Engagementsmöglichkeiten für eine selbstbestimmte Geburtskultur

Nicht jeder Mensch kann immer gleich hohes Engagement aufbringen. Deshalb habe ich in diesem Artikel ein paar Ideen gesammelt, was auch mit wenig Energie oder Zeit möglich ist.

Als Service für dich verlinke ich in meinen Beiträgen Produkte oder Dienstleistungen. Manchmal sind das Affiliate-Links. Ich erhalte also eine Provision, ohne dass du mehr zahlst. Affiliate-Links sind mit einem Sternchen (*) gekennzeichnet.

Um denjenigen gerecht zu werden, die sich mit den Worten „Frau“ oder „Mutter“ nicht identifizieren können, obwohl in ihrer Geburtsurkunde „weiblich“ steht, habe ich mich dazu entschlossen, in meinen eigenen Beiträgen „Mutter“ und „Frau“ jeweils mit dem Inklusionssternchen zu versehen. Ihr werdet also Frau* oder Mutter* lesen (falls der Text von mir kommt und nicht von anderen Menschen). Geschlechtergerechte und inklusive Sprache ist mir ein Herzensthema, allerdings ist (meine persönliche und die gesellschaftliche) Entwicklung dazu noch lange nicht abgeschlossen. Mal sehen, wie ich es in Zukunft angehe. Mehr zum Thema liest du unter anderem hier: Sollte ein Geburtsblog geschlechtsneutral sein, Gebären wie eine Feministin und Sex, Gender, Geburten und die deutsche Sprache.

Wie groß ist dein ökologischer Fußabdruck?

Keine Angst, ich will dir kein schlechtes Gewissen machen.

Die Frage nach dem ökologischen Fußabdruck kommt mir immer wieder unter. Seit neustem sogar als Handywerbung:

Installier diese App, sie zeigt dir, wie groß dein CO2-Fußabdruck ist und dann kannst du dich daran machen, den zurückzufahren. 

Bild von Colin Behrens

Abgesehen davon, dass ich immer wieder meine Entscheidungen hinterfrage, wir versuchen, unsere Energieversorgung nach und nach umzustellen und ich mich manchmal wirklich frage, ob es eine gute Idee war, Kinder in diese Welt zu setzen, finde ich diese Werbung ausgesprochen problematisch. Denn: Sie bringt etwas auf die persönliche Ebene, das eigentlich auf der systemischen Ebene angesiedelt werden muss.

Versuchen wir als Familie oder Einzelperson, unseren ökologischen Fußabdruck klein zu halten (z.B. indem wir uns für Stoffis entscheiden), ist das natürlich toll. Doch wir tun dies in einem System, das darauf ausgelegt ist, Energie und Ressourcen zu verbrauchen — egal, ob das nachhaltig ist oder nicht. 

Der ökologische Fußabdruck wurde übrigens erstmals nicht von Greenpeace oder UNEP (dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen) konzipiert, sondern von BP — dem Mineralölkonzern. Frei nach dem Motto: Wir fördern weiter Erdöl, aber machen DIR gleichzeitig ein schlechtes Gewissen. Wenn du eine bessere Welt willst, mach DU sie doch. Und wir bauen unser Unternehmen weiterhin auf Öl auf.  Und das ist ein Problem.

Die Verantwortung für Veränderung auf Einzelne abzuschieben, während systemische Faktoren gleichzeitig den Status Quo verhärten, ist ganz großer Mist. 

Foto von Jason Blackeye

Dass Mineralölkonzerne weiterhin Gewinne machen, liegt am System. Da können wir noch so sehr versuchen, kein Öl zu brauchen. Deshalb habe ich mir auch die App nicht installiert. Ich habe immer mal wieder meinen CO2-Ausstoß berechnen lassen und versuche, ihn zu verringern. Aber ich lebe in einem System, das mir das nicht einfach macht. Wir sind vor ein paar Wochen zum Beispiel mit dem Bus zum Judo gefahren, weil unser Auto in der Werkstatt war. Statt 25 Minuten haben wir 55 Minuten gebraucht. In diesem Fall war das okay, weil noch Ferien waren.

