Unsere Gesellschaft ist nicht gemacht für arbeitende Mütter — Gastbeitrag von Sascia Wegner

Arbeiten und Mutter sein — das sollen wir, aber das System bremst uns dabei uns. Darum geht es im heutigen Gastbeitrag von Sascia, die auf meinen Gastbeitragsaufruf reagiert hat.

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Um denjenigen gerecht zu werden, die sich mit den Worten „Frau“ oder „Mutter“ nicht identifizieren können, obwohl in ihrer Geburtsurkunde „weiblich“ steht, habe ich mich dazu entschlossen, in meinen eigenen Beiträgen „Mutter“ und „Frau“ jeweils mit dem Inklusionssternchen zu versehen. Ihr werdet also Frau* oder Mutter* lesen (falls der Text von mir kommt und nicht von anderen Menschen). Geschlechtergerechte und inklusive Sprache ist mir ein Herzensthema, allerdings ist (meine persönliche und die gesellschaftliche) Entwicklung dazu noch lange nicht abgeschlossen. Mal sehen, wie ich es in Zukunft angehe. Mehr zum Thema liest du unter anderem hier: Sollte ein Geburtsblog geschlechtsneutral sein, Gebären wie eine Feministin und Sex, Gender, Geburten und die deutsche Sprache.

Unsere Gesellschaft ist nicht gemacht für arbeitende Mütter. Und erst recht nicht für Selbstständige.

Doch lass mich am Anfang beginnen.

Festanstellung wegen Kinderwunsch

Nach meinem Studium schlitterte ich in meine erste Selbstständigkeit. Mit viel Leidenschaft. Und ohne Sinn oder Verstand. Dementsprechend lief das Geschäft. Bis ich entschied – auch mit Blick auf meinen künftigen Kinderwunsch – wieder in eine Festanstellung zu gehen.

Die gefühlte Sicherheit, einen Arbeitgeber und ein geregeltes Einkommen zu haben, eine vernünftige Berechnungsgrundlage für Elterngeld. Einen Ort, an den ich nach der Elternzeit zurück kehren könnte. All das klang verlockend.

Buchtipp: Love and Money

(bitte zum Lesen aufklappen)

Du fragst dich auch, wie das mit dem Elterngeld sein wird und wie das Geld langfristig am besten verteilt wird?

Meine Buchempfehlung ist von Marielle und Mike Schäfer: Love and Money*.

Die Zeit verging und wir begannen, an Baby Nummer 1 zu arbeiten. 15 Monate hat der kleine Fratz für seine Zeugung gebraucht. Ich weiß, dass ist nicht sooo lang. 

Doch es waren 15 Monate, die die Welt veränderten. 

Denn ich kam im März 2020 schwanger aus dem Urlaub zurück. In ein Deutschland, das quasi leergefegt war. Und noch während meines Jetlags rief mich mein damaliger Chef an. „Das Team wird aufgelöst. Das Unternehmen gibt es de facto nicht mehr.“

Foto von Ron Lach

So viel zum Thema Sicherheit.

Schwanger und arbeitslos: Freelancerin!

Ich war schwanger und arbeitslos. Mitten im Lockdown. Die Menschen verloren reihenweise ihre Jobs. Also machte ich eine private Weiterbildung und wollte es nochmal als Freelancerin versuchen. Ich wusste inzwischen einiges mehr über Unternehmertum. Es war dennoch sehr naiv.

Und eine Flucht nach vorn. 

So schnell war mir noch nie die Puste ausgegangen. 

Pause in der Schwangerschaft, Tatendrang mit Kitabeginn

Ich drückte also auf Pause. Entschied mich, meine Schwangerschaft zu genießen. Und dann für mein Baby da zu sein. 

Als mein Engel mit einem guten Jahr in die Kita kam, sprühte ich vor Ideen und Tatendrang. Ich legte wieder los. Feilte an meiner Positionierung, meiner Marke und meiner gesamten Selbstständigkeit. Stück für Stück krempelte ich alles um und entwickelte ein Business, dass mich aus der Masse herausholte und sich in mein Leben integrierte. Das war im Frühjahr 2022. 

Im Sommer 2022 wurde ich wieder schwanger. 

Und die Geschichte wiederholt sich. Klar, ohne Kündigung. Dafür auch ohne Elterngeld (denn ich hatte noch kein Einkommen generiert). Wieder gab ich ich Vollgas. Wollte noch etwas reißen, bevor Baby Nummer 2 wieder alles aufmischen würde. 

Diesmal ging mir die Puste nicht aus. Es war mehr als eine Flucht. Es ist einfach mein Weg. 

Diesmal verlief die Schwangerschaft nicht ganz so sorgenfrei. „Zu viel Belastung. Gönnen Sie sich so viel Ruhe wie es geht“, meinte meine Ärztin. Ist gar nicht so leicht, wenn da ein knapp Zweijähriger um einen herumwuselt… 

Also ging ich vom Gas. Machte nur noch so viel, dass ich nicht verrückt wurde. Ich verschwand wieder von der Bildoberfläche und entwickelte „nur“ meine Ideen weiter. Mein Einkommen = 0. 

