Gedanken zum Frauentag

Brauchen wir den Frauentag als Feiertag? Was sind dann die anderen Tage des Jahres? Reicht es nicht langsam mit der Gleichstellung? Benachteiligen wie jetzt nicht die Männer? Und warum ein Beitrag zum Frauentag auf einem Geburtsblog?

Alles Gute zum Frauentag!

…wünsche ich, und ernte damit manchmal Freude, manchmal Augenrollen. Von danke bis hör mir auf damit ist alles dabei. Und natürlich auch immer mal wieder der Nachsatz: wann ist eigentlich Männertag?

Ja, wir brauchen den Frauentag. Ich sage das als Frau, die in westdeutschen Gefilden aufwuchs und den Tag nie feierte, bis sie in Berlin damit konfrontiert wurde. (Und selbst dann ging der Tag die ersten Jahre an mir vorbei.) Ich sage ihm als Mama, die heute nicht in Berlin zur Demo fährt, sondern, weil der Tag auf einen Sonntag fällt, Mittagessen kocht und mit den Kindern spielt.

Brauchen wir der Frauentag?

Wir brauchen ihn genau deshalb, weil Gleichstellung bedeutet, dass wir alle mal wieder überlegen, welche Rolle wir eigentlich Frauen zugestehen und welche Rolle wir ihnen absprechen. Wir brauchen ihn auch genau für diejenigen, die mit den Augen rollen und sagen, jetzt seien doch mal die Männer dran.

Häufig genug läuft es in der Praxis nämlich so, dass für Frauen und Männer nicht die gleichen Voraussetzungen gelten.

Es ist wichtig, diese unterschiedlichen Voraussetzungen anzuerkennen. Ich möchte nicht, dass wir alle alles gleich machen. Nicht jede Frau muss einen klassischen Männerjob machen, um emanzipiert zu sein. Du kannst auch als Erzieherin oder als Hausfrau Feministin sein. Und du kannst auch als Automechaniker Feminist sein.

Jeder Lebensweg kann feministisch sein. Dazu sind folgende Schritte nötig:

  1. Ich erkenne an, wo ich strukturell bevorzugt werde
  2. Ich schaue, wo Menschen in meinem Umfeld strukturell benachteiligt werden.
  3. Ich setze mich für Änderungen ein. Das fängt bei Sprache an, geht über das Kenntlichmachen der eigenen Privilegien und führt zur Ausrichtung des eigenen Handelns, um der strukturellen Benachteiligung zu begegnen.

Liegt die Objektivierung in Bezug auf Schwangerschaft und Geburt am Geschlechterbild?

Das ist eine interessante Frage. Sie ist natürlich rein hypothetisch. Trotzdem will ich versuchen, die zu beantworten.

Mädchen und Frauen werden zu Konsens erzogen

Frauen sind häufig weniger darauf aus, ihre Meinung gegen alle anderen durchzusetzen. Ihnen wird beigebracht, denn Konsens zu suchen und interessen auszugleichen.

Mädchen, die ihre eigene Meinung vertreten, gelten schnell als Zicken.

Bis vor wenigen Jahrzehnten hieß es in offiziellen westdeutschen Familienratgebern (Werbelink) noch, die Frau möge stets daran denken, dass ihre Themen weniger wichtig wären, als die des werten Ehegatten.

Auch in der Schule sollen Mädchen zwar gute Leistung bringen, aber bitte nicht die anderen Kinder dadurch ins Abseits stellen. Mädchen bekommen gute Noten. Besonders, wenn zu ihrer guten Leistung ein höfliches Verhalten kommt. Jungen wird Raufen eher durchgelassen. Boys will be boys.

Schließlich kommt dann noch die Sache mit der Sexualität dazu. Tu dies, damit du sexy bist. Sei aber auch keine Schlampe. Ihr kennt das. Und wisst ihr, was!? Selbst der Satz Sei ganz natürlich! kotzt mich an. Denn in den allermeisten Fällen hat er den falschen Hintergrund. Statt du brauchst deinen Körper nicht zu einem Sexobjekt machen, impliziert er nämlich fast immer dein Körper ist auch ohne diese künstlichen Maßnahmen ein Sexobjekt. Danke, darauf kann ich verzichten. So bringen wir Mädchen bestimmt nicht bei, sich auf ihre eigenen Bedürfnisse zu fokussieren.

Aus dieser Sicht heraus scheint es logisch, dass wir Männern mehr eigene Entscheidungsgewalt zustehen, als Frauen.

