Ach, dein Kind kam per Kaiserschnitt? Dann hast du ja gar keine richtige Geburt erlebt.
Zack. Das saß.
Kaiserschnitt ist also keine richtige Geburt? Eine Frau, die — gewollt oder ungewollt — ihr Kind per Kaiserschnitt zur Welt bringt, hat eine andere Geburtserfahrung gemacht als eine Frau, die ihr Kind spontan oder vaginal-operativ zur Welt bringt.
Anders ist aber nicht immer besser oder schlechter. Anders ist auch nicht unbedingt mehr oder weniger wert. Anders ist erstmal nur anders.
Es nutzt überhaupt gar nichts, wenn wir eine Zweiklassengesellschaft aufmachen. Weder in Bezug auf die Geburt noch in Bezug auf das Wochenbett.
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Vergleichen ist normal. Werten ist Mist
Es ist ganz normal, dass wir uns miteinander vergleichen. Wir sind nun mal soziale Wesen und ziehen Befriedigung genauso wie Motivation daraus, wenn wir uns mit anderen vergleichen können.
Problematisch wird es, wenn aus diesem Vergleich eine Wertung wird — und ganz besonders, wenn diese Wertung eindimensional ist.
- Beim 100-Meter-Sprint wird vorher zwischen Männern und Frauen unterschieden. Und dann gilt nur noch eine einzige Dimension: Wie schnell sind die Läufer*innen im Ziel? Ob sie sich dabei ihre Körper kaputt gemacht haben, ob sie sich gut fühlten, ob sie zufrieden sind mit ihrer Renntechnik — all das spielt keine Rolle mehr.
- Dein Baby schläft durch. Meines wacht drei Mal die Nacht auf. Was ist besser? Keine Ahnung. Es gibt so viele Aspekte, die da mit reinspielen. Und letztendlich ist die Frage: Wie wichtig ist es denn überhaupt, dass das Kind durchschläft? Und warum?
- Anna-Elisabeth entschied sich für einen Kaiserschnitt, weil sich der Muttermund nicht weiter öffnete. Hättest du dich auch so entschieden? Oder hättest du den Kaiserschnitt abgelehnt, in der Hoffnung, dass sich der Muttermund doch noch weitete?
- Monis erste Geburt war für sie ein traumatischer Kaiserschnitt. Dabei lief, nach ihrem Verständnis, so ziemlich alles falsch. Als Konsequenz daraus plante sie beim zweiten Kind eine Kaisergeburt.
Oberflächlich betrachtet mag die Entscheidung für besser oder schlechter einfach sein. Doch wir sollten nie vergessen, dass die individuelle Entscheidung stets ein sehr persönlicher Prozess ist. Nicht immer geht es dabei nur um rationale Argumente. Auch Ängste oder persönliche Erfahrungen (die nicht mit einer Statistik übereinstimmen) prägen unsere Entscheidungsmuster.
Und das ist okay so!
Nimm die Entscheidung für einen Kaiserschnitt ernst!
Egal, ob es sich um einen Wunschkaiserschnitt handelt, um einen sekundären Kaiserschnitt in ruhiger Atmosphäre oder um einen Notfallkaiserschnitt — sprich der Frau ihre Erfahrungen nicht ab.
Denn erstens ist ihre Erfahrung ihre eigene Geburtsgeschichte. Und diese verdient es, erzählt, anerkannt und aufgeschrieben zu werden. Und zweitens gibt es auch hier kein grundsätzliches „besser“ oder „schlechter“.
Weder wurden dem Baby durch den Kaiserschnitt Möglichkeiten für sein späteres Leben verbaut, noch sollte sich die Mutter weniger als Frau fühlen, „weil sie keine richtige Geburt erlebt hat.“
Ein Kaiserschnitt ist eine andere Erfahrung. Sie ist aber eine genauso wertvolle Erfahrung wie eine Spontangeburt. Frauen, die einen Kaiserschnitt erlebten, haben andere Wunden, andere Erinnerungen. Und sie lieben ihre Kinder genauso innig, unvoreingenommen und bedingungslos wie Frauen, die ihre Kinder vaginal zur Welt brachten.
Wie gut, dass Kaiserschnitte heute so sicher sind
Ein Kaiserschnitt kann nicht nur Leben retten, ein Kaiserschnitt kann auch in nicht lebensbedrohlichen Fällen die beste Entscheidung für Mutter und Kind sein. Vor ein paar Generationen stand bei einem Kaiserschnitt häufig das Leben der Mutter auf dem Spiel. Es ging darum, immerhin das Kind zu retten. Heutzutage sterben kaum Frauen bei einem Kaiserschnitt. Für diese Entwicklung sollten wir dankbar sein, denn sie versetzt uns in die Lage, einen Kaiserschnitt bereits anzusetzen, wenn es noch früh genug ist, sowohl Mutter als auch Kind zu retten.
Kaiserschnittrate senken
Immer wieder ist die Frage, ob wie die Kaiserschnittrate senken sollten. In manchen Kliniken gibt es mittlerweile mehr Kaiserschnitte als Spontangeburten. Die Frage dahinter ist aus meiner Sicht: Warum entscheiden sich immer mehr Frauen für einen Kaiserschnitt?
Beim Notkaiserschnitt ist ganz klar: Es geht um Leben und Tod. Das medizinische Team rettet durch den Notkaiserschnitt ein Leben.
Aber schon bei nicht dringlichen notwendigen Kaiserschnitten stellt sich manchmal die Frage: War der Kaiserschnitt nötig? Oder hätte es andere Wege gegeben? Welcher Weg wäre dann besser? Ich habe mich bei der Geburt meines ersten Kindes gegen den Kaiserschnitt und für die Saugglockengeburt entschieden. Unser Sohn zog sich einen Schlüsselbeinbruch zu. Hätte ich lieber den Kaiserschnitt wählen sollen? Ich weiß es nicht. Nicht immer ist bereits vorher klar, welche Lösung die bessere ist.
Manchmal stellt sich auch die Frage, ob im Vorhinein alles unternommen wurde, um einen Kaiserschnitt zu umgehen. Dr. Dorothee Struck, Frauenärztin aus Kiel, schrieb dazu vor einiger Zeit in Ihrem Newsletter:
Ja, manchmal ist ein Kaiserschnitt der lebensrettende Schummel-Ausgang und auch eine gute Geburt. Und manchmal völlig unnötig. Vaginaler Geburtsversuch ja oder nein, bei dieser Frage lautet meine Antwort nach der Untersuchung fast immer: „Ja, aber wir müssen zusammen etwas gegen Ihre Fehlhaltung tun, sonst wird das wieder mühsam bis doof.“
Ich werde handgreiflich, richte das Becken aus und animiere die Frauen zur Physiotherapie und fast immer klappt es dann mit der gewünschten normalen Geburt.
Dr. med. Dorothee Struck in ihrem Newsletter vom April 2022.
Und dann gibt es Kaiserschnitte, die vorgenommen werden, obwohl sie vielleicht unnötig waren. Manche Frauen empfinden den Kaiserschnitt später als nicht gerechtfertigt. Sie fühlten sich unter der Geburt in gewisser Weise zum Kaiserschnitt verpflichtet, weil er ihnen vom Personal angeraten wurde. Stand bei dieser Entscheidung wirklich das Wohl von Mutter und Kind im Vordergrund? Oder ging es auch um juristische Absicherung?
Dr. Ute Taschner, Kaiserschnittexpertin, schrieb dazu in einem Interview:
Bisher hängt die Frage der Haftung wie ein Damokles-Schwert über allen, die Geburten begleiten und betreuen. Es ist aus juristischer Sicht sicherer, wenn man interveniert. Abwarten ist dagegen rechtlich immer von Nachteil. Der Druck des Handelns ist unglaublich groß. Das ist ein großes Problem. Dieser hohe forensische Druck auf den Geburtshelfer*innen — egal ob Hebamme oder Ärzt*in — muss sinken!
Dr. med. Ute Taschner, Kaiserschnitt-Expertin im Interview
Auch die Entscheidung für einen Wunschkaiserschnitt fällt in den wenigsten Fällen vom Himmel. Sie entsteht entweder aufgrund von persönlichen Erfahrungen oder aufgrund eines Bildes von Geburt, das uns nur allzu gerne in den Medien vermittelt wird.
Erst der Wandel, dann die Rate
Wer also die Kaiserschnittrate senken will, muss an verschiedenen Punkten ansetzen. Ich werde darüber noch in einem anderen Artikel ausführlich schreiben. Wichtig ist:
So lange die Umstände so sind, wie sie sind, ist die relativ hohe Kaiserschnittrate eine fast schon logische Konsequenz. Das Senken der Rate ist kein Selbstzweck. Im Gegenteil sollte sie Resultat veränderter Bedingungen für die Gebärenden sein.
Eine bessere Betreuung während der Schwangerschaft und unter der Geburt ist genauso wichtig wie eine offene Debatte darüber, was Familien, und besonders Gebärende, wirklich brauchen. Natürlich muss auch die Frage des Geldes geklärt werden: Sowohl aus Sicht der Haftungsverantwortung als auch in Bezug auf Kostenpauschalen für Geburten.
Kaiserschnitte fallen nicht vom Himmel
Obwohl es mancher Gebärenden so vorkommen mag: Kaiserschnitte fallen nicht vom Himmel. Kaiserschnitte finden in einem Umfeld statt, dass diese Entscheidung begünstigt.
Manche dieser Umstände sind prinzipiell positiv: Je sicherer die Kaiserschnitt-Operation statistisch ist, desto eher wird zu ihr als legitimem Mittel gegriffen. Ich glaube kaum, dass sich jemand die Zeiten zurückwünscht, in denen ein Kaiserschnitt häufig tödlich endete.
Manch andere Umstände dagegen unterstützen einen schnellen Entschluss zum Kaiserschnitt, obwohl dieser vielleicht nicht die beste Lösung ist.
Wenn wir also davon überzeugt sind, dass ein Kaiserschnitt nur dann gewählt werden sollte, wenn alle anderen Mittel ausscheiden, darf uns das nicht dazu führen, Kaiserschnitterfahrungen abzuwerten.
Im Gegenteil müssen wir ernst nehmen, welche Bedingungen zum Kaiserschnitt geführt haben und ob dieser unter anderen Bedingungen unnötig gewesen wäre.
Und in jedem Fall gilt: Eine Kaiserschnitterfahrung ist eine vollwertige Geburtserfahrung. Die Gebärende hat ähnliche Emotionen gespürt: Freude, Aufregung, Angst, Unsicherheit, Vertrauen. Und schlussendlich: Liebe. Einer Frau diese Erfahrung abzusprechen wird sie weder zu einer besseren Mutter machen noch dazu beitragen, dass sie bestärkt in ihre nächste Schwangerschaft und Geburt geht.
Lassen wir also die blöden Kommentare weg und hören stattdessen zu. Wie schon Pocahontas sang:
You think the only people who are people
„Colors of the Wind“ aus dem Film Pocahontas. Text von Stephen Schwartz.
Are the people who look and think like you.
But if you walk the footsteps of a stranger
You’ll learn things you never knew, you never knew.
Spielzeugtipp
„Mama, Tom sagt, er wurde aus seiner Mama herausgeschnitten. Geht das? Du hast gesagt, ich bin durch deine Vagina geflutscht.“
Manchmal ist es schwierig, die richtigen Worte zu finden. Manchmal sind wir dankbar, wenn wir etwas am lebenden Objekt erklären können. Wir können Kindern die Kaiserschnittnarbe zeigen. Damit fühlen sich nicht alle Frauen wohl. Manchen hilft ein Spielzeug.
Es gibt verschiedene Hersteller von Puppen, die ein Baby in sich tragen. So können Kinder spielerisch bereits lernen, wie der Nachwuchs zur Welt kommt. Manche dieser Puppen stellen Menschen dar, andere bilden Tiere ab. Es gibt auch Eier, aus denen Reptilien schlüpfen können oder Känguru-Babys im Beutel.
Doch nur wenige Puppen zeigen sowohl einen Kaiserschnitt als auch eine Spontangeburt. Ich habe zwei Wege gefunden, wie du eine Puppe bekommen kannst, die auch Kaiserschnitte berücksichtigt.
Die VBAC-Puppe zum Selberhäkeln
Vielleicht kannst du — anders als ich – häkeln und traust dir zu, eine eigene Puppe nach einer Vorlage zu häkeln. In diesem Fall kannst du über Etsy eine Häkelvorlage bestellen. Das fertige Exemplar sah bei einer Freundin so aus:
Im Etsyshop von LauLovesCrotchet* findest du Anleitungen für die VBAC-Häkelpuppe und viele andere Tiere mit Baby — zum Beispiel Dino, Igel, Elefant, Einhorn, Schwan, Drache und Faultier.
Die fertige VBAC-Puppe
Falls sich dir beim Wort „häkeln“ die Nackenhaare aufstellen wie der Hyäne aus dem König der Löwen beim Wort „Mufasa“, habe ich eine andere Lösung für dich.
Katherine hat eine Puppe entworfen, die sie nun für Mütter anfertigt, die ihren Kindern einen Kaiserschnitt oder auch eine Geburt nach Kaiserschnitt verdeutlichen wollen.
Die Puppe kann nicht nur ein Baby vaginal oder per Kaiserschnitt gebären, sondern es zeigen gibt auch verschieden große Babys — je nach Entwicklungsstand.
Katherine erklärte mir ihre Motivation so (der Text ist auf Englisch. Bei mindestens fünf entsprechenden Kommentaren übersetze ich ihn ins Deutsche):
The main idea came from the need to find a useful tool to explain to my two year old daughter how she was born. In my opinion, playing is the best way for children to learn about the world around them. Thus, the use of a mama doll came up, which can easily show the Cesarean and vaginal birth in one shoot. I was searching for state of the art and references but in all the cases some important points were missing. There were not so many VBAC dolls in the market with my personal requirements. For us the most important points were:
- The possibility to see the gestation baby in progress through a transparent fabric.
- Washable and very very soft to be a good candidate as a comfort or transitional object.
- The design should be simple and symbolic but in accordance with the female anatomy having crucial parts like the placenta and umbilical cord.
- It should be hand-made using respectful materials, even for newborn babies.
- Care actions like breastfeeding or skin-to-skin contact should be built into the design. We accomplished it using safe magnets to breastfeed and hug.
My daughter was actively collaborating with the design and at this point, most of her questions were more or less solved, except for one important . “But mum, how did I grow inside of your belly?“ And here came the big difference between our doll and the rest of the VBAC I found. I prepared three different small babies corresponding to three different gestational stages to explain the progress of the growth inside of the uterus. First called embryo (10 weeks), then fetus or preterm baby (24 weeks), and full-term baby (40 w).
But without me being aware of it, a new tool was added to deal with situations present sometimes as well like miscarriages (which we sadly used a year later after the creation of the first doll), stillbirth or neonatal death.
When I shared with my daughter the prototype ( which she named Paula) the explanation of her birth through an urgent c-section came easily and naturally. Together we saw and touched my scar and at this point we both understood many things. An opened wound started to heal. This was more than an educational doll for kids: for me it was therapeutic.
Und genau deshalb gestaltet sie die Puppen jetzt auch für andere Frauen, denen es wichtig ist, die Vielfalt der Geburtserfahrungen mit ihren Kindern zu teilen.
Rabatt für alle Leser*innen für Katherines Shop
Wenn du eine von Katherines VBAC-Puppen (oder etwas anderes aus ihrem Shop Drapelles) kaufen möchtest, erhältst du 15 Prozent Rabatt auf deine Bestellung. Schreib ihr einfach vor deiner Bestellung eine E-Mail (an drapelles@gmail.com) und gib an, dass du über diesen Beitrag auf ihre Arbeit aufmerksam geworden bist.
All ihre Puppen findest du in Katherines Etsy-Shop: Drapelles*.
Außerdem kannst du ihr auf Facebook oder Instagram folgen.
Deine Meinung
Erzähl mir gern von deinen Erfahrungen. Hattest du einen Kaiserschnitt? Wie sind die Menschen in deinem Umfeld damit ungegangen? Und wie war die Erfahrung für dich selber?
2 Gedanken zu „Wer vaginale Geburten fördern will, muss Kaiserschnitte ernst nehmen (+ Spielzeugidee für Kinder)“