In Schulwochen klappt das nicht, weil der Bus nach Schulschluss erst nach Trainingsbeginn ankommt.  Also entscheiden wir uns fürs Auto. Das System macht es einfach, sich für das Auto zu entscheiden. 

Vermutlich ahnst du, worauf ich hinaus will.



Die Verschiebung der Verantwortung

Die Frage „setzen wir am System an oder verschieben wir die Verantwortung für Veränderung auf Einzelne“ gilt nämlich nicht nur für den Klimaschutz. Sie gilt auch für die Arbeitswelt („dann verhandel doch dein Gehalt besser und schließ den Gender Pay Gap“) und auch für das System, in dem wir Kinder zur Welt bringen. Es ist toll, wenn wir uns individuell möglichst gut auf die Geburt unserer Kinder vorbereiten. Im Optimalfall klappt es dann sogar mit der selbstbestimmten Geburt. Dennoch ist es ein Versuch, das System für diesen einen Einzelfall zu verbessern. Doch am System rüttelt es nicht.

Und genau deshalb kann dieser Ansatz nicht nachhaltig funktionieren. Denn nur diejenigen, die genügend Geld, Zeit und Wissen haben, können diesen Weg überhaupt gehen. Der Rest guckt in die Röhre. Um das zu ändern, müssen wir am System ansetzen. Darauf gehe ich auch in meinem Manifest ein.

Doch ein Buch reicht nicht aus. Ich will mich mehr engagieren. Sowohl ganz konkret mit Angeboten für dich, aber auch gesellschaftlich.

Auf mein Vision Board (also ein Bild mit Zielen) für dieses Jahr habe ich deshalb auch ein Bild von Mother Hood e.V. aufgenommen. Systemische Veränderungen kann ich als Einzelkämpferin nicht erreichen. Mit einer kleinen Gruppe engagierter Menschen vielleicht doch. Und natürlich gilt: Je größer diese Gruppe, umso stärker können wir sein. Falls du also Zeit, Geld und emotionale Ressourcen hast, freue ich mich, wenn auch du bei Mother Hood e.V. (oder einer anderen Initiative) aktiv wirst. 

Falls das gerade nicht passt, mach dir keinen Vorwurf. Auch wenn ich mich wiederhole: Wir alle stecken in einem System, das uns nur bedingt gut tut. 

Exkurs: Susanne Mieraus Neujahrsgruß

(bitte zum Lesen aufklappen)

Um die Frage, wie gut wir uns eigentlich in einem blöden System schalgen, ging es übrigens auch in Susanne Mieraus Neujahrsgruß. Sie will dich ermutigen, nicht noch mehr in Selbstoptimierung zu stecken, sondern anzuerkennen, dass gesellschaftlich gerade viel in die falsche Richtung läuft und du trotzdem ein toller Mensch bist. Ihre Fragen zum Neujahr haben mich sehr berührt, deshalb teile ich sie hier nochmal: Zum vollständigen Text geht es hier.

Also, lass dich nicht runtermachen. Du bist toll. Egal, was andere sagen und unabhängig davon, was als normal gilt. Oft nehmen wir erst wahr, was in unserer Gesellschaft als „normal“ gilt, wenn wir nicht mehr in dieses Normalbild passen. 

Lass dir nicht einreden, mit ein bisschen mehr Selbstvertrauen würde alles automatisch besser. Du bist nicht schuld daran, was alles verkehrt läuft. Und du bist ganz bestimmt nicht allein. 

Gib mit der Geburt deines Kindes das Thema nicht auf!

Wenn du die Kraft hattest, dich für eine selbstbestimmte Geburt einzusetzen, danke ich dir dafür. Es ist nicht selbstverständlich, und deshalb umso wichtiger, dass es Menschen wie dich gibt.

Wenn du diese Kraft nicht hattest: No shame, damn the system!

In beiden Fällen bitte ich dich nun darum: Lass das Thema mit der Geburt deines letzten Kindes nicht fallen. Klar: Du hast jetzt einen anderen Fokus. Babys, Kleinkinder, Familienleben, Vereinbarkeit von Elternschaft und Erwachsenenleben…

So viele Themen, so viele Baustellen.

Und jetzt sollst du dich auch noch darum kümmern, die Geburtskultur hin zu selbstbestimmten Geburten zu verändern. Na danke auch, wirst du dir vermutlich denken.

Doch spätestens wenn deine eigenen Kinder irgendwann vielleicht über Nachwuchs nachdenken, wird das Thema wieder aufkommen. Da wäre es doch wirklich schön, wenn sich bis dahin etwas geändert hätte…

Was also kannst du tun!? Hier kommen ein paar Ideen. Such dir aus, was bei dir gerade passt! Nicht alles ist für alle immer möglich.

Engagementsmöglichkeiten für eine selbstbestimmte Geburtskultur

Hör zu

Okay, wenn du meinem Blog schon länger folgst, überrascht dich das vermutlich nicht: Hör zu. Hör anderen zu, wenn sie erzählen. Und stell ihre Erzählung nicht in Frage. Denn nichts ist schlimmer für eine Person als wenn ihr ihre eigene Geschichte nicht geglaubt wird.

Schau deiner Krankenkasse auf die Finger

Krankenkassen gehen ganz unterschiedlich mit verschiedenen Wünschen rund um die selbstbestimmte Geburt um. Manche bezahlen bestimmte Vorsorgeleistungen, andere nicht. Manche bezahlen eine Rufbereitschaft für eine außerklinische Geburt, andere nur halb oder gar nicht.

Im ersten Babyjahr geht es genauso weiter. Lange nicht jede Kasse übernimmt eine Stillberatung, obwohl die ziemlich sinnvoll wäre.

Deshalb: Wenn eure Krankenkasse anruft und fragt, wie zufrieden du mit ihr bist, frag doch einfach mal nach, welche Leistungen für Schwangere, Gebärende und junge Eltern sie eigentlich anbieten. Und: Wechsel im Zwiefelsfall. Ich hab’s schon mehrfach gemacht, um deutlich zu machen: Mir ist das Thema wichtig genug, um Konsequenzen zu ziehen.

Klar, ich alleine bringe da nicht viel. Viele gemeinsam aber vielleicht schon.

Unterstütz Vereine

Es gbit viele Vereine und Verbände, die sich für eine gebärendenzentrierte, selbstbestimmte Geburt als Standard einsetzen. Sie haben unterschiedliche Schwerpunkte. Vielleicht ist für dich auch etwas dabei.

  • Mother Hood e.V.: Elterninitiative, „Mother Hood setzt sich für sichere Geburten und die Rechte von Frauen und Familien ein! Wir fordern eine bessere geburtshilfliche Versorgung. Eltern brauchen während Schwangerschaft, Geburt und erstem Lebensjahr des Kindes eine auf ihre Bedürfnisse ausgerichtete Begleitung. Sie sollte individuell, achtsam, bestärkend und respektvoll sein. Doch aktuell ist eine gute Versorgung vielerorts nicht gewährleistet. Das können wir nicht hinnehmen!“
  • Normale Geburt e.V.: Hebammeninitiative: „Wir wollen aufrütteln und informieren, denn die Umstände rund um die heutige „moderne“ Geburtshilfe verlangen nach Aufklärung und Umdenken. Wir möchten Frauen und Familien in dieser so wichtigen Lebensphase stärken, damit diese kraftvoll und sicher in das Abenteuer Familie starten können.“
  • Sternenkind-Stiftung: Vereinigung von Sternenkind-Fotografen: „Jedes Leben besteht aus einer Kette von Reisen. Die Länge der Kette können wir allerdings nicht selbst bestimmen. Manche Kette hält wenige Wochen, eine andere ganze Monate und die nächste vielleicht viele Jahrzehnte. Dennoch kann auch eine kurze Kette viele Reisen bündeln. Wir möchten, dass Ihr Kind nicht nur im Gedächtnis bleibt, sondern auch in greifbaren Objekten auftaucht.“
  • Hebammen-Verbände: Es gibt verschiedene Hebammenverbände, die unterschiedliche Schwerpunkte haben: https://hebammenverband.de/ und www.hebammenfuerdeutschland.de/ sind vermutlich die beiden größten Vereinigungen.
  • Doula-Verbände: Es gibt in Deutschland mehrere Vereinigungen von Doulas, die sich in ihren Ausrichtungen etwas von einander unterscheiden. www.doulas-in-deutschland.de/ und www.doula-verbund-deutschland.de/ sind ein guter Startpunkt.
  • Lustgeburt e.V.: „Unsere Vision ist eine Welt, in der alle Menschen frei sind, ihr Potenzial erkennen und es in die friedliche Gemeinschaft aller Generationen einbringen. Durch unsere Verbindung zu unserem Körper und unserer Natur verstehen wir Sexualität und Geburt als wichtigen Bestandteil eines lust- und liebevollen Lebenswegs.

(Diese Liste ist bei weitem nicht vollständig. Wenn du noch mehr Vereine kennst, die sich für selbstbestimmte Geburten einsetzen, gib mir Bescheid!)

Werde Mitglied

Wenn es finanziell drin ist, werde Mitglied in Vereinen, die du unterstützt. Das gibt dieses Vereinen Planungssicherheit für ihre nächsten Schritte.

Spende

Auch eine einmalige Spende hilft den Vereinen, falls es möglich ist.

Verteil Infomaterial

Schreib Vereine an, die du magst, und frag, ob sie dir Flyer schicken wollen. Diese Flyer kannst du bei dir im Ort auslegen — in Geschäften, bei der Post, in der Kita, beim Sport…

Geh auf Veranstaltungen

Besuch öffentliche Veranstaltungen der Vereine.

Frag deine Abgeordneten

Frag doch einfach mal deine Wahlkreisabgeordneten, wie sie dazu stehen, die Wünsche der Gebärenden in den Mittelpunkt zu rücken. Als ich vor einiger Zeit ein Interview mit einem Abgeordneten führte, machte der zum Beispiel deutlich, dass er die außerklinische Geburtshilfe nicht besonders schätzte. Eine Liste der Wahlkreise und der Abgeordneten findest du hier.

Bilde dich weiter

Lies Bücher zum Thema oder Blogs. Geh auf Erzählcafés. Schau Filme. Erweitere dein Wissen über selbstbestimmte Geburten, sodass du Argumente zur Hand hast, wenn du sie brauchst.

Wöchtenliche Updates zu neuen Beiträgen

Fazit: Lass das Thema nicht links liegen

Geburten beschäftigen die meisten Menschen nur selten in ihrem Leben, nämlich wenn sie persönlich betroffen sind. Und das ist Teil des Problems. Denn so fehlt eine starke, bleibende Lobby für selbstbestimmte und frauenzentrierte Geburten.

Mein Appell lautet deshalb: Lass das Thema nicht links liegen. Engagier dich, selbst wenn du keine Schwangerschaft mehr planst. Engagier dich für alle anderen, die noch kommen, für unsere Töchter, Nichten, für alle, die noch Kinder in die Welt setzen werden.

Ich danke dir von Herzen!

Katharina Tolle

Wie schön, dass du hier bist! Ich bin Katharina und betreibe seit Januar 2018 diesen Blog zu den Themen Geburtskultur, selbstbestimmte Geburten, Geburtsvorbereitung und Feminismus.

Meine Leidenschaft ist das Aufschreiben von Geburtsgeschichten, denn ich bin davon überzeugt, dass jede Geschichte wertvoll ist. Ich helfe Familien dabei, ihre Geschichten zu verewigen.

Außerdem setze ich mich für eine selbstbestimmte und frauen*-zentrierte Geburtskultur ein. Wenn du Kontakt zu mir aufnehmen möchtest, schreib mir gern!

Foto von Katharina

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