Aber Hebammen sind auch Frauen

Wenn Männer Frauen in ihren Wünschen nicht ernst nehmen, woher kommen dann die vielen Geschichten, in denen Hebammen im Kreißsaal die Wünsche der Gebärenden missachteten? Oder in denen es eine Ärztin war, und kein Arzt, die übergriffig handelte?

Wir alle werden dazu erzogen, die Entscheidungen von medizinischem Personal erstmal nicht in Frage zu stellen. Immerhin haben die da das ganze Fachwissen.

Das wissen auch Hebammen und Ärztinnen. Sie sehen die Verantwortung für eine gelungene Geburt bei sich, nur bedingt bei der Gebärenden. Das ist aus feministischer Sicht natürlich eine Objektivierung, die es zu verhindern gilt.

[Tipp zum Weiterlesen: Subjekt statt Objekt]

Dennoch ist diese wahrgenommene Verantwortungsverschiebung auch logisch: sobald eine Gebärende das Krankenhaus betritt, fällt sie unter die gesetzlichen Bestimmungen für Krankenhäuser.

Und als Krankenhaus sollst du gefälligst gesunde Kinder entlassen. Von seelisch unverletzten Müttern steht da nichts. Das Problem ist, dass Nichtstun im Zweifelsfall eher zu einem Problem für das Krankenhaus wird, als Eingreifen. Also entscheidet das medizinische Personal (unabhängig vom Geschlecht) oft, lieber einzugreifen.

Es ist ein strukturelles Problem.

Und nebenbei sollst du natürlich wirtschaftlich sein. Aber blöderweise bringt eine lange und interventionsarme Geburt kaum Geld. Also wird schon mal ein CTG geschrieben. Wird schon nicht schaden.

Hör auf deinen Körper – solange du deine Tage nicht hast

Die allermeisten Mädchen bekommen irgendwann ihren Zyklus. Eine kluge Erfindung der Natur.

Normalerweise haben wir unseren festen Umgang damit.

  • Verstecken. Wer von uns kennt nicht all die Versuche, möglichst diskret mit dem eigenen Blut umzugehen?! Höchstens die besten Freundinnen durften davon wissen.
  • Ignorieren. Während der Menstruation haben wir andere Bedürfnisse. Wir sind introvertierter, brauchen mehr Ruhe. Aber das ignorieren wir.
  • Leugnen. Die nächste Stufe des Ignorierens.

Als Resultat lernen wir als Mädchen bereits, die Bedürfnisse unseres Körpers entweder zu verstecken, sie als Schwäche anzusehen oder sie zu verleugnen. Das geht dann nahtlos über in die Verhütung mit der Pille, die den Zyklus komplett ausstellt. Das Ideal unserer Gesellschaft ist der männliche Körper, der keinen Zyklus kennt.

Glaubt ihr wirklich, dass wir uns so zu Frauen entwickeln, die ihre Körper kennen und ihrem Körper vertrauen?! Wir müssen uns nicht wundern, dass wir bei der Geburt den Glauben an uns so schnell verlieren.

Mehr zum Thema Menstruation und was das mit Geburt zu tun hat, habe ich hier geschrieben : Menstruation am Arbeitsplatz

Wie würde man nun eigentlich Männern gegenüber bei der Geburt handeln?

Die Probleme der Verantwortungsaufgabe am Krankenhauseingang haben wir auch weiterhin. Doch in einem anderen Aspekt wäre es wohl anders: wenn derjenige Bevölkerungsteil, der strukturell am stärksten ist, Kinder bekommt, stehen seine Bedürfnisse eher im Mittelpunkt. Männern wird ihr Hormonhaushalt selten als Schwäche ausgelegt. Wenn überhaupt, gilt er als Entschuldigung. Insofern können wir davon ausgehen, dass ihre Bedürfnisse größeren Stellenwert hätten. Ihnen wird auch nicht bereits als Mädchen abtrainiert, ihren Körper bewusst wahrzunehmen und das als Stärke zu sehen.

Dazu kommt, dass Männer im Kreißsaal vermutlich stärker und deutlicher ihre Bedürfnisse artikulieren könnten. Sie haben es schließlich davor ein ganzes Leben lang geübt.

Da wir aber nicht davon ausgehen können, dass Männer bald unsere Kinder gebären, sollten wir die Situation der Gebärenden im Krankenhaus verbessern.

Diskriminierung hat mit Macht zu tun – auch jenseits des Geschlechts

Das Beispiel der Geburt zeigt, dass es ein Problem ist, wenn Bedürfnisse in einem Machtgefälle nicht explizit von den Mächtigen berücksichtigt werden.

