Einleitung
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In den vergangenen Monaten habe ich daran mitgearbeitet, die Kurse zur Geburtsvorbereitung und zum Wochenbett zu erstellen, die Mother Hood e.V. seit kurzem anbietet. Dabei geht es nicht darum, die hebammengeleiteten Geburtsvorbereitungskurse zu ersetzen, sondern es geht uns darum, sie zu ergänzen — und zwar um die Sicht der Eltern.
Letzte Woche Freitag wurden die Kurse nun in einer Veranstaltung der Öffentlichkeit präsentiert.
Ich durfte dabei sein und berichte von meinen Eindrücken, aber auch von meiner Motivation, mitzuhelfen.
Geburtsvorbereitungskurse von Eltern für Eltern: Unsere Motivation
Geburtsvorbereitungskurse gibt es wie Sand am Meer. Viele Hebammen bieten Kurse an, deren Kosten auch von der Krankenkasse übernommen werden. Mittlerweile gibt es auch zertifizierte Online-Kurse, die ebenfalls über die Kasse abgerechnet werden können.
Mother Hood e.V. hat nach dem Vorbild der kroatischen Eltern-Organisation RODA Informationen zusammengestellt, die die klassischen Geburtsvorbereitungskurse ergänzen. Beim Fachtag wurde deutlich, dass es bisher keine eindeutigen Forschungsergebnisse dazu gibt, unter welchen Voraussetzungen eine bewusste Geburtsvorbereitung das Geburtserlebnis verbessert. Wichtig sei in jedem Fall, dass nicht jedes Angebot zu jeder Person passe. Deshalb muss es viele verschiedene Angebote geben, die den verschiedenen Bedürfnissen der werdenden Eltern oder anderer Personen gerecht werden.
Dr. Katharina Hartmann, eine der Koordinatorinnen des Projekts, bezeichnete die Kurse als Referenzwerke: „Sie beantworten nicht jede Frage, können aber als Ausgangspunkt für eine vertiefende Recherche genutzt werden.“
Besonders wichtig war es dem Kurserstellungsteam, dass der Kurs ehrlich, aber nicht reißerisch sowohl mit angenehmen Themen als auch mit schwierigen Themen umgeht. Wir wollen weder Angst machen noch beschönigen. Da wir davon überzeugt sind, dass informierte Entscheidungen nur möglich sind, wenn es möglichst umfassende Informationen gibt, ist das verschweigen von möglichen negativen Konsequenzen für uns kein gangbarer Weg. Selbstverständlich ist das Recht auf Nicht-Wissen essentiell. Allerdings darf uns die Entscheidung dazu nicht ohne Rücksprache genommen werden.
Ausführliche Kursvorstellungen
Du möchtest genau wissen, was in den beiden Kursen behandelt wird!?
Meine ausführlichen Zusammenfassungen in Infos zu den Kursinhalten findest du hier:
Und so haben wir unsere Kurse als eine Mischung aus Texten, Grafiken und Videos erstellt, in denen wir das erzählen, was in den hebammengeleiteten Kursen häufig zu kurz kommt: Die Sicht von Eltern auf das, was passiert.
Ein paar Beispiele:
- Warum ist ein Geburtsplan sinnvoll und wie gehst du an die Erstellung? (Die meisten hebammengeleiteten Kurse gehen darauf kaum ein; manche Hebammen sehen Geburtspläne bis heute kritisch)
- Welche Hormone gibt es und wie wirken sie im Geburtsprozess?
- Was tun, wenn das Baby kommt, bevor du in der Klinik bist?
- Geburtsphasen aus Sicht der Gebärenden
- Schmerzbewältigung
- Umgang mit Interventionen
- Mythen aus dem Frühwochenbett
- Muttermilchbanken
- Die Rolle der Hebamme im Wochenbett
- Was passiert nach der Geburt im Kreißsaal und auf der Wochenbettstation?
- Gefühlsachterbahn
- Co-Regulation
- Mutterhirn
- Sex nach der Geburt
- Bilder von (perfekter) Mutterschaft
Aus den Fachvorträgen: Eine subjektive Zusammenfassung des Fachtages
Wie du auf dem Einladungsflyer vielleicht schon gelesen hast, gab es verschiedene Vorträge, die ich an dieser Stelle sehr subjektiv zusammenfassen möchte.
Sonia Sampaolo und Dr. Katharina Hartmann: Warum braucht es Onlinekurse von Eltern für Eltern?
Zunächst zeigten die beiden Vortragenden anhand verschiedener Studien, dass die Wirkung von Geburtsvorbereitung bisher nicht ausreichend erforscht ist. Manche Studien vermitteln den Eindruck, dass Vorbereitung eher die Enttäuschung vergrößern könnte. Dabei ist aber unklar, was genau diesen Effekt begünstigt und ob es Wege gibt, ihn zu umgehen.
