Jasmin Goebel war lange Hausgeburtshebamme, bevor sie zunächst in die Qualitätssicherung beim IQGIT wechselte. Nun ist sie leitende Hebamme in der Havelland-Klinik in Nauen. Über den dortigen hebammengeleiteten Kreißsaal, ihre Vision und die Herausforderungen habe ich mit ihr gesprochen.
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Um denjenigen gerecht zu werden, die sich mit den Worten „Frau“ oder „Mutter“ nicht identifizieren können, obwohl in ihrer Geburtsurkunde „weiblich“ steht, habe ich mich dazu entschlossen, in meinen eigenen Beiträgen „Mutter“ und „Frau“ jeweils mit dem Inklusionssternchen zu versehen. Ihr werdet also Frau* oder Mutter* lesen (falls der Text von mir kommt und nicht von anderen Menschen). Geschlechtergerechte und inklusive Sprache ist mir ein Herzensthema, allerdings ist (meine persönliche und die gesellschaftliche) Entwicklung dazu noch lange nicht abgeschlossen. Mal sehen, wie ich es in Zukunft angehe. Mehr zum Thema liest du unter anderem hier: Sollte ein Geburtsblog geschlechtsneutral sein, Gebären wie eine Feministin und Sex, Gender, Geburten und die deutsche Sprache.
Liebe Jasmin, stell dich doch bitte kurz vor!
Ich bin 45 Jahre und habe nach längerer Bewerbungsphase 2007 einen der damals sehr begehrten Plätze für die Hebammenausbildung in Berlin Neukölln bekommen. Allerdings erst nachdem ich das Fachabitur am OSZ nachgeholt habe.
Ich bin seit 25 Jahren verheiratet und wir haben vier gemeinsame Kinder, wovon zwei bereits erwachsen und ausgezogen sind.
Mit Abschluss des Hebammenexamens war für mich klar, dass ich eine eigene Hebammenpraxis in Wohnortnähe gründen möchte, nicht zuletzt, da sich das dritte Kind am Ende der Ausbildung angekündigt hat. Und weil mein Herz für die 1:1-Betreuung von Gebärenden schlägt.
Gestartet sind wir im Dreierteam mit Beleggeburten und recht schnell kamen aufgrund von Nachfragen auch Hausgeburtsbegleitungen dazu. Zwischen 2011 und 2019 habe ich pro Jahr um die 20 Familien bei ihren Hausgeburten begleiten dürfen.
Um mich fachlich besser für die Begleitung werdender Hebammen aufzustellen, habe ich an einer Hochschule eine Praxisanleiterinnenweiterbildung gemacht. Das Lernen an einer Hochschule hat meinen Wunsch nach einem Bachelorabschluss wieder erwachen lassen. Von 2020 bis 2022 habe ich dann den B.Sc. Hebammenkunde nachqualifizierend in Bochum erworben. Damit entwickelte sich auch meine berufliche Perspektive neu, da sich mein Blickwinkel auf die Ursache der Probleme im Gesundheitswesen und der Hebammerei verändert haben. Dies und die Corona-Krise, die meine Praxis unwirtschaftlich werden ließ, hatten einen erheblichen Beitrag zum Schließen der Praxis im Dezember 2022. Aus diesen Gründen bin ich auch nach einer befristeten Tätigkeiten an der Hochschule sowie in der Erhebung und Auswertung von Qualitätskriterien in der Geburtshilfe dann auch als leitende Hebamme in einen kleinen Kreißsaal gegangen.
Denn wer, wenn nicht Hebammen, die die 1:1-Betreuung intensiv leben und deren Wichtigkeit verstehen, können diese, wie sie durch Familien und auch politisch gefordert wird, in die Klinikgeburtshilfe überführen.
Die Förderung der physiologischen Geburt steht nicht nur im Koalitionsvertrag, sondern auch das „Nationale Gesundheitsziel Gesund Rund um die Geburt“ fordert dies. Um all dies in meiner Tätigkeit als leitende Hebamme qualitativ auf ein gutes Fundament zu stellen, habe ich im April 2023 mit dem Masterstudium Hebammenwissenschaft und Frauengesundheit in Tübingen begonnen, den ich in Teilzeit studiere.