Geschlecht ist dabei ein Faktor. Es ist bei weitem nicht der einzige.

  • Geschlecht
  • Alter
  • Hautfarbe und andere körperliche Merkmale
  • Körperliche Unversehrtheit
  • Finanzkraft
  • Ausbildumgsstand
  • Familienstruktur

Diese Aspekte spielen übrigens auch bei der Geburtssituation eine Rolle. Stell dir vor, du bist in einem Krankenhaus, in dem du sie Sprache nicht verstehst. Oder du kannst dir, obwohl du gerne willst, keine Doula leisten, weil du sie privat zahlen müsstest.

In vielen dieser Punkte bin ich privilegiert. Ich habe eine gute Ausbildung genossen. Ich bin nicht alleinerziehend. Ich habe Geld. Ich habe keine Behinderung. Ich hatte das Geld und die Unterstützung für eine Hausgeburt. Ich erkenne diese Privilegien an. Und nutze, sooft es geht, diese Privilegien nicht zum Schaden derjenigen, die sie nicht haben.

Ich kann es mir leisten, das alles zu schreiben.

  • Ich lande dafür nicht im Knast
  • Mein Mann wird mich dafür nicht verprügeln
  • Ich habe Zeit genug, diesen Beitrag zu schreiben, weil ich jetzt nicht arbeiten muss
  • Ich habe genug Bildung genossen, um mich auszudrücken
  • Ich habe Zugang zum Internet und kann meine Stimme erheben

Vielen Frauen weltweit ist das nicht vergönnt. Ich schreibe auch für sie. Sie stehen in anderen Situationen. Vor anderen Herausforderungen. Doch viel zu häufig werden sie strukturell diskriminiert. Wir dürfen das nicht vergessen. Wir müssen das immer wieder zeigen. Wir müssen jede nötige Anstrengung unternehmen, Frauenrechte durchzusetzen. Hier. Und überall.

Männer werden aber auch benachteiligt

Es gibt Menschen, die behaupten, jetzt sei langsam aber mal der (weiße, gesunde, heterosexuelle) Mann benachteiligt. Der würde schließlich gar nicht durch irgendwelche Sonderprogramme gefördert.

Ja, in gewissen Situationen kommen Männer jetzt nicht mehr so gut weg, wie vorher. Wenn das daran liegt, dass strukturelle Diskriminierung gegen andere Gruppen in diesem Bereich abgebaut wurde, ist das keine Diskriminierung, sondern die Aufhebung von Nachteilen.

Männliche Hebammen…

…Sind ein gutes Beispiel. Auch Männer sind manchmal unterrepräsentiert. Wenn sie einen solchen Job ergreifen, werden sie aber häufig als positive Beispiele hervorgehoben. Ihre männlichen Fähigkeiten bereichern dann auf einmal diesen Job.

Unterrepräsentation ist also nicht mit Diskriminierung gleichzusetzen.

Denn Diskriminierung setzt Macht voraus.

Nicht alle Männer haben gleich viel Macht. Deshalb geht es für mich am internationalen Frauentag auch nicht darum, Männer zu verteufeln und Frauen als Unschuldslämmer und Opfer zu sehen.

Ich möchte vielmehr dazu beitragen, dass wir den Frauentag zur Reflexion nutzen. Wo sind wir privilegiert? Welche Privilegien nutzen wir davon bewusst oder unbewusst zum Nachteil anderer? Und wo machen wir uns zum Opfer – statt dagegen anzutreten? Wo werden wir (bewusst oder unbewusst) zu Täter*innen?

Lasst uns den heutigen Tag nutzen, aufmerksam zu sein. Es ist manchmal peinlich bis schmerzhaft, aber es hilft.

Wann ist eigentlich Männertag?

Das kommt darauf an, was genau du meinst.

  • Weltmännertag (Aktionstag zur Männergesundheit) ist am 3. November
  • Internationaler Männertag ist am 19. November
  • Herrentag oder Vatertag ist eine Bezeichnung für Christi Himmelfahrt – und hat sich eingebürgert als Gegengewicht oder Ausgleich zum Muttertag.

Die Wikipedia gibt mehr Auskunft. Männertag.

Linkliste und Literaturempfehlungen

Wie ihr merkt, habe ich im Text nicht direkt auf Quellen verlinkt. Wenn du mehr wissen möchtest, empfehle ich die folgenden Quellen.

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Sachbücher

Romane & Erzählungen

Online – Quellen

Und du?

Wie stehst du zum Frauentag? Feierst du? Gehst du zur Demo? Findest du das alles überflüssig? Hinterlass mir gerne einen Kommentar!