Frida Kahlo: Meine Geburt

Schon lange bin ich fasziniert von der mexikanischen Malerin Frida Kahlo. In diesem Beitrag nun möchte ich euch eines der eindrucksvollsten Bilder von Frida Kahlo vorstellen: Meine Geburt.

Ich bin keine ausgebildete Kunsthistorikerin. Es geht mir in diesem Blogpost nicht um einen Beitrag zur wissenschaftlichen oder auch nur kunstaffinen Debatte. Es geht um meinen ganz persönlichen Eindruck vom Bild.

Meine Geburt von Frida Kahlo: Die Fakten

Frida Kahlo schuf das Bild 1932. Sie selbst wurde 1907 geboren, war also zu dieser Zeit 25 Jahre alt. (Fun Fact: Sie wollte gern 1910 geboren sein: Zusammen mit der mexikanischen Revolution.) Ihr Ehemann Diego Rivera hatte sie ermuntert, die wichtigsten Ereignisse ihres Lebens festzuhalten. Das erste Bild dieser Reihe ist „meine Geburt“. Es ist ein Ölgemälde. Im gleichen Jahr malte sie übrigens auch das Bild „Henry Ford Hospital“, in dem es um ihre Fehlgeburt geht. Sie hatte nie lebende Kinder.

„Meine Geburt“ – eine geburtszentrierte Analyse

Über die Frido-Kahlo-Foundation kann ich hier legal ein Foto des Bildes verlinken. Falls du es nicht siehst, überprüf bitte deine Sicherheitseinstellungen.

My Birth 1932 by Frida Kahlo | Oil Painting | frida-kahlo-foundation.org

Hausgeburt

Frida Kahlo wurde im Haus ihrer Eltern, dem blauen Haus in Coyoacán in Mexiko-Stadt, geboren. Das Bild zeigt eine solche Hausgeburt. Es gibt keinerlei medizinische Apparate. Das Bild zeigt außerdem ein relativ großes Bett und ein Gemälde an der Wand. Der Boden ist mit Dielen ausgelegt. So vermittelt das Bild den Eindruck, dass Frida durchaus in eine wohlhabende Familie geboren wurde (was auch tatsächlich der Fall war — auch, wenn die mexikanische Revolution die Familie finanziell belastete).

Ohne Begleitung

Auf dem Bild ist weder Fridas Vater noch eine Hebamme oder andere Frau zur Unterstützung zu sehen. Diese Art der Darstellung ist überraschend. Zwar können wir davon ausgehen, dass in Mexiko auch in der Oberschicht Hausgeburten zu dieser Zeit weit verbreitet waren [bitte gib mir Bescheid, wenn du Daten findest!], doch erscheint es mir relativ unwahrscheinlich, dass Fridas Mutter dabei keinerlei Unterstützung gehabt haben sollte.

Die Darstellung der Mutter

Das Blut zwischen den Schenkeln der Mutter ist deutlich zu sehen. In Zusammenhang mit Fridas recht großem Kopf können wir das so deuten, dass ihre Mutter bei ihrer Geburt große Schmerzen erlitt.

Warum verdeckte Frida auf dem Bild das Gesicht ihrer Mutter? Wollte sie deren Gefühle nicht zeichnen? Wollte sie den Fokus weg von der Mutter hin zu sich selber lenken? In gewisser Weise erinnert mich das an die Objektivierung, die viele Frauen auch heutzutage bei der Geburt erfahren — auch, wenn die Rahmenbedingungen entgegengesetzter nicht sein könnten. Heutzutage wäre der Saal voll von Menschen und Geräten. Die Frau wäre aber vielleicht genauso allein und an den Rand des Geschehens gedrückt wie in Fridas Bild.

Eine Frau, die allein gebiert, wird nur in sehr seltenen Fällen dazu die Rückenlage anstreben. Dennoch ist Fridas Mutter genau so dargestellt. Und das bringt mich zur entscheidenden Frage:

Was wusste Frida, was hat sie sich gedacht?

Wie viel hat ihr Mutter ihr von ihrer Geburt erzählt und wie viel hat Frida sich selber zusammengereimt? Inwieweit wusste sie Bescheid über die Vorgänge bei der Geburt im Allgemeinen und über das, was bei ihrer Geburt geschah, im Besonderen?

Als Frida das Bild malte, war sie 25 Jahre alt, also eine erwachsene Frau. Als gesunde Frau wäre sie zu diesem Zeitpunkt vermutlich bereits Mutter gewesen. So aber wusste sie wohl nur, was sie einerseits in der Schule und andererseits von anderen Frauen lernte. In der Schule lernten die Kinder wohl vor allem, dass Frauen, wie es in der Bibel heißt, unter Anstrengungen Kinder zur Welt bringen. (Ja, in manchen Übersetzungen heißt es auch „Schmerzen“. Dazu schreibe ich in einem eigenen Beitrag nochmal was.)

Was im privaten Umfeld über Geburten erzählt wurde, ist mir nicht bekannt. Wir können allerdings davon ausgehen, dass die Kindersterblichkeit und die Müttersterblichkeit in Mexiko in den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts nicht niedriger war als in anderen Ländern. Insofern stellte die Geburt immer noch eines der größten gesundheitlichen Risiken für Mutter und Kind dar. Es wundert deshalb nicht, dass Frida ihre Geburt malt als etwas, das zwar einerseits kraftvoll anmutet, andererseits aber nicht als die erhebnede Erfahrung für Mutter und Kind daherkommt, die wir uns wünschen.

