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Unangemessene Sprüche zur Geburt gibt es viele. Vor einiger Zeit habe ich dazu einen Gastbeitrag auf liebeundsprueche.com veröffentlicht. Die Seite gibt viele Ideen zu Sprüchen und Geschenken. Manche davon mag ich, aber viele andere finde unpassend. Das ist natürlich meine persönliche Meinung — aber dennoch fand ich den Beitrag wichtig, um zu zeigen: Nicht alles, was nett gemeint ist, wird auch so aufgenommen.
An dieser Stelle findest du nun die überarbeitete Version des Beitrags.
Sprüche für’s Leben
Es gibt Sprüche, die uns ein Leben lang begleiten. Wir hören sie ein einziges Mal und wissen: Diese Wahrheit werde ich für immer tief in meinem Herzen tragen.
So ging es mir zum Beispiel mit dem Spruch: Mütter sind wie Knöpfe. Sie halten die Dinge zusammen.
Mein Bruder hatte meiner Mutter irgendwann einen Teelichthalter geschenkt, auf dem der Spruch stand. Ich war damals zum Studium ausgezogen und sah meine Eltern nicht häufig. Der Spruch prägte sich dennoch in meinen Kopf ein wie ein Lieblingslied.
Ich nutzte ihn seitdem häufig auf Glückwunschkarten und in Nachrichten. Und dann irgendwann kam der Moment, in dem eine Freundin mir zurückschrieb, wie doof sie den Spruch fand. “Der Knopf ist wertlos ohne das Kleidungsstück. Ich will aber als Mutter nicht nur wertvoll sein, wenn ich meine Familie zusammenhalte. Ich will als eigenständiger Mensch wahrgenommen werden.”
Autsch. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Natürlich hatte sie Recht. Natürlich stimme ich ihr voll und ganz zu, dass jeder Mensch wertvoll ist – auch ohne die soziale Rolle, die die Person einnimmt.
Gerade ich als Feministin hätte doch verstehen müssen, dass der Spruch vielleicht gar nicht so gut ankommt.
Ein ganz anderes Beispiel passierte einer Schulfreundin. Bestimmt kennst du den Spruch: “Ist eure Katze gestorben?”, wenn jemand komplett schwarze Kleidung trägt. Naja, sie fragte einen Freund genau das. Nein. Die Katze lebte; seine Urgroßmutter war verstorben. Er hat ihr den Spruch zwar nicht übel genommen, aber sie wäre am liebsten vor Scham in Grund und Boden versunken.
Sprüche sind also manchmal heikel. Das sollte uns zu denken geben.
Manche Sprüche gehen nie klar
Das sind eigentlich die einfachsten Sprüche. Parolen rechtswidriger Vereinigungen sind genauso klare Fälle wie Beleidigungen ganzer Volksgruppen. Du weißt schon, das N-Wort oder die übliche Begrüßung im nationalsozialistischen Deutschland sind so weit unter der Gürtellinie, dass wir darüber gar nicht sprechen müssen.
Manche Sprüche werden nur von bestimmten Gruppen genutzt
Ich habe vorhin bereits schon mal das N-Wort angesprochen. Und ja, für mich ist es absolut verboten. Es gibt allerdings People of Color, die sich selbst mit diesem Wort bezeichnen und es dadurch zur Selbstermächtigung nutzen.
So ist das bei vielen anderen Worten auch: Wenn du selbst zur entsprechenden Gruppe gehörst, ist es okay, zur Beschreibung dieser Gruppe Worte zu nutzen, die für andere Personen die Übertretung der roten Linie bedeuten. Vielleicht hast du die Diskussion um Robert Habecks „Indianerehrenwort“ mitbekommen.
Wenn du dir nicht sicher bist, ob der Gebrauch eines Wortes verletzend ist, lass es lieber bleiben.
Sprüche funktionieren nur, wenn wir in einer ähnlichen Situation sind
Wenn du und ich einen ähnlichen Hintergrund haben, wir auf ähnliche Erfahrungen zurückschauen und wir uns in einer ähnlichen Situation befinden, funktionieren Sprüche gut. Denn wir sehen den Spruch dann aus einer ähnlichen Perspektive. Wenn ihr also das Pärchen schon lange kennt, könnt ihr auch außergewöhnlichere Sprüche zur Hochzeit nutzen. Sonst bitte nicht.
Denn nur, wenn wir die Welt durch eine ähnliche Brille sehen, verstehen wir den Spruch auch ähnlich.