Dann kam unser Sonnenschein auf die Welt. Etwas zu früh. Winzig klein und federleicht. Aber gesund und munter. 

Eine andere Mutter sagte mal zu mir: „Das erste Kind stellt Deine Welt auf den Kopf. Das Zweite zerreißt Dich. Ab dem Dritten läuft es dann.“ Ob ich das mit dem dritten Baby herausfinden möchte? Glaub ich nicht. 

Einkommen kaum größer als 0

Denn mittlerweile arbeite ich seit vier Jahren an meinem Business. Und mein Einkommen ist kaum größer als 0. Beruflich stehe ich irgendwo da, wo ich vor 3,5 Jahren stand. Zumindest, wenn ich nur auf die harten Fakten schaue. 

Meine Familie unterstützt mich. Mein Mann tut alles, was ihm möglich ist, damit ich an meinem Business, meinem Traum arbeiten kann. 

Kinder bekommen ist Privatsache

Doch die Gesellschaft? Die Politik? Nada. Kinder bekommen ist Privatsache. Mutterschutz und Elternzeit quasi Urlaub. Ich durfte mir mal anhören, dass Elterngeld 60% vom Einkommen seien, die man fürs nicht-Arbeiten erhalte. 

Ganz nebenbei: Das sind 168 Stunden nicht-Arbeiten pro Woche! Mehr als vier Vollzeit-Jobs. Windeln wechseln, füttern, trösten, spielen, unterrichten, einfach immer da sein… Privatvergnügen. Für unsere Leistungsgesellschaft scheinbar nicht relevant. Trotz Fachkräftemangel und Rentenengpässen. Wofür braucht unsere Gesellschaft da Kinder? Oder Menschen, die bereit sind, welche zu bekommen? 

Zurück zu meiner Geschichte:

Es ist tatsächlich einfacher (von zu Hause aus) zu arbeiten, wenn man ein 5 Monate altes Baby hat, als mit einem 15 Monate alten Kleinkind. Kind in die Trage und ran an den Schreibtisch. Kein großes Thema, wenn man das möchte. Doch mein Sonnenschein wiegt inzwischen über 10 Kilogramm und will durch die Gegend laufen. Mit mir spielen und die Welt erkunden. Das heißt, im Moment arbeite ich etwa zwei Stunden während seines Mittagsschlafs. Außer, Omi ist da. Dann geht etwas mehr.

Für die Kita haben wir ihn vor Monaten angemeldet. Auf die Warteliste für einen unterjährigen Platz gesetzt. Keine Chance. Diese Hoffnung habe ich inzwischen aufgegeben.

Ich scharre mit den Hufen

Zumindest bekommt er im Herbst einen Platz. Und ich stehe in den Startlöchern. Scharre mit den Hufen. Will losrennen. Und muss irgendwie mit den Ministeps klar kommen, die ich gerade leisten kann. 

Und noch während ich die letzten Sätze schreibe, taucht der Gedanke in mir auf. Die Mami in mir ist entsetzt: Was ist das für eine Kultur, eine Gesellschaft, die mich als Mutter so sehr auf meine Arbeit fokussiert, dass die restlichen 166 Stunden, in denen ich für meine Kinder alles gebe, nicht zählen? Das meine „privaten Leistungen“ keinen Wert hätten?

Ich liebe meine Arbeit. Sie ist wichtig für mich als Frau und auch wertvoll für die Gesellschaft. Davon bin ich fest überzeugt. Und für meine Kinder gilt das auch!

Das ist meine Geschichte. Sie ist noch lange nicht zu Ende. 

Dass Du sie bis hier gelesen hast, lässt mich hoffen. Darauf, dass unsere Gesellschaft sich wandelt. Weiterentwickelt. Hin zu einer Gemeinschaft, die Kinder feiert. Und Familien und Mütter unterstützt. 



Über Sascia

Sascia Wegner

Sascia Wegner ist Mutter zweier Kinder und verheiratet.  

Als Brand Fetischistin arbeitet sie als Mentorin und Coach für ihre Kund:innen, um die eigene Marke selbst zu entwickeln. Ihre wichtigste Motivation und der wichtigste Wert in ihrem Leben ist die Selbstbestimmung und -Verwirklichung für Alle.

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Katharina Tolle

Wie schön, dass du hier bist! Ich bin Katharina und betreibe seit Januar 2018 diesen Blog zu den Themen Geburtskultur, selbstbestimmte Geburten, Geburtsvorbereitung und Feminismus.

Meine Leidenschaft ist das Aufschreiben von Geburtsgeschichten, denn ich bin davon überzeugt, dass jede Geschichte wertvoll ist. Ich helfe Familien dabei, ihre Geschichten zu verewigen.

Außerdem setze ich mich für eine selbstbestimmte und frauen*-zentrierte Geburtskultur ein. Wenn du Kontakt zu mir aufnehmen möchtest, schreib mir gern!

Foto von Katharina

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