Vor drei Jahren erlitt ich eine Fehlgeburt

Ich schreibe diesen Beitrag Montag. Morgen ist es drei Jahre her. Online geht der Beitrag am Mittwoch. Dann wird es drei Jahre und einen Tag her sein.

Es ist ein Jahrestag, den sich keine von uns wünscht. Am 1. März 2018 verlor ich unser drittes Kind. Ich war circa in der sechsten Schwangerschaftswoche. Morgens hatte ich Blut im Klopapier. Nachmittags war ich zum schon vor Wochen festgelegten Routinetermin bei meiner Frauenärztin. Und dann kam die Gewissheit: Da schlägt kein Herzchen. Ich erlitt eine Fehlgeburt.

In den nächsten Tagen reinigte mein Körper sich von allem, was er nicht mehr brauchte.

Mein Verstand versuchte, sich abzulenken.

Mein Herz brauchte noch eine ganze Weile länger.

Wenn ich meine Worte von damals lese, kommen mir immer und immer wieder die Tränen. Ich trauere um dieses kleine Wesen. Und manchmal habe ich auch ein schlechtes Gewissen ihm gegenüber, denn ich wurde schon im folgenden Zyklus wieder schwanger und gebar kurz vor Weihnachten unsere Tochter.

Ich liebe unsere Tochter sehr. Und mir ist sehr bewusst, dass ich sie nie hätte kennenlernen dürfen, wenn das Baby vorher sich nicht so früh verabschiedet hätte. Andersherum hätte ich sie vielleicht gar nicht vermisst, weil das andere Baby genauso geliebt würde. Es ist ein Gedankenkarussell, das einfach nur Übelkeit auslöst. Schuldgefühle, weil ich ein Kind liebe? So ein Schwachsinn. Und doch immer mal wieder real.

Natürlich weiß ich: Ich habe nichts falsch gemacht. Mein Körper hat entschieden, diese Eizelle nicht weiter wachsen zu lassen. Ich vertraue darauf, dass er seine Gründe hatte. Mehr Einsatz führt nicht immer zu besseren Ergebnissen, wie Michelle Obama schrieb.

Was hat sich durch die Fehlgeburt geändert? Bin ich empathischer geworden? Bin ich umsichtiger in meinen Formulierungen? Nach wie vor kann ich nicht wissen, was andere Menschen fühlen, wenn sie durch eine Fehlgeburt gehen. Ich kann mich heranwagen an ihre Gefühle, aber ob ich sie je vollständig verstehen werde, weiß ich nicht.

Es hängt von so vielen individuellen Faktoren ab, wie wir eine Fehlgeburt erleben. Haben wir schon Kinder? War die Schwangerschaft gewollt? War es die erste Fehlgeburt? Gab es Anzeichen für Störungen? Bin ich gesund? Gibt es Menschen, mit denen ich darüber reden kann? Kenne ich Menschen, die mich mental und organisatorisch unterstützen? Wie schwer sind die körperlichen Beschwerden?

Was für Geburten gilt, gilt auch für Fehlgeburten: Auch, was oberflächlich ähnlich aussieht, kann im Detail ganz anders sein. Jede Erfahrung ist einzigartig. Es hilft nichts, alle über einen Kamm zu scheren.

Mir ging es nach meiner Fehlgeburt so wie Julia nach dem Tod ihres Sohnes Simon. Auch ich wollte unbedingt darüber sprechen. Ich wollte mit meiner Trauer nicht alleine sein.

Und das ist es vor allem, was ich seitdem geändert habe. Ich spreche sehr offen darüber. Ich vergleiche das Leid nicht. Es bringt nichts, ob es einer anderen Frau nun schlechter ging als mir oder ich mich noch schlechter fühlen sollte. Ich nehme Betroffene in den Arm und spreche mein Beileid aus. Ich frage, ob sie darüber sprechen möchte oder nicht.

Es klingt so unglaublich Schei$e

Es klingt so unfassbar Sch€i$e. „Die Erfahrung war wertvoll für mich.“ Muss denn erst ein Kind in meiner Gebärmutter sterben, damit ich wertvolle Erfahrungen machen kann? Kann ich diese wertvollen Erfahrungen nicht auch anders machen?

Es klingt so zynisch, Menschen mit Kinderwunsch und Erfahrungen von Fehlgeburten zu sagen „Es hat alles einen Sinn.“ Ja, klar. Kann schon sein. Vielleich aber auch nicht. Hatte meine Fehlgeburt einen Sinn? Ich habe mich seitdem verändert. Ich würde sogar so weit gehen, dass ich mich durch die Fehlgeburt verändert habe.

Hätte ich eine ähnliche Veränderung durchgemacht, wenn dieses Baby gesund zur Welt gekommen wäre? Vielleicht hätte ich dann vor anderen Herausforderungen gestanden, die andere oder ähnliche Veränderungen ausgelöst hätten. Spekulationen. Mehr nicht. Die Sinnfrage bleibt offen.

Und deshalb will ich diesen Blogbeitrag auch nicht enden mit irgendwelchen klugen Sprüchen von Sinnhaftigkeit, Schicksal oder Fügung.

Stattdessen will ich in die Welt hinausschreien:

Lasst diejenigen, die eine Fehlgeburt erleben, nicht allein. Gebt ihren Geschichten Raum. Gebt ihrer Trauer Raum — egal wir früh in der Schwangerschaft das Baby ging. Wenn es euch unangenehm ist, sagt die Wahrheit. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“ Fragt, was die Person gerade braucht.

Mir hat das Schreiben geholfen. Vielleicht hilft es auch anderen. Vielleicht auch nicht. Mir hilft es auch, das Datum sehr bewusst jedes Jahr zu begehen. Es ist kein klassischer Geburtstag oder Todestag. Und dennoch ist es ein Erlebnis, das mich maßgeblich beeinflusst hat und das Platz braucht in meinem Leben.

Wir Eltern von Sternenkindern leben immer in der Gefahr, entweder stecken zu bleiben in der Trauer oder unser Sternenbaby arg in den Hintergrund zu drücken. Mir haben verschiedene Ideen geholfen, wie ich mein Sternenbaby in liebevoller Erinnerung halten kann, ohne dabei nur nach hinten zu blicken. Diese Ideen habe ich gesammelt und in einem E-Book aufgeschrieben. Gib es gern weiter an Menschen, die es brauchen können.

Ehre dein Sternenkind

In meinem E-Book Ehre dein Sternenkind habe ich 13 Ideen gesammelt, wie du dein Sternenkind ehren kannst und dadurch auch einen Schritt zur Verarbeitung deiner Fehlgeburt gehen kannst. Es steht momentan nur meinen Newsletter-Abonnentinnen zur Verfügung.

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Deine Gefühle sind richtig

Egal, was du in Bezug auf dein Sternenkind fühlst — Liebe, Trauer, Ärger, Angst, Hoffnungslosigkeit, Dankbarkeit, Ekel — all diese Emotionen dürfen sein. Falls sie dich überwältigen und du das Gefühl hast, nicht weiterzukommen, such dir Hilfe. Manchmal hilft es, deine Gedanken aufzuschreiben. Wenn du möchtest, helfe ich dir dabei. Vielleicht ist ein Coaching bei Julia für dich richtig; oder eine Sternenkind-Erinnerung von Yvonne.

Mein Sternenbaby ist nicht ständig der beherrschende Gedanke in meinem Leben. Das Leben geht weiter, irgendwie. Doch wenn ich am 1. März — und auch an anderen Tagen — an der wunderbaren Trauerweide vorbei gehe, die wir im Garten gepflanzt haben, spüre ich, dass Leben und Tod eben doch ein ewiger Kreislauf sind. Und wenn ich dann Tränen in den Augen habe, sind es heute, drei Jahre danach, Tränen der Dankbarkeit.

Trauerweide. Fotocredit: Markus Spiske

2 Gedanken zu „Vor drei Jahren erlitt ich eine Fehlgeburt“

  1. Ich habe selbst kein Sternenkind.

    Doch ich habe Freunde welche eines haben. Und diesen versuche ich jedes Jahr zum Geburtstag des Sternchen eine Kleinigkeit zu schicken, eine Karte oder ähnliches. Damit sie wissen, dass ihre Kinder nicht vergessen sind.

    Das ist alles was ich tun kann. Mich erinnern. Und die Eltern wissen lassen, dass es auch Menschen außerhalb der Kernfamilie gibt, die sich erinnern. Denn die Eltern vergessen nicht.

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