Christine schreibt von ihrer unkomplizierten Geburt, der Sehbehinderung ihrer Tochter und von den Schuldgefühlen, warum nach einer komplikationslosen Schwangerschaft und guten Geburt ihre Tochter nicht gesund ist. Das Trauma nach der Geburt, ihre Geburtsgeschichte:
28 Jahre lang frage ich mich, warum meine erste Tochter nach einer ganz normalen Schwangerschaft und Geburt dann doch sehbehindert auf die Welt gekommen ist.
Die Verbindung zum Vater dieses Kindes war schon vorher problematisch, eine frühe Fehlgeburt war vielleicht ein Zeichen dafür, es zu lassen. „Jetzt gleich nochmal“,- sagte damals mein Frauenarzt und selbstverständlich war ich mehr als bereit dazu. Es klappte auch bald wieder, ich bettete mich wie auf ein rohes Ei, damit diesmal nichts schief gehen konnte.
2 Tage früher als erwartet überraschte mich um 4 Uhr früh ein leichtes Bauchweh und etwas Blut und ich dachte mir, jetzt geht’s dann schon los. Tatsächlich hat sich mein Kind dann noch ca 14 Stunden Zeit gelassen; diese Zeit war für mich wie ein Dahingleiten und spazieren gehen mit Zwischenstopps, wo die Wehen dann in immer kürzeren Abständen kamen.
Die Presswehen musste ich im Stehen aushalten, damit mein Kind endlich nach unten rutschen würde. Eine Gruppe Studenten waren auch anwesend; ich erlaubte ihnen, dabei zu sein; und dann endlich begab sich meine Tochter auf ihre Reise in die Welt.
Sie wurde jubelnd empfangen (waren ja richtig viele Leute dabei).
Schon nach einem Tag bemerkte ich in ihren Augen, dass Ihre Pupillen silbern waren. Sofort wurde sie mir genommen und ich wartete 3 Stunden auf den medizinischen Bericht. Der Arzt meinte etwas von einer guten und schlechten Nachricht, doch er könne mir nichts sagen, da er nicht zuständig sei.
Nochmal eine Stunde später wurde mir dann mitgeteilt, zuerst die gute Nachricht, es ist kein Tumor, dann die schlechte Nachricht, die Augenlinsen sind nicht ausgebildet und man würde sie mit einem halben Jahr operieren.
Was noch dazu kam: Sie hatte auch links eine Hüftluxation und musste auch ein halbes Jahr eine Gipsschale tragen. Blind und bewegungseingeschränkt, na, ich war wirklich fertig. Dazu kam noch, dass sie meine Brust von Anfang an verweigert hat, ja regelrecht geschrien hat sie, wenn ich sie ihr anbieten wollte…
Meine Ehe war dann auch nach 1,5 Jahren beendet, mein Kind hat noch einige OP’s erdulden müssen, und hat heute ca 15 Prozent Sehkraft dank Brille und Kontaktlinsen.
Ich war immer sehr hart zu meinem Kind, habe sie alles machen lassen, jede Sportart, mit den Worten: „Dort. wo du die grellorangenen Skischuhe siehst, da fährst du nach“. Manchmal war ich zu hart, und doch bestrafte ich mich dabei nur selber.
Heute besprechen wir beide manchmal diese problematische Zeit, meine Panikattacken und das Mobbing, dem sie immer ausgesetzt war, der dicken Brille wegen oder den Sehbehindertenhilfsmitteln.
Ich wollte es nicht so detailliert erzählen, da ja das Thema Geburt ist, doch auch danach kann das Trauma beginnen.
Danke, dass ich es schreiben durfte, es beschäftigt mich nach wie vor und ich weine sehr oft, wenn ich sehe, wie sie sich plagt, und es schwer hat, in der Welt der Sehenden und dennoch so im Leben steht und viel gescheiter ist, als ich ….