Sprüche rund um Geburten: Die Top Ten der unangebrachtesten Sprüche rund um Geburten
Im folgenden stelle ich dir meine persönliche Rangliste der zehn unangebrachtesten Sprüche rund um Geburten vor.
Platz 10: Dir sieht man ja gar nicht an, dass du schwanger warst
Im ersten Moment scheint der Spruch ganz nett: Ha, mein Körper sieht aus wie vor der Schwangerschaft. Ich finde den Spruch trotzdem mies. Denn er signalisiert allen anderen Frauen, denen es nicht so geht: Du bist nicht am Ziel! Du hast zwar jetzt dein Baby, aber wie kannst du es wagen, noch nicht wieder deinen Vorschwangerschaftskörper zu haben!
Darüber hinaus sollten wir uns als Gesellschaft doch fragen: Ist dieses Ziel überhaupt erstrebenswert? Warum darf ein Körper nicht danach aussehen, als hätte er vor kurzem ein Kind zur Welt gebracht – obwohl genau das passiert ist?
Platz 9: Ist da wirklich nur ein Kind drin, bei dem dicken Bauch?
Ja, manche Frauen haben dicke Schwangerschaftsmurmeln. Daran ist nichts falsch. Und die Wertung, ob in diesen Bauch denn nun nur ein Kind passt oder gleich mehrere, sollten wir ruhig der Gebärenden überlassen. Die Größe des Babybauchs steht nämlich nicht in direktem Zusammenhang zur Anzahl der Säuglinge.
Platz 8: Das Kind sieht euch gar nicht ähnlich
Ein paar Wochen nach der Geburt unsers Ältesten ging ich zum Rückbildungskurs. Ich hatte ihn vorher gestillt; er schlief friedlich im Kinderwagen. Und damit das so blieb, ging mein bester Freund — und nicht Vater des Kindes! – mit ihm spazieren. „Ach, der sieht ja aus wie Sie“, bekam er im Park gleich von zwei älteren Damen zu hören. Er lächelte und ließ den Irrtum einfach unaufgeklärt. „Sonst hätten die mich noch wegen Kindesentführung angezeigt“, meinte er später.
Ja, manche Babys sehen ihren Vätern sehr ähnlich. Oder ihren Müttern. Genauso viele Babys sehen aber auch einfach nur aus wie Babys – und weisen keinerlei Ähnlichkeit mit ihren direkten Verwandten auf. Na und? Die Zeiten, in der Kinder aussehen müssen wie ihre Eltern, um die Familienzugehörigkeit zu bestärken, sollten lange vorbei sein. Gerade wenn wir Regenbogenfamilien und Patchworkfamilien als normalen Bestandteil unserer Gesellschaft akzeptieren wollen, sollten wir diesen Spruch ganz schnell aus unserem Repertoire streichen.
Platz 7: Beim nächsten Mal wird es dann hoffentlich ein Junge
Oder natürlich auch: Beim nächsten Mal wird es dann hoffentlich ein Mädchen.
Jep, so bekamen wir es auch zu hören, als ich erzählte, dass ich kurz nach der Fehlgeburt zum vierten Mal schwanger war. Denn wir hatten ja „schon zwei Jungs“.
Aus diesem Spruch geht hervor, wie sehr wir immer noch das Geschlecht eines Babys mit bestimmten Eigenschaften verbinden. So ein Blödsinn. Der Spruch sagt nicht nur: Das Baby hat das falsche Geschlecht, also müsst ihr noch eines machen, um das wieder auszugleichen. Der Spruch ist außerdem übergriffig, weil er voraussetzt, dass es ein nächstes Kind geben wird. Dabei haben wir da als Familienangehörige oder Freund*innen überhaupt kein Mitspracherecht.
Platz 6: Jetzt ist aber Schluss, oder?
Als ob irgendjemand ein Wörtchen mitzureden hätte bei der Familienplanung. Egal, wie viele Kinder wir haben: Irgendjemand wird immer sagen, dass es mindestens eines zu viel oder zu wenig ist.
Der Spruch sagt letztendlich aus: Ich bin der Meinung, ihr habt jetzt genügend Nachwuchs in die Welt gesetzt. Und weil meine Meinung die einzig richtige ist, stelle ich euch die rhetorische Frage, ob das denn nun das letzte Baby war.
Oho, das kann nur in die Hose gehen.
Platz 5: PDA – du hast ja geschummelt
Es gibt bei Geburten kein Schummeln. Die PDA ist ein Hilfsmittel, deren Gebrauch das Recht der Gebärenden ist. Es gibt aus medizinischer Sicht ebenso Gründe für eine PDA wie auch dagegen. Oder, wie Gitanjali es ausdrückte:
„I have nothing to prove to anyone“
Gitanjali Moore im Interview auf Ich Gebäre
Doch eines ist eine PDA nur überhaupt nicht: Eine Schummelei.