Exkurs: 1:1-Betreuung
(bitte zum Lesen aufklappen)
Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP heißt es dazu:
Wir setzen das Nationale Gesundheitsziel „Gesundheit rund um die Geburt“ mit einem Aktionsplan um. Wir evaluieren mögliche Fehlanreize rund um Spontangeburten und Kaiserschnitte und führen einen Personalschlüssel für eine 1:1-Betreuung durch Hebammen während wesentlicher Phasen der Geburt ein. Wir stärken den Ausbau hebammengeleiteter Kreißsäle und schaffen die Möglichkeit und Vergütung zur ambulanten, aufsuchenden
Geburtsvor- und -nachsorge für angestellte Hebammen an Kliniken.Koalitionsvertrag der Bundesregierung, Seite 67
Im Nationalen Gesundheitsziel Geburt heißt es:
Teilziel 2.3
Die an der Geburt beteiligten Berufsgruppen arbeiten konstruktiv und partnerschaftlich zusammen und gewährleisten eine möglichst kontinuierliche Betreuung.
Du bist leitende Hebamme im Klinikum Nauen. Was machst du da so?
Als leitende Hebamme bin ich Schnittstelle für alles, was organisatorisch und personell mit der Geburtshilfe in der Klinik zu tun hat. Außerdem habe ich ein Konzept zur Hebammenakquise erstellt und habe, wissenschaftlich belegt, zusammengetragen, was Hebammen benötigen, um in der Geburtshilfe zu bleiben oder zurück zu kommen.
Um die 1:1 Betreuung, die meines Verständnisses nach nur durch einen Hebammenkreißsaal umgesetzt werden kann, zu implementieren, habe ich im Februar mein Konzept für das hebammengeleitete und interdisziplinäre geburtshilfliche Zentrum bei unserer Klinikleitung eingereicht.
Das Konzept für das geburtshilfliche Zentrum ist mittlerweile entschieden und genehmigt. Dieses Konzept fußt zum einen auf der Begleitung ausschließlich durch Hebammen, wenn die Geburt regelrecht verläuft, und zum anderen auf einer hebammengeleiteten Wochenbettstation, aus der die Hebammenkollegin in der aktiven Austrittsphase des Kindes in den Kreißsaal abgerufen wird. Dadurch stellen wir bei regelrecht verlaufenden Geburten eine 2:1 Hebammenbetreuung rund um die Uhr sicher und betreuen die Familien während des Aufenthaltes bei uns ganzheitlich aus Hebammenhand.
Im Bedarfsfall sind unsere Gynäkolog*innen und Pädiater*innen aber zu jeder Tages- und Nachtzeit für die Familien da und kommen, wann immer sie benötigt werden, hinzu.
Zusätzlich zum interdisziplinären- und Hebammenkreißsaal planen wir derzeit auch eine hebammengeleitete Wochenstation. Beides ist Bestandteil des Konzeptes aber um die Wochenstation zu eröffnen benötigen wir noch weitere Hebammen, da wir dafür unser Team verdoppeln werden.
Die Hebammen werden dann über beide Abteilungen rotieren, wir werden ein großes Team sein, dass sich für die Familien einsetzt und sie bedarfsgerecht begleitet, solange sie bei uns in der Klinik sind.
Nicht zuletzt bin ich Ansprechpartnerin für die Hebammen in meinem Team. Wir evaluieren unsere Arbeit gemeinsam, führen interdisziplinäre Notfalltrainings durch, weinen gemeinsam, wenn etwas schwierig war, und lachen gemeinsam, wann immer es die Situation zulässt.
Auch in diesem Jahr gibt es einen Geburtsgeschichten-Adventskalender und ein paar Adventsverlosungen. Sei dabei!
Wie war denn die Geburtshilfe in der Klinik organisiert, bevor du dort angefangen hast?
In Deutschland ist es Standard, dass Abteilungen in Krankenhäusern ärztlich geleitet sind. Das ist aus der Perspektive der Pflegeberufe auch sinnvoll, da diese weisungsgebunden arbeiten.
Im Gegensatz dazu steht die Begleitung physiologischer Geburtsverläufe, also regelrecht verlaufende Schwangerschaften, Geburten und Wochenbettbegleitung. Hier handelt es sich nicht um Patient*innen; die Menschen die begleitet werden, sind, anders als in allen anderen Fachabteilungen einer Klinik, nicht erkrankt.
Das stellt eine absolute Ausnahmeerscheinung dar und wird daher in der täglichen Ablaufroutine der Klinikleitungen regelmäßig übersehen. Und genau dieser Zustand herrschte bisher auch in Nauen vor. Ärztlich geleitete Geburtsbegleitung im Kreißsaal, eine ärztlich geleitete Geburtsplanungssprechstunde und die ärztlich geleitete Wochenbettstation. Alles unter der Gesamtleitung des ärztlichen Direktors der Klinik. Eine Berufsgruppe, deren Aufgabe es ist, hilfesuchenden erkrankten Menschen eine Diagnose zu stellen, eine Therapie zu finden und im besten Fall damit zu heilen. Schwangere, Gebärende und Wöchner*innen sind aber in der Regel nicht erkrankt. Sie suchen einen Ort, an dem sie im Bedarfsfall unterstützt werden und sich sicher fühlen, aber im Regelfall aus eigener Kraft und selbstbestimmt gebären.
Und deshalb baust du jetzt den hebammengeleiteten Kreißsaal auf. Was sind deine größten Hürden dabei?
Ich bekomme tatsächlich glücklicher Weise viel Unterstützung. Der Geschäftsführer, dessen Kinder laut eigener Aussage nicht in einer Klinik geboren sind, und die Klinikleitung sind wirklich wohlwollend. Aber ich habe festgestellt, dass ich viel Aufklärungsarbeit leisten musste, weil niemand sich etwas darunter vorstellen konnte, was ein Hebammenkreißsaal bedeutet. Das hat den Implementierungsprozess sehr verzögert, bis die letzte der Verwaltungseben die Beweggründe verstanden hat. Mir ging es immer darum, den Hebammen einen Arbeitsplatz zu schaffen, damit sie sich wohl und gesehen fühlen. Und den Familien den Betreuungsumfang zu bieten, den die Situation erfordert. Was auch immer das für den individuellen Menschen auch bedeuten mag.
Die geburtshilfliche Ausbildung der neuen Assistenzärzt*innen offenbart allerdings eine Hürde, die vorher nicht mitgedacht wurde. Denn in den zu erfüllenden Kriterien zur Fachärzt*in ist die Begleitung von 200 physiologischen Geburten verpflichtend, was auch immer das bedeuten soll. Dass die Begleitung der Geburten der Berufsgruppe der Hebammen unterliegt, wurde hier offensichtlich nicht bedacht. Die Lösung hierfür wird ein Rotationstausch mit einem großen ärztlich geleiteten Kreißsaal, damit auch der ärztliche Dienst weiterhin eine hochwertige Ausbildung erhalten kann. Wie es allerdings dazu kam, dass Hebammen für die Ausbildung von Fachärzt*innen Mitverantwortung tragen, ist eine sehr interessante Frage.
Auch die finanzielle Situation ist eine Hürde, die genommen werden muss. Geburtsbegleitung von regelrechten Verläufen erwirtschaftet nur wenig Gewinn. Wir erhoffen uns aber durch die derzeitigen politischen Entwicklungen und die Entlastung durch Finanzierung von Vorhalten von Personal kann hier hoffentlich für Entlastung sorgen.
Nicht zuletzt kämpfen wir aber auch mit dem Hebammenmangel. Da wir aber eigentlich genügend Menschen zur Hebamme ausgebildet haben, diese sich aber aufgrund von Arbeitsbedingungen aus der Hebammerei verabschiedet haben, hoffen wir, diese mit unseren Arbeitsbedingungen wieder zurück zu gewinnen.
Wie finden denn die Eltern das Konzept, wenn sie das erste Mal davon hören?
Da die Klinikleitung erst Ende Februar die Entscheidung zum hebammengeleiteten und interdisziplinären geburtshilflichen Zentrum final getroffen hat, befinden wir uns ja noch in Babyschuhen. Aber das Interesse auf den letzten Infoabenden für Schwangere war tatsächlich bereits deutlich spürbar. Es gab mehrere sehr konkrete Nachfragen und auch im Nachgang des Infoabends viele Anmeldungen für eine Begleitung bei uns. Da wir aber noch nicht explizit danach fragen, für welche Form der Geburt sich Eltern bei uns anmelden möchten, kann ich nicht sagen, ob sich Eltern auch nur deswegen für uns entschieden haben.
Wir überlegen tatsächlich gerade, ob es nicht sinnvoll ist, die Begleitung im Hebammenkreißsaal zur Regelversorgung bei regelrechtem Schwangerschaftsverlauf zu machen, das Regelhafte also zur Ausnahme und umgekehrt zu machen. Aber das ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht ins Team getragen und daher noch nicht beschlossen.
