Geburtskongresse — ja oder nein?

Meine Rolle beim Online-Kongress Geburt ins Leben

Als ich 2018 meinen Blog ins Leben rief, kannte mich kaum jemand. Damals war es mein Traum, eine Community zu haben, die aktiv ist, viel im Blog kommentiert und meinen Ideen so zu Reichweite verhilft. Damals war es ein Ziel von mir, so bekannt zu sein, dass andere mich für Gastbeiträge oder Interviews anfragen würden. Oder auch für die Teilnahme an Kongressen. Ich dachte: Wie genial muss es sein, so vielen Menschen mein Wissen und meine Erfahrungen mitgeben zu können!?

Und dann, 2023, passierte es: Ich wurde das erste Mal als Speakerin für einen Kongress angefragt. Nina Finken schrieb mich an und fragte mich, ob ich innerhalb ihres Kongresses „Geburt ins Leben“ über Geburtsgeschichten erzählen wollen würde.

Ich habe zugesagt, habe mir diese Erfahrung allerdings auch nicht leicht gemacht.

Abweichende Überzeugungen der Interviewten

Denn nicht mit allen anderen Speaker*innen stimme ich in jedem Punkt überein. Häufig sind es inhaltliche Punkte, in denen wir unterschiedlicher Meinung sind. Eine gute Debattenkultur hält das aus. Doch ich hatte die Befürchtung, dass eventuell auch Menschen beim Kongress sprechen würden, von denen ich mich nicht nur inhaltlich abgrenzen möchte, sondern auch viel grundsätzlicher: Wenn es nämlich um die Frage der rechtsstaatlichen Prinzipien geht.

Das mag absurd klingen, ist es aber nicht. Denn die bedürfnisorientierte Blase, zu der auch selbstbestimmte Geburten zählen, hat immer wieder ein Problem mit Rechtsradikalität und Verschwörungstheorien. Von „ich will das Beste für meine Kinder“ über „Kinder können nur von der leiblichen Mutter liebevoll versorgt werden“ zu „nur heterosexuelle Familien sind wirklich Familien“ ist es nicht weit bis aufs dünne Eis von rechtsradikalen Parolen und transfeindlichen Gesinnungen. Und nein, das ist nicht weit hergeholt. Ich bin in einigen Chatgruppen mit Menschen, die mit Bezug zu Geburten arbeiten, und habe da schon einige Ablehnung für meine Haltung kassiert, dass Genital und Gender nicht immer zusammenhängen… Die eigene Lebensphilosophie als die einzig richtige zu sehen, ist nicht mehr mit demokratischen Werten vereinbar. Demokratie muss Vielfalt und andere Meinungen aushalten.

Die Rolle der Kongressleitung

Meine Leser*innen auf einen Kongress hinzuweisen und sogar daran teilzunehmen, wenn in diesem Kongress Menschen sprechen, die transfeindliche oder rechtsradikale Thesen verbreiten, finde ich ausgesprochen problematisch.

Nina hat meine Sorgen ernst genommen: „Ich sehe es wie du, dass es essentiell ist für eine echte und nachhaltige Förderung von uns allen und der gesamtgesellschaftlichen Gesundheit, dass wir jede Mutter mit ihrer Entscheidung respektieren. Bisher tun das meines Erachtens auch alle Speaker:innen auf ihre Weise, manche mit einer eher spirituellen Herangehensweise und andere eher sachlich“, schrieb sie mir in einer E-Mail, aus der ich hier mit ihrer Erlaubnis zitieren darf.

Bild: Tung Lam

Spiritualität ist nicht für jede Person der richtige Weg, das macht mir aber nichts. Denn Spiritualität an sich bedeutet nicht die Ablehnung rechtsstaatlicher Prinzipien.

Eine Bühne für die Falschen?

Und so habe ich mich entschlossen, am Kongress teilzunehmen, obwohl ich nicht mit jeder Person inhaltlich in allem übereinstimme.

Gebe ich damit diesen Menschen ein Bühne? Ja, vielleicht. Was wiegt also mehr? Dass Menschen auf mich und meine Themen (Feminismus, Selbstbestimmung, das Augenmerk auf systemische Faktoren, Gleichwertigkeit und Einzigartigkeit jeder Entscheidung) aufmerksam werden, oder dass ich meine Leser*innen auf einen Kongress aufmerksam mache, auf dem Menschen sprechen, die beispielsweise nur Alleingeburten als wirklich sinnvoll erachten?

