Interview: Eva ist Ärztin im Kreißsaal

Im Rahmen meiner Serie „Fachkräfte bei Geburten“ hat mir Eva ein Interview zu ihrer Arbeit als Assistenzärztin im Kreißsaal gegeben. Dafür bedanke ich mich ganz herzlich!

Stell dich doch bitte kurz vor!

Ich heiße Eva, bin 32 Jahre alt und arbeite als Assistenzärztin der Gynäkologie und Geburtshilfe in einem Krankenhaus. Ich habe selber einen fast 2 Jahre alten Sohn.

Welchen Beruf übst du aus, der mit der Geburt zu tun hat?

Ein Teil meiner Ausbildung zur Assistenzärztin findet als Geburtshelferin im Kreißsaal statt.

Wann und warum hast du dich entschlossen, diesen Beruf zu ergreifen?

Schon sehr früh im Medizinstudium. Nach den ersten Einblicken in klinische Fächer im Rahmen des Studiums wollte ich unbedingt in die Frauenheilkunde. An diesem Wunsch hat sich seitdem nichts mehr geändert.

Seit wann arbeitest du in diesem Beruf?

Seit Anfang 2015. Allerdings mit einer ca. einjährigen Pause durch Mutterschutz bzw. Elternzeit.

Erzähle uns von den schönen Seiten deines Berufs!

Wenn man eine Frau während der Geburt begleitet, sie ein schreiendes, gesundes Baby zur Welt bringt, das Paar überwältigt vor Glück ist und dieses Paar ein paar Stunden später stolz mit Baby im Arm den Kreißsaal verlässt und dir auch noch dankbar ist für deine Arbeit (die sicherlich nicht vergleichbar ist, mit der Eigenleistung der Frau), dann weiß ich warum ich diesen Beruf gewählt habe. Und nach so Geburten am nächsten Morgen nach Hause gehen zu dürfen, während der Rest der Menschheit anfängt zu arbeiten, setzt dem Ganzen noch die Krone auf :-).

Erzähle uns von Situationen, in denen du dich nicht wohl gefühlt hast und warum das so war!

Den Spagat zwischen Ansichten der Hebammen und Oberärzten finde ich bei der Betreuung einer Frau manchmal schwierig. Oberärzte tendieren eher zum früheren Einschreiten, zum Beispiel bei protrahiert [Anm: verzögert] verlaufenden Geburten, bei suspekten bis pathologischen CTGs, oder bei verzögerten Plazentageburten, während Hebammen gerne dem Verlauf mehr Zeit geben.

Ich kann oft beide Seiten verstehen. Die Oberärzte sind in letzter Instanz diejenigen, die die Pathologien dann „ausbaden“ müssen, daher haben sie diese eher im Hinterkopf und möchten präventiv handeln. Die Hebammen vertrauen eher darauf, dass die Natur es schon richten wird. Das stimmt auch häufig, aber eben nicht immer.

Eine andere Situation, wovor es einem als junger Assistenzarzt immer graut, ist eine Pathologie (zum Beispiel ein pathologisches CTG oder eine Blutung) ohne Anwesenheit deines Oberarztes im Hintergrund in den Griff bekommen zu
müssen.

Nenne uns ein paar Eigenschaften, die nötig sind, um deinen Beruf gut auszuführen!

  • Empathie
  • neben medizinischem Knowhow den Glauben an das Natürliche der Geburt nicht zu verlieren, also das Vertrauen in die Natur wahren
  • man sollte auch nachts und übermüdet gut/gerne arbeiten können

Wie wünschst du dir deine Rolle bei Geburten und was kannst du davon im Normalfall umsetzen?

Die aufmerksame Beobachterin, die Mut macht oder beruhigt, wenn es sein muss. Ich hoffe vor allem auch, pathologische Verläufe zu erkennen und diese Fälle so zu lösen, dass alle Beteiligten am Ende mit dem Ausgang glücklich sind. Ich denke, dass mir das meistens gelingt. Einige Kolleginnen werden nach der Geburt eines eigenen Kindes ängstlicher und vorsichtiger in ihren Entscheidungen. Das ergeht mir zum Glück nicht so, worüber ich sehr froh bin.

Welche strukturellen Verbesserungen wünschst du dir für deinen Beruf?

Ich habe das Glück, in einem Krankenhaus bzw. einer Abteilung mit wirklich guten Arbeitsbedingungen, sehr netten Kollegen und dementsprechend hoher Mitarbeiterzufriedenheit arbeiten zu dürfen. Aber der Papierkram ist tatsächlich Nerven und Arbeitsstunden raubend.

Welches Vorurteil über deinen Beruf würdest du gerne aus der Welt schaffen?

Dass Ärzte Entscheidungen zugunsten des Geldbeutels des Krankenhauses und nicht zugunsten des Patienten/der Patientin bzw. des Paares treffen. In den vergangenen Tagen ist mir noch ein Zeitungsartikel in die Hände gekommen, in dem zum Beispiel behauptet wird, dass sich Geburtshelfer gerne und vorschnell für eine Sektio entscheiden, da diese dem Krankenhaus mehr Geld bringe als eine spontane Geburt.

Ich erlebe ein völlig anderes Bild. Eines der Ziele meines Teams ist es jedes Jahr die Sektiorate zu minimieren. Und glücklicherweise verfolgen wir dieses Ziel mit großem Erfolg! Das gefährliche an solchen Aussagen bzw. Zeitungsartikeln ist, dass Angst und Skepsis bei den Gebärenden geschürt wird und die so wichtige Vertrauensbasis geschädigt wird bevor eine Geburt überhaupt begonnen hat.

[Du willst weitere Infos zur Kaiserschnittrate? Schau dir mal diesen Beitrag an: https://ichgebaere.com/2019/09/11/interaktive-karte-kaiserschnittrate/]

Wenn du mit einem Fingerschnipsen eine Sache in der deutschen Geburtshilfe und Geburtsmedizin ändern könntest, was wäre das?

Die Angst vor juristischen Klagen der Eltern auf Seiten der Geburtshelfer. Diese Angst und die Konsequenzen aus dieser Angst können das Einleiten von medizinischen Maßnahmen, also den Geburtsverlauf, massiv beeinflussen. Außerdem führt die Sorge vor Klagen zu einem großen Mehraufwand an Dokumentation während bzw. nach der Geburt. Diese Zeit könnte gegebenenfalls aber besser genutzt werden, um eine andere Frau bei ihrer Geburt zu begleiten und ihr zur Seite zu stehen.

Ich bedanke mich bei Eva für das informative Interview!

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