spüren, mit dem Frauen heute immer noch zu kämpfen haben.

https://saysh.com/pages/maternityreturns

Und Serena Williams antwortete nach ihrem Auftaktmatch bei den French Open 2018 dem Reporter auf die Frage nach dem Catsuit:

It represents all the mums out there who had a tough pregnancy and had to come back and try to be fierce in the middle of everything.

Der Catsuit steht für alle Mamas da draußen, die eine schwere Schwangerschaft hatten und danach zurückkommen mussten und versuchen mussten, kämpferisch zu sein.

Serena Williams nach ihrem Auftaktmatch bei den French Open 2018 über ihren Catsuit.

Wir alle können jeden Tag kämpfen, wenn wir Ungerechtigkeit oder Benachteiligung erleben. Das ist wichtig. Und es hilft. Doch es hilft eben nur ganz konkret einzelnen Personen.

Langfristig müssen wir deshalb stattdessen Systeme verändern.

Kinder sind keine Privatsache. Sie können es gar nicht sein, denn Kinder brauchen Menschen außerhalb der eigenen Familie, um gesund aufzuwachsen. (Darauf werde ich demnächst nochmal zurückkommen, wenn ich das Buch In sicheren Händen von Nora Imlau rezensiere.)

Und deshalb sind auch die Umstände, auf die Frauen während ihrer Schwangerschaft und unter der Geburt treffen, keine Privatsache. Momentan sprechen viele Systeme gegen Schwangere, Kinder und junge Familien. Serena Williams und Allyson Felix sind da nur die Spitze des Eisbergs.

Erzählt, wie es euch geht

Wir können bewusst versuchen, unseren Horizont zu erweitern. Klar. Doch das kostet Kraft. Besonders, wenn wir nach den Informationen, die wir brauchen, erst suchen müssen. Einfacher ist es, wenn die Infos direkt zu uns kommen. Und deshalb ist es so wichtig, dass wir erzählen, wie es uns geht. Wo erleben wir Ungerechtigkeit und Benachteiligung? Welche systemischen Hindernisse gibt es und wie können wir daran arbeiten, sie abzubauen?

Vielleicht schaffen wir es nicht mehr, die systemischen Änderungen für unsere Generation zu bewirken. Aber wir sind es unseren Töchtern schuldig, dass wir uns nicht zurücklehnen. Wir müssen weitermachen: Auf Ungerechtigkeit hinweisen; Systemveränderungen anstoßen, wo es in unserer Macht liegt; uns gegenseitig unterstützen statt zu konkurrieren.

Nicht jede von uns wird Olympia-Siegerin wie Allyson Felix (sieben mal Gold) oder Serena Williams (vier mal Gold). In unserem Alltag haben die meisten von uns mit ganz anderen Problemen zu kämpfen. Das macht nichts. Egal, was für ein Leben wir leben: Wir brauchen systemische Änderungen hin zu einer wirklichen Unterstützung für Schwangere, Gebärende und Familien.

Für uns, für unsere Töchter, und für eine Welt, in der gemeinsame Verantwortung auf viele Schultern verteilt ist. Und anfangen können wir damit, nicht mehr zu schweigen.

Lass deine Geburtsgeschichte aufschreiben

Deine Geburtserfahrung ist einzigartig. Du hast es verdient, dieses Erlebnis genau so zu verewigen, wie du es wahrgenommen hast. Wenn dir selbst die Worte oder die Zeit fehlen, kontaktiere mich. Ich helfe dir gern dabei, deine Erinnerungen aufzuschreiben und zu verewigen. Als Geschenk für dich und dein Kind — und als Zeugnis deiner Liebe.

3 Gedanken zu „Geburten sind Privatsache: Auch im Leistungssport“

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