In Ninas Fall habe ich mich für die Teilnahme entschieden. Weil ich Nina als integer betrachte. Auch sie kann nicht alle Speaker*innen komplett durchleuchten; auch ihr kann etwas durchgerutscht sein.

Ob meine Teilnahme am Kongress etwas gebracht hat, kann ich nicht sagen. Finanziell war es für mich nicht der große Wurf, damit hatte ich allerdings auch gerechnet. Reichweitentechnisch hat sich auch nicht viel getan.

Trotzdem haben vielleicht Menschen mein Interview zum Anlass genommen, sich mit ihrer Einstellung zu Geburten zu beschäftigen, sich mit Geburtserfahrungen und strukturellen Problemen auseinander zu setzen.

Und das wäre dann definitiv ein Gewinn.

Der Blick in die Zukunft: Wieder online-Kongresse zu Geburten?

Ob ich in Zukunft noch mal an einem Kongress teilnehme, kann ich noch nicht sagen. Es wird wohl bei Einzelfallentscheidungen bleiben.

Und ob ich meine Teilnahme irgendwann einmal bereuen werde, steht auch in den Sternen.

Zum jetzigen Zeitpunkt ist aber schon klar: Unabhängig vom Kongress selbst ist der Kontakt zu Nina persönlich für mich ein Gewinn. Nicht nur haben wir ein wunderbares Interview geführt, sondern uns auch darüber hinaus viel unterhalten.

Nina ist eine dieser Personen mit einer grandiosen Ausstrahlung und viel Wissen. Ich schätze, das war es auch, was mich überhaupt dazu bewogen hat, am Kongress teilzunehmen: Sie hat mich von sich überzeugt.

Was sagst du dazu?

Deine Meinung ist mir wichtig: Wie stehst du zu Online-Kongressen? Findest du es gerechtfertigt, teilzunehmen, wenn nicht alle Speaker*innen auf deiner Wellenlänge sind?

Ich freue mich auf deinen Kommentar!

2 Gedanken zu „Geburtskongresse — ja oder nein?“

  1. Liebe Katharina.
    Ich verstehe deine Bedenken nicht wirklich. In einem (Online) Kongress geht es meiner Meinung darum verschiedene Menschen zu einem gleichen Thema anzuhören. Dass da nicht jeder Mensch das gleiche sagt und nicht immer 100% mit dem gesagten der anderen übereinstimmt, ist doch da völlig nachvollziehbar. Wenn ja alle dasselbe erzählen würden, bräuchte es ja keinen Kongress. Ich sehe es so, dass wir alle auf unserem Weg sind, jeder Mensch macht seine Erfahrungen, erzählt von seiner Wahrheit. Wer bin ich, dass zu verurteilen? Wenn ich mir einen Kongress ansehe und den/die Speaker*in nicht mag (oder das gesagte), nehme ich nur das mit, was sich für mich stimmig anfühlt oder ich frage mich „was triggert mich daran“? Ich versuche immer die Betrachtung des anderen nachvollziehen zu können, manchmal gelingt es mir, manchmal nicht.
    Manchmal finden es andere nicht toll, was wir machen, dann ist es halt so. Solange ein Mensch auf sein Gefühl vertraut und auf sein Herz hört, kann es meiner Meinung nach nur das Richte sein ?.
    Alles Liebe für dich!
    Michèle

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  2. Eine schöne Frage. Wo beginnt denn Vielfalt?
    Ich muss nicht mit jedem Menschen einer Meinung sein – auch nicht bei einem Kongress. Ich erwarte auch von niemandem, dass er meine Perspektive teilt.
    Mir ist wichtig, zu hören, welche Argumente kommen. Ich liebe es, zu überprüfen, ob die Argumentation logisch ist. Spannend ist doch, dass die Werte meines Gegenübers sichtbar werden.
    Genauso wünsche ich mir, dass mein Gegenüber meiner Argumentation zuhört, sie hinterfragt und wenigstens versucht zu verstehen.
    Anschließend kann jede:r das Gehörte mitnehmen und sacken lassen. Es ist schon öfter passiert, dass sich die Perspektive auf ein Thema verändert hat. Es gibt nicht nur eine Wahrheit.

    Und meine Gedanken zu meiner Community und die Einladung zu Kongressen: Ich bevormunde meine Community nicht. Sie dürfen sich selbst ein Bild machen und ich liebe den anschließenden Austausch und durchaus auch kritischen Gespräche.

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