Platz 4: Kaiserschnitte sind keine echten Geburten
In gewisser Weise ist das die Steigerung zu Platz 5. Wieder geht es darum, den Geburtsmodus abzuwerten. Egal, ob es sich um einen Notkaiserschnitt handelt oder um einen Wunschkaiserschnitt oder um irgendwas dazwischen: Kaiserschnitte bedeuten ein anderes Erleben der Geburt. Doch die Erlebnisse sind genauso echt wie vaginale oder vaginal-operative Geburten. Und das heißt: Es ist eine extrem übergriffige Idee, der Frau ihre Geburtserfahrung abzusprechen, weil sie ihr Kind mittels Kaiserschnitt gebären möchte oder gebar.
Platz 3: Hausgeburten sind unverantwortlich
Es gibt Situationen, in denen ein Krankenhaus die sicherere Wahl des Geburtsortes ist. Und es gibt Situationen, in denen eine außerklinische Geburt die bessere Wahl ist. Doch viele Menschen treffen die Aussage pauschal: Hausgeburten seien, so die Meinung, immer unverantwortlich. Dabei vergessen wir eine Sache: Eine Mutter wird immer die Option wählen, die für ihr Kind die beste ist. Wenn eine Frau sich gegen ein Krankenhaus entscheidet, tut sie das nicht, um ihrem Kind oder sich zu schaden. Sie tut es, weil sie davon überzeugt ist, dass es in ihrem Fall die sicherste Lösung ist.
Platz 2: Stell dich nicht so an. Das haben schon Milliarden Frauen vor dir überlebt
Was für eine Relativierung von persönlichen Erlebnissen! Ja, es haben schon sehr viele Frauen Kinder bekommen. Für manche war es wunderbar, für andere sehr schlimm. Und für viele irgendetwas dazwischen.
Doch was Milliarden anderer Frauen jeden Tag erleben, bedeutet nicht, dass mein persönliches Erlebnis dadurch weniger wert wäre. Wenn eine Frau “sich anstellt”, bedeutet das: Es geht ihr nicht gut. Und das heißt, dass wir empathisch sein sollten. Wir sollten nachhorchen, was los ist. Am Allerwenigsten sollten wir ihr sagen, sie solle sich mal nicht so anstellen.
Platz 1: Du bist doch noch jung. Du kannst noch mehr Kinder bekommen
Wenn eine Frau ein Kind verliert, ist das schlimm. Wenn wir sagen “du kannst doch noch mehr Kinder bekommen”, implizieren wir damit, dass wir ein Kind durch ein anderes ersetzen könnten. Und das ist nun wirklich das böseste Negativbeispiel für Sprüche rund um die Geburt, das mir je begegnet ist. Selbst wenn sie jung ist und ihr Körper noch weitere Kinder bekommen kann, betrauert sie gerade den Verlust ihres Kindes.
Wenn du nicht weißt, was du sagen sollst, sag einfach nichts und nimm sie in den Arm. Alles ist besser, als den Verlust des Kindes zu relativieren.
Fazit: Vorsicht mit Sprüchen – egal, wie häufig wir sie hören
Nur, weil ein Satz es als feststehender Spruch in unseren Sprachgebrauch geschafft hat, heißt das noch lange nicht, dass man damit nichts falsch machen könnte. Wenn du also ein Zitat oder einen Spruch auswählst, solltest du dich immer fragen: Warum verstehe ich den Spruch in einem gewissen Licht? Und wie könnte man den Spruch sonst noch verstehen?
Wenn du dir unsicher bist, ob ein Spruch gut ankommt, gilt deshalb: Sei lieber weniger kreativ und stoße damit auch weniger Menschen vor den Kopf. Es muss auch nicht zwingend ein Spruch sein. Persönliche Worte kommen oft besser an als ein halbherzig ausgewählter Spruch. Wenn du dir die Mühe machst und einen eigenen Text verfasst, werden es die Empfänger*innen sicher zu schätzen wissen. Führe am besten eine kurze Rechtschreibprüfung durch, damit sich keine blöden Fehler einschleichen.
Bewahre dir deine besonders einfallsreichen Sprüche für diejenigen Menschen auf, bei denen du dir sicher sein kannst, dass ihr beide das gleiche Verständnis davon habt.
Und hinterlass gerne einen Kommentar: Welche Sprüche kommen bei dir gut an, welche gehen gar nicht?
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