Sonia und Katharina haben in ihrem Vortrag vermittelt, dass Eltern als „Peer-Group“ einen anderen Zugang zu (werdenden) Eltern haben als Fachpersonal. Unser Kurs geht medizinisch nicht so sehr in die Tiefe, dafür zeigt er authentisch, welche Themen die Eltern wirklich interessieren.
Durch stichprobenartige Einblicke in Videos, Grafiken und Texte konnten die Anwesenden einen ersten Eindruck von den beiden Kursen gewinnen. Besonders gelobt wurde die Barrierefreiheit der Kurse (es gibt eine reine Textversion) und die automatischen Übersetzungen der Video-Untertitelungen über Youtube.
Beide Vortragenden machten deutlich, dass die Kurse von Mother Hood e.V. nur ein weiterer Baustein im Mosaik der Geburtsvorbereitung sind und dass das Projekt mit dem Fachtag keinesfalls abgeschlossen ist: So steht zum Beispiel eine Version in einfacher Sprache ganz oben auf der Wunschliste.
Auch in diesem Jahr gibt es einen Geburtsgeschichten-Adventskalender und ein paar Adventsverlosungen. Sei dabei!
Lisa von Reiche: Verbinden und Verbunden sein: Geburtsvorbereitung aus Hebammensicht
Lisa von Reiche ist freiberufliche Hebamme in Bonn, Gründerin von Hebammen für Deutschland e.V., Mitinitiatorin der Erzählcafé -Aktion und setzt sich für die Anerkennung des Hebammenwesens als Immaterielles Kulturerbe ein.
In ihrem Vortrag machte sie deutlich, dass Hebammenarbeit heutzutage für sie auch immer politische Arbeit sei, denn der Kern ihrer Hebammenarbeit sei der Dienst an den (werdenden) Müttern, also eine Arbeit, die in die Zukunft weist. Sie zeigte, dass die Begriffe „gute Geburt“ und „normale Geburt“ nicht synonym verwendet werden sollten, weil das, was heutzutage als „normal“ bezeichnet wird nicht unbedingt eine gute Erfahrung sei.
Aus ihrer Arbeit berichtete sie, dass sie Geburtsvorbereitung als einen Prozess ansieht, der weit über den offiziellen Kurs hinausgehe. „Jeder Tag der Schwangerschaft kann Geburtsvorbereitung sein“, so Lisa.
Aus ihrer Sicht besteht die Geburtsvorbereitung aus drei großen Bereichen:
- Wissen
- Beziehung
- Körperarbeit
Diese drei Bereiche müssten sich innerhalb der Geburtsvorbereitung ergänzen, wobei nicht alles im selben Kurs oder mit denselben Menschen stattfinden müsse.
Lisa machte deutlich, dass Sicherheit für die Gebärenden und Partner*innen vor allem durch eine verlässliche Erreichbarkeit des medizinischen Personals erreicht werden könne und dass der Beziehungsaufbau zum medizinischen Personal einer der wichtigsten Aspekte der Geburtsvorbereitung sei.
„Und wenn dann eine Schwangere und eine Hebamme nicht zusammenpassen, sollte man das nicht persönlich nehmen“, so Lisa. Im Optimalfall gäbe es dann genügend Ausweichmöglichkeiten.
Lisa von Reiche schloss ihren Vortrag mit dem Apell, dass sich außerklinisch und klinisch arbeitende Hebammen zum Wohle der Gebärenden viel stärker vernetzen müssten. Denn eine gute Zusammenarbeit würde die Geburtserfahrung wesentlich zum Positiven beeinflussen.
Marie Preukschat und Francesca Torrejon: Geburtsvorbereitung – Die Elternsicht
Ein Vortrag von Eltern auf einer Fachtagung? Passt das wirklich zusammen? Für mich war der Vortrag von Marie und Francesca der wichtigste überhaupt.
Denn Geburtshilfe ist nun mal keine theoretische Physik. Geburtshilfe passiert nicht an toter Materie, sondern an Menschen. Aufgrund der besonderen Umstände erleben diese Menschen vieles sogar noch intensiver als sonst.
Und das heißt: Die Entscheidungen, Ideen und Worte von Fachpersonal haben immer direkten Einfluss auf die Eltern und damit auf deren Geburtserfahrungen.
Der Austausch mit anderen Fachgruppen ist richtig und wichtig. Im Publikum befanden sich Fachkräfte aus dem Bereich Hebammenwissenschaften, Gynäkologie, Soziale Arbeit, Psychologie, Stillberatung, Spinning Babies und Bindung. Und eben Eltern (und manche der Babys). Allein dieser interdisziplinäre Austausch ist schon extrem viel wert.
Doch was nutzt er, wenn alles, was besprochen wird, an den Bedürfnissen der Eltern vorbeigeht? Diese sind es schließlich, die den Rest ihres Lebens mit ihren Erfahrungen leben müssen. Die Eltern sind es, in dessen Dienst all diese Fachpersonen stehen.
Marie und Francesca haben eindrücklich erzählt, was passiert, wenn niemand zuhören will, wenn Schwangere nicht ernst genommen werden oder wenn sie Angst haben, offen zu sprechen, weil sie fürchten, dass damit ihre Wunschgeburt unmöglich wird.
Ein paar der stärksten Sätze aus dem Vortrag:
- Ich wollte eine selbstbewusste und gut informierte Schwangere sein. Da hätte es nicht reingepasst, von meinen Problemen zu erzählen.
- Von drei Personen bekam ich drei Meinungen und alle schienen sich nur profilieren zu wollen.
- Ich habe mich eher darauf gefreut, dass das Baby dann da ist. Aber nicht auf die Geburt.
- Ich wollte einfach nur in meinem Gefühl und meiner Wahrnehmung ernstgenommen werden.
Danke, Marie und Francesca, für eure Offenheit und eure klaren Worte.
Nora Imlau: Es ist nicht egal, wie wir geboren werden
Nora Imlau, Autorin zahlreicher Bücher und Mother Hood Botschafterin, sprach über persönliche Erfahrungen und wie diese unsere Wahrnehmung und damit auch unsere Arbeit beeinflussen.
„Jeder Mensch hat über 100 Biases“, erklärte sie. Ein Bias ist eine kognitive Verzerrung. Bestimmt kennst du das: Wenn du selber schwanger bist, siehst du auf einmal überall runde Schwangerschaftsbäuche. Das liegt nicht daran, dass gerade alle schwanger werden, sondern daran, dass sich deine Wahrnehmung dafür geschärft hat. Falls du dir einen Überblick verschaffen willst, empfehle ich den Wikipedia-Übersichtsartikel zu kognitiven Verzerrungen.
Nora zeigte an zahlreichen Beispielen aus ihren eigenen Erfahrungen, dass wir alle dazu neigen, unseren eigenen Blickwinkel als den einzig wahren anzusehen. Dabei vergessen wir aber häufig, dass Menschen mit anderen Lebenserfahrungen dieselbe Situation ganz anders wahrnehmen.
„Manchmal ist gut gemeint nicht gut gemacht“, erklärte sie in Bezug auf die Übertragung der eigenen Lebenswirklichkeit auf andere.
In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass es nicht darum geht, unsere kognitiven Verzerrungen komplett auszuschalten. Menschheitsgeschichtlich haben sie sich entwickelt, weil sie das Überleben vereinfachten. Es geht also viel mehr darum, dass wir uns bewusst werden, dass wir alle diese Biases haben und dass es deshalb gut sein kann, dass unsere Weltsicht eben nicht die Weltsicht und das Erleben anderer Personen abbildet. Dieses Bewusstsein sorgt automatisch dafür, dass wir den Blickwinkel weiten, die Perspektive der anderen zulassen und somit bessere Chancen haben, die andere Person mit ihren Bedürfnissen wahrzunehmen statt sie in eine Scublade zu stecken.
Das Hauptbedürfnis ist, wie Nora es so passend ausdrückte:
Ich will gesehen, angenommen und verstanden werden.
Nora Imlau beim Fachtag von Mother Hood e.V.
Podiumsdiskussion
Den Abschluss der Veranstaltung bildete eine Podiumsdiskussion, in der neben Katharina Hartmann, Lisa von Reiche und Marie Preukschat auch die Gynäkologin Dr. Sarah Kaufmann und das Publikum zu Wort kamen.
Thematisch ging es sowohl um die konkrete Nutzung der von Mother Hood erarbeiteten Kurse (welches Werbematerial braucht es, wer könnte daran Interesse haben, welche Schritte sollten als nächstes getan werden?) als auch um die Quintessenz der Veranstaltung für die Teilnehmerinnen.
Fazit
Donnerstagnachmittag hin. Mitternacht da. Freitag wieder zurück. Mitternacht zu Hause. Und selten habe ich so viel Energie aus einem Fachtag mitgenommen. Die anwesenden Menschen haben mich darin bestärkt, dass eine frauenzentrierte Geburtshilfe möglich ist. Verschiedenste systemische Faktoren führen momentan zu Problemen, doch es gibt ein Interesse daran, diese abzubauen und die Schwangeren und Gebärenden ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken. Wenn das nicht Schlafmangel und schmerzende Füße wert ist, weiß ich auch nicht.
Wöchtenliche Updates zu neuen Beiträgen
Mein persönliches Highlight
Die Veranstaltung war inhaltlich extrem hilfreich. Und es tat gut, die Menschen, mit denen ich mich gemeinsam engagiere, auch persönlich mal wieder zu treffen. Mein persönliches Highlight war, dass ich endlich Anna-Elisabeth treffen durfte, deren Geburtsgeschichten ich aufgeschrieben habe und die ich seit einigen Jahren als Brieffreundin sehe. Nun haben wir uns endlich mal persönlich getroffen — und gar kein Bild davon. Das ist egal. Ich freue mich einfach trotzdem!
2 Gedanken zu „Geburtsvorbereitungskurse von Mother Hood e.V.: von Eltern für Eltern“