Außerdem haben wir derzeit einige Hebammen, die überlegen in unser geburtshilfliches Zentrum zu wechseln. Es beginnt sich demnach rumzusprechen, was für mich das Signal ist, dass meine Überlegungen richtig waren und das Konzept angenommen wird.
Verstehe ich das richtig, dass ihr dann einen hebammengeleiteten Kreißsaal und einen Ärzty-geleiteten Kreißsaal habt? Also praktisch 2 Geburtsstationen? Oder ist es eine Geburtsstation, aber mit 2 Systemen?
Räumlich haben wir weiterhin einen Kreißsaal. Organisatorisch werden die Frauen, wenn sie in der 37. Schwangerschaftswoche zum 2. Anmeldegespräch erneut zu uns kommen, in die für diese Geburt geeignete Begleitungsform eingruppiert. Sollte sich im Verlauf der Geburt etwas entwickeln, was die Wahrscheinlichkeit von Risiken erhöht, wird sich mit der Hebammenkollegin und gegebenenfalls mit dem ärztlichen Dienst beraten. Die Ergebnisse aus diesen Beratungsgesprächen werden dann mit der Gebärenden / den werdenden Eltern besprochen. Um die Risiken gut einschätzen zu können, haben wir einen Überleitungskatalog verfasst. Dieser legt fest, an welcher Stelle in jedem Fall in die ärztlich geleitete Geburtshilfe überführt wird. Hier gibt es Kriterien, die bereits in der Schwangerschaft vorliegen, und weshalb die Geburten von vorne herein ärztlich geleitet geplant werden, z.B. wenn die Schwangere einen insulinpflichtigen Diabetes hat oder wenn die Plazenta vor dem Muttermund liegt. Aber egal, wie sich die Geburt im Verlauf entwickelt, der Kreißsaal und die begleitende Hebamme bleibt gleich.
Kann ich mir als Schwangere aussuchen, von welcher Hebamme ich begleitet werde?
Da wir ein kleiner Kreißsaal mit derzeit 350 Geburten pro Jahr sind, haben wir jeweils eine Hebamme im Kreißsaaldienst. Daher besteht keine Wahlmöglichkeit. Denn wir führen auf absehbare Zeit kein Begleitbelegsystem ein. Wir bleiben angestellte Hebammen im Schichtdienst. Ich habe lediglich 1,5 Stellen mehr pro Abteilung genehmigt bekommen als der Standard ist. Also ein hervorragender Stellenschlüssel.
Außerdem haben wir bei der Auswahl des neuen Hebammenteams darauf geachtet, dass die Werte, die unser Konzept ausmachen, von allen gelebt und mitgestaltet werden. So erhoffen wir uns, dass dies auch mit Leben gefüllt und gelebt wird. Wer die Hebamme zur Geburt bereits kennen möchte und dies sicherstellen möchte, kann sich in der Frühschwangerschaft eine Begleitbeleghebamme suchen und mit ihr in dasjenige Krankenhaus gehen, mit dem diese Hebamme einen Vertrag hat. Diese Form der Geburtsbegleitung bieten wir derzeit nicht an, würden dies aber sehr gerne als Zusatzangebot mit in unser Portfolio aufnehmen.
Wie lange bleiben Frauen in der Regel nach der Geburt bei euch auf der Wochenbettstation? Habt ihr die Möglichkeit, die Frauen auch noch länger zu Hause zu begleiten?
Durchschnittlich bleiben Wöchnerinnen bis zur U2 des Kindes. Diese erste Untersuchung durch Kinderärzt*innen kann frühestens 48 Stunden nach der Geburt durchgeführt werden; ebenso wie das Neugeborenenscreening, bei dem das Baby auf Stoffwechselerkrankungen untersucht wird. Daher bleiben Wöchnerinnen mit den Neugeborenen bei uns im Durchschnitt 2-3 Tage; nach komplizierten Verkäufen bleiben sie so lange, bis sich der Zustand wieder verbessert. Manche entscheiden sich aber auch, ambulant zu gehen. Diese Familien verlassen uns vier Stunden nach der Geburt direkt aus dem Kreißsaal. In diesem Fall begleitet das Frühwochenbett dann nach Möglichkeit eine freiberufliche Hebamme.
Wie siehst du die politischen Zentralisierungsplände für die Geburtshilfe? Wie wäre euer Konzept davon betroffen?
Da wir ein kommunaler Träger mit Versorgungsauftrag sind, sehe ich uns derzeit davon nicht betroffen. Wenn es dennoch anders käme, müssten wir uns neu orientieren. Wie das aussehen könnte, wissen wir derzeit aber noch nicht. Wenn eine Mindestmenge auch in der Geburtshilfe Thema werden sollte, wird es auch nochmal spannend. Wir hoffen sehr, möglichst bald durch unser verändertes familienfreundliches Konzept diese magische Zahl zu erreichen, damit es ums nicht ereilt, sollte dies Umsetzung finden.
Wöchtenliche Updates zu neuen Beiträgen
Da wir schon bei der Politik sind: Was wünschen sich denn eigentlich die Hebammen in eurem Kreißsaal an politischen Veränderungen?
Was wir politisch brauen, ist, dass sie uns die Bedingungen schaffen, damit wir die von uns geforderten Ziele auch erreichen können. Es gibt den theoretischen politischen Willen, Physiologie in der Geburtshilfe zu fördern. Aber das Handwerkszeug dazu wird uns nicht mitgegeben.
Es fehlen zum Beispiel Sanktionen für geburtshilfliche Abteilungen, deren Interventionsraten abnorm hoch sind. Oder das Überprüfen leitlinienkonformer Arbeitsstandards. Die Höhe der Vergütung für Geburten, bei denen wir unseren Job gut gemacht haben und Interventionen auf das notwendige Mindestmaß reduziert haben, und als Hebammen im Idealfall in 2:1 Betreuung begleitet haben, ist viel zu niedrig.
Das, was Hebammen unter guter Arbeit verstehen, ist das Beobachten von Verläufen und nur dann in den Geburtsprozess einzugreifen, wenn es medizinisch induziert ist.
Da Krankenhäuser für kranke Menschen sind, Schwangere aber per se erstmal nicht krank sind, haben wir Hebammen mit der Versorgung von gesunden Menschen in Krankenhäusern einfach wirklich einen schweren Stand und sind in aller Regel eine finanzielle Belastung. Wenn wir daran etwas ändern würden, nämlich das Verfahren umkehren und die Physiologie durch gute Entlohnung einer unkomplizierten Geburt fördern würden, wäre der Falschanreiz, aus finanziellen Gründen zu intervenieren, für die Kreißsäle, die derart verfahren, nicht mehr gegeben. Wie arbeiten in unserem Kreißsaal aufgrund des tollen Teams anders. Aber viele Kreißsäle haben derartigen finanziellen Druck, dass sie scheinbar keinen anderen Weg sehen. Das sollten wir meiner Meinung nach zu aller erst ändern.
Und zum Schluss: Gibt es etwas, das du aus deiner Zeit als außerklinische Hebamme vermisst?
Da ich derzeit durch das Studium nicht aktiv in der Begleitung der Schwangeren, Gebärenden und Wöchnerinnen arbeite sondern als Leitung die Prozesse und Veränderungen auf den Weg bringe fehlt mir derzeit genau dieser Aspekt sehr. Das Arbeiten als praktische Hebamme. Derzeit bin ich eine theoretische Hebamme, die forscht, organisiert, regelt und plant. Also eine Hebamme für mein Hebammenteam, aber nicht für Gebärende…
Der Schritt in die Klinik war meiner Meinung nach richtig, da ich so für viel mehr Frauen den Ort schaffen kann, den sich Gebärende für die Geburt wünschen. Solange knapp 94 Prozent der Gebärenden für die Geburt in eine Klinik gehen möchten, ist das die Chance, möglichst vielen Frauen eine Begleitung zukommen zu lassen. Auch die meisten Hebammen möchten im Netzwerk einer Klink arbeiten, was demnach auch hier die größtmögliche Chance ist, für viele Kolleginnen einen Arbeitsplatz zu schaffen, an dem sie gerne und gut arbeiten können.
Jasmin Goebel
Jasmin Goebel arbeitete als außerklinische Hebamme und im Qualitätsmanagement, bevor sie leitende Hebamme der Havellandklinik in Nauen wurde. Ihr Herz schlägt für qualitativ hochwertige Geburtshilfe, die sich an der physiologischen Geburt als Normalfall orientiert.
Katharina Tolle
Wie schön, dass du hier bist! Ich bin Katharina und betreibe seit Januar 2018 diesen Blog zu den Themen Geburtskultur, selbstbestimmte Geburten, Geburtsvorbereitung und Feminismus.
Meine Leidenschaft ist das Aufschreiben von Geburtsgeschichten, denn ich bin davon überzeugt, dass jede Geschichte wertvoll ist. Ich helfe Familien dabei, ihre Geschichten zu verewigen.
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