Dennoch überrascht mich das Bild in gewisser Weise. Frida war nämlich einerseits überzeugte Kommunistin und andererseits nutzte sie in ihren Bildern auch immer wieder prekolumbische Elemente. Die vorkolumbianische aztekische Kultur stellte den Frauen (zumindest denjenigen der Elite) zum einen geburtshilfliche Unterstützung zur Seite. Zum anderen war die natürliche Geburtshaltung die tiefe Hocke. Offensichtlich wusste Frida das nicht oder entschied sich bewusst gegen eine solche Darstellung. Und sollte im Kommunismus nicht die Religion (und mit ihr auch die schmerzliche Geburt) abgeschafft werden?

Je mehr ich mich mit dem Bild beschäftige, umso spannender finde ich es. Es wirft Fragen auf: Fragen über Frida Kahlos persönliches Leben, über die Bedeutung von Geburt und Tot für eine Frau, die wegen Kinderlähmung und Busunfall fast ihr ganzes Leben lang körperlich stark beeinträchtigt war. Dazu kommen Fragen über vorkoloniale Geschichte genauso wie über die Geschichte der Geburtshilfe und der Geburtsmedizin.

Ich stehe hier erst am Anfang und freue mich, wenn du interessante Hinweise und Quellen mit mir teilst.

Frida für zu Hause

Das Gemälde „meine Geburt“ ist meinen Recherchen zufolge momentan im Besitz von Madonna. Du wirst es dir also vermutlich nicht leisten können, es im Original zu kaufen. Ich auch nicht. Ich habe stattdessen ein Poster von Frida Kahlo zu Hause hängen. Bisher war es ein Portraitbild. Nachdem ich diesen Artikel geschrieben habe, überlege ich mir, ob ich stattdessen eines von „meine Geburt“ auftreibe.

Weiterführende Links

Ich bin keine Kunsthistorikerin. Mein Wissen ist lückenhaft und an manchen Stellen overflächlich. Zur Erstellung dieses Beitrags habe verschiedene Quellen genutzt, die ich hier liste.

Was hältst du vom Bild?

Ich bin gespannt auf deine Meinung! Was hältst du allgemein von Frida Kahlos Bildern? Und was hältst du konkret vom Bild „meine Geburt“? Schreib mir gerne einen Kommentar!

6 Gedanken zu „Frida Kahlo: Meine Geburt“

  1. Liebe Katharina,

    Frida Kahlo ist eine Künstlerin, die meine Mama und mich verbindet. Wir lieben sie beide, obwohl wir sonst einen sehr verschiedenen Kunstgeschmack haben. Ich kann also verstehen, dass du sie beeindruckend findest. Warum ich dir die Sache mit mir und meiner Mutter erzähle? Weil meine Mutter die Frau ist, die mich geboren hat. Tatsächlich auch unter Schmerzen. Auch sie schätzt das Bild „Meine Geburt“ sehr. Früher konnte ich damit nicht so viel anfangen. Dafür musste ich erst selbst gebären, um zu verstehen, wie unnatürlich eine Geburt in Rückenlage ist.
    Frida Kahlo hatte ja ein relativ angespanntes Verhältnis zu ihrer Mutter. Ihre Schwester Cristina wurde meines Wissens relativ kurzer Zeit nach ihr geboren und Frida wurde von einer Amme aufgezogen. Begann bei der Geburt schon ein angespanntes Verhältnis? Möchte Frida uns das zeigen? Oder hatte ihre Mutter eine postpartale Depression? Das sind alles Spekulationen. Ich bin ja auch keine Kunsthistorikerin.
    Ich merke aber, ich muss mich mal wieder mehr mit Frida beschäftigen. Mir gefällt der Name übrigens sehr. Ich hätte beinahe so geheißen. Mein einer Sohn hätte den Namen bekommen, wenn er ein Mädchen geworden wäre.
    Liebe Grüße und danke für deine interessanten Gedanken

    Antworten
      • Nach einer kurzen Recherche fand ich diese Arbeit http://othes.univie.ac.at/27965/1/2013-03-13_0326620.pdf#page16 (zuletzt aufgerufen am 25. April um 20:04), in der bestätigt wird, dass Frida von einer Amme aufgezogen wurde. Künstlerisch verarbeitete sie es in dem Bild „Meine Amme und ich“, das sie selbst als eines ihrer stärksten Werke einschätzte (Hayden Herrera: „Frida Kahlo“, Fischer Scherz 1995). Nun genug kunsthistorisches Halbwissen von mir. Liebe Grüße

      • Ah, noch etwas. Interessant ist auch in diesem Zusammenhang, dass Frida immer angab, sie sei 1910 geboren. Dabei war ihre Geburt bereits im Jahr 1907. Möglicherweise wollte sie, dass ihr Leben mit dem modernen Mexiko begann. In zitierten Arbeit findet sich auch, dass man annimmt, dass ihre Mutter psychisch krank war, da sie ihren einzigen Sohn verlor. Es spricht viel für eine Schwierigkeit sich an die kleine Frida zu binden.

  2. Liebe Katharina, da der Blogpost schon 1 Jahr alt ist, hast du vl schon mehr Antworten. Hier – in diesem Artikel in der Emma – findet man einige interessante Hintergründe. Fridas Mutter bekam das Kindbettfieber, eine Amme kam ein paar Mal täglich vorbei sie zu nähren. Ihre Mutter erholte sich schließlich, aber die Genesung dauerte und es war zunächst unsicher ob diese überleben würde. Deswegen stellt die Gebärende eine Tote dar nach der Deutung im Artikel. Mir gefällt dein Zugang gut mit den ‚verdeckten/versteckten Gefühlen‘.
    Liebe Grüße
    Rebecca
    https://www.emma.de/artikel/malerin-die-andere-frida-kahlo-265111

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