Menstruation am Arbeitsplatz — was hat das mit Geburt zu tun?

Während der Schwangerschaft und auch danach haben Frauen keine Menstruation (andere Arten von Blutungen können aber natürlich auftreten). Warum also sollte mich, die ich mich doch mit Geburten beschäftige, das Thema Menstruation am Arbeitsplatz interessieren?

Ganz einfach: Zum einen geht es diesem Blog ja auch um feministische Gesellschaftskritik (ganz konkret, aber auch eher philosophisch, wie dieser und dieser Beitrag zeigen); und zum anderen bin ich als Schreiberin dieser Zeilen selbstverständlich von der Menstruation am Arbeitsplatz betroffen. Viele Frauen, die in der Geburtshilfe tätig sind, kennen die Situation natürlich ebenso. Nachdem ich diesen Beitrag schon lange so oder so ähnlich schreiben wollte, gibt mir Anne Lippolds Blogparade „Menstruation am Arbeitsplatz“, über die du hier mehr erfahren kannst, endlich den Tritt in den Hintern, das auch umzusetzen. Ich bin gespannt, wie viele Beiträge Anne unter dem Hashtag #menstruationamarbeitsplatz zusammenbekommt! Anne findest du übrigens auch unter #fraulichkeit.

Du bist Betroffene(r), Beobachter, Kritiker, Befürworter oder Guru?
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Perfekt! Dann mach mit bei dieser Blogparade!

Anne Lippold von www.fraulichkeit.de

Inhaltsübersicht

Der Umgang mit der Mens, ganz besonders in der Öffentlichkeit, lässt sich vielfach auch übertragen auf das Schwanger-Sein und die Geburt.

Und so möchte ich in diesem Beitrag auf folgende Themen eingehen:

  1. Meine persönliche Erfahrung
  2. Was ich daraus gelernt habe
  3. Was das alles mit Geburten zu tun hat
  4. Mein Wunsch an den Flaschengeist
  5. Da der Flaschengeist Urlaub hat…

Meine persönliche Erfahrung

Schulzeit: Lästige Blutung

Ich hatte meine Menstruation das erste Mal, als ich elf Jahre alt war. Blöd gelaufen. Wer braucht schon eine Monatsblutung in dem Alter? Das mit dem Kinder-kriegen hatte schließlich noch ewig Zeit.

In den ersten Jahren war die Blutung vor allem lästig. Klar habe ich mit der weiblichen Verwandtschaft darüber gesprochen. Es drehte sich irgendwie alles um den Aspekt „das können wir managen“. Und so habe ich meine Tage gemanagt. Mit Tampons kam ich nicht klar. Also Binden. Die rutschen. Flügelbinden. Die nahmen nicht genug Blut auf. Nur noch dunkle Unterhosen und Hosen, falls doch mal was durchgeht. Fazit: Hätte ich wirklich darauf verzichten können.

An meinem ersten Arbeitsplatz, der Schule, ist dann auch tatsächlich manchmal etwas durchgegangen, und zwar sogar so, dass man es von außen im Jeansstoff sehen konnte. Ich hab den Pulli über die Hüften gehängt und irgendwie den Tag überstanden.

Später war ich heilfroh, Tampons nutzen zu können. Damit fühlte ich mich sicherer vor der Entdeckung.

Denn natürlich war das Ziel, nicht entdeckt zu werden. Niemand sollte wissen, dass ich meine Tage hatte.

Niemand sollte das getrocknete Blut riechen, niemand sollte frische Blutstropfen sehen.

Der Tamponwechsel auf mehr-oder-weniger sauberen Schultoiletten ist bis heute keine schöne Erinnerung. Und wehe, wenn beim Umziehen in der Umkleidekabine beim Schulsport der Faden am Schlüpfer herunter hing. Peinlich, peinlich.

Warum eigentlich peinlich? Es war einfach so. Wir haben es versteckt. Alle wussten, dass alle sie hatten, und alle wollten nicht darüber sprechen.

Studium und erster Job

Das Studium und der erste Job brachten in Hinsicht auf die praktischen Modalitäten etwas Erleichterung: Ich war alt genug, auch große Tampons ohne Schmerzen zu nutzen, so dass ich mich halbwegs sicher fühlte.

Komisch, oder? Ich fühlte mich sicher davor, dass andere entdecken könnten, dass mein Körper einen ganz normalen Vorgang durchführt, der dazu auch noch ausgesprochen nützlich ist.

Worüber ich mir nie Gedanken gemacht habe, ist, wie sich meine Menstruation eigentlich jenseits von sehr regelmäßigen Klo-Pausen auf mein Arbeitsleben (oder auch vorher auf die Schule und das Studium) auswirkte. Das habe ich erst in den letzten Jahren langsam gelernt.

Der Einfluss der Mens auf den Job

Mein Zyklus beeinflusst, wie ich arbeite. Während der Menstruation bin ich zurückgezogener. Ich reagiere empfindlicher (im Positiven wie im Negativen) auf äußere Einflüsse. Ich arbeite weniger gerne mit anderen Menschen zusammen, obwohl ich sonst genau das gerne tue. Während der Menstruation lege ich den Blick auf’s große Ganze. Ich bin ehrlicher mit mir selber, ich prüfe Entscheidungen genauer, ich bin kreativer mit meinen Ideen, aber fokussiere mich noch nicht auf die genaue Umsetzung.

In meinem Bürojob habe ich auf diese Unterschiede keine Rücksicht genommen. Ich habe einfach meinen Job gemacht, und mich gewundert, dass mich bestimmte Aspekte während der Regel mehr anstrengten, als das sonst der Fall war. Ich war dann nachmittags einfach erschöpfter und habe weniger gemacht. Das war auch vollkommen okay so.

Mit meiner ersten Schwangerschaft begann eine Phase der langen Menstruationslosigkeit: Erst schwanger, dann lange gestillt und erst ein Jahr nach der Geburt des Kindes kam die Mens das erste Mal wieder. Dieses Mal beobachtete ich meinen Zyklus genauer. Ich war bereits wieder im Job, und mir fiel die Verbindung erstmals deutlich auf: Während der verschiedenen Zyklusphasen kann ich manche Dinge besser, andere schlechter, als sonst. Während der Menstruation schreibe ich lieber für mich alleine. Ich kann mich in kleinste Details einarbeiten und lange konzentrieren, wenn ich nicht gestört werde. Das schnelle Abhaken von vielen kleinen Punkten auf der Aufgabenliste dagegen fällt mir in dieser Zeit schwer.

Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, ob es dem Rest des Büros auffällt, oder nicht. Ich weiß auch nicht, warum wir nicht darüber sprechen, denn schließlich sind auch genug andere Frauen in meinem engeren Arbeitsumfeld, die ja vermutlich ebenfalls ihre Tage haben.

Übrigens nutze ich seit dem Wiedereinsetzen der Regel eine Menstruationstasse. Um diese auch am Arbeitsplatz leeren zu können, gehe ich seitdem auf die Behindertentoilette, denn nur dort habe ich im selben Raum ein Waschbecken. Sonst müsste ich auf dem Klo die volle Tasse erst zum Vorraum bringen, dort am öffentlichen Waschbecken leeren und dann wieder zurück in meine Kabine verschwinden… Und dabei möchte ich dann doch nicht beobachtet werden. Versteck deine natürliche Weiblichkeit!

Was ich daraus gelernt habe

Bloggen

Beim Bloggen ist es leichter, dem eigenen Zyklus zu folgen, statt ihn zu ignorieren. Während meiner Menstruation schreibe ich eher philosophische Beiträge, wie zum Beispiel diesen hier. Die Fachbeiträge, zum Beispiel über Dammrisse, entstehen eher während der anderen Phasen des Zyklus. Dank einer guten Inhaltsplanung und automatischen Beitragsveröffentlichungen ist es kein Problem, die Texte dann zu schreiben, wenn es mir leicht fällt, und dann später zu veröffentlichen.

Öffentlichkeitsarbeit

Andere Aspekte meiner Selbstständigkeit sind nicht immer ganz so leicht zu synchronisieren: Messen, Tagungen und Vorträge werden meist von anderen Personen zeitlich festgelegt. Ich kann dann nur entscheiden, ob ich daran teilnehmen möchte, oder nicht. Bei wichtigen Events versuche ich, trotzdem meinen Zyklus zu berücksichtigen: Während der Mens liegen mir die Abend-Termine nicht so sehr. Wenn ich die Wahl habe, spreche ich lieber vormittags. Inhaltliche Vorbereitungen treffe ich bereits in der Zeit davor, damit ich mich dann nicht mit den kleinen gemeinen Feinheiten meiner Präsentation herumschlagen muss, wenn ich so oder so gerade schon in einer selbstkritischen Phase bin.

Alles in allem bin ich froh, dass ich mittlerweile gelernt habe, meinen Zyklus nicht nur in Bezug auf die Menge des austretenden Blutes zu managen, sondern meinen Zyklus aktiv zu nutzen, um auch bei meiner Arbeit die besten Ergebnisse zu erzielen.

Was das alles mit Geburten zu tun hat

Der weibliche Körper ist in seiner Komplexität nach wie vor schwierig zu verstehen. Kleinste Änderungen im Umfeld können zu enormen Änderungen in der körperlichen Balance führen. Während der Menstruation gelten wir vielleicht als „weniger arbeitsam“ oder „abgelenkt“. Unsere Menstruation wird uns als Schwäche ausgelegt, oder (manchmal auch fälschlicherweise) als Grund für mangelnde Ergebnisse herangezogen. Das Potential des weiblichen Zyklus, auch für den Arbeitsplatz, bleibt häufig ungenutzt. Viel besser ist es nach allgemeiner Lesart, wenn Frauen sagen können, sie haben mit ihrer Regelblutung keine Probleme und können einfach weiter funktionieren. Es gibt einen männlich geprägten Standard, dass der Körper und die Hormone bitteschön immer gut zu funktionieren haben. Abweichungen sind unerwünscht — erst recht Abweichungen mit System.

Wir sollen bitte funktionieren!

Und hier sind wir auch schon beim Knackpunkt, der unsere Menstruation mit unseren Geburten verbindet: Wir sollen bitte einfach schön weiter funktionieren. Wir sollen dem Standard entsprechen. Das Ergebnis zählt: „Normal durcharbeiten“ am Arbeitsplatz. „Gesundes Kind“ bei der Geburt.

Uns wird eingeredet, dass wir diese Sachen einfach möglichst schnell hinter uns bringen sollten, und dann bitteschön wieder weiter funktionieren. Zack, stell dich nicht so an.

Statt den Frauen die Möglichkeit zu geben, ihre Weiblichkeit, ihr-Frau sein, zu leben, sollen wir es wegdrücken, denn nur das Ergebnis zählt.

Menstruation, gerade an einem öffentlichen Ort wie dem Arbeitsplatz, und Geburt, sind häufig notwendige Übel, deren schöpferisches Potential oft untergeht.

Mein Wunsch für den Flaschengeist

Wenn jetzt der Flaschengeist kommt und sagt, ich könne mir wünschen, was auch immer ich möchte, und er wird dafür sorgen, dass es sofort so passierte, wüsste ich sehr genau, was ich wollte:

Jede Frau auf der Welt soll ihre weibliche Kraft spüren können. Wenn das passiert, gibt es gar keine Frage mehr, ob wir uns trauen, über unsere Menstruation zu sprechen. Es wäre vollkommen selbstverständlich, dass wir uns während der verschiedenen Zyklusphasen mit verschiedenen Themen unseres Arbeitsfeldes befassen. In Teams wäre es nicht mehr ein Problem, wenn Frauen bestimmte Dinge für eine kurze Zeit besser können, als andere. Denn allen wäre bewusst, was für ein wunderbares Potential die Menstruation birgt.

Frauen, die sich ihrer weiblichen Kraft bewusst sind, die ihrem Körper und ihrer Verbindung zu ihrem Nachwuchs trauen, können mit Selbstvertrauen und Selbstverantwortung in die Geburt gehen. Das bedeutet nicht, dass es keine Kaiserschnitte mehr geben darf. Das bedeutet vielmehr, dass die Frau sich in ihrer Weiblichkeit so bestärkt fühlt, dass sie ihrer eigenen Intuition traut. Wenn diese Intuition einen Kaiserschnitt fordert, soll sie ihn bekommen.

Weibliche Kraft bedeutet nicht, dass wir keine Hilfe mehr annehmen könnten. Weibliche Kraft bedeutet, dass wir das Potential, das in uns steckt, selbstbewusst nutzen: Sowohl am Arbeitsplatz, gerade auch während der Menstruation (obwohl ich das Thema lieber anspreche, bevor es so weit ist, um dann während der Mens meine Ruhe zu haben…), als auch während der Geburt, sind wir starke Wesen, die sich dafür nicht schämen sollten, wie ihr Körper funktioniert.

Da der Flaschengeist Urlaub hat…

… müssen wir uns selber an die Arbeit machen. Es sind kleine Schritte, die dazu beitragen, uns unsere weibliche Kraft wieder zu bringen. In meinem Umfeld nutzen mittlerweile mehrere Frauen die Menstruationstassen. Yeah. Erstens ist es cool, dass sie sich aktiv damit auseinander setzen, wie sie ihren Körper während der Mens behandeln; zweitens ist es cool, dass ich das weiß, weil das bedeutet, dass wir uns darüber unterhalten haben. Das ist auch schon der erste Schritt: Nicht totschweigen! Menstruation geht viele an, und Menstruation am Arbeitsplatz ist so normal, dass es wichtig sein sollte, für die Frauen gut zu sein statt mies. Nicht jeder von uns ist es vergönnt, ein tolles Musik-Video über Menstruationen aufzunehmen, wie Carolin Kebekus das tat, aber wenn jede von uns kann, wenn es sich anbietet, das Thema aufgreifen.

Ähnliches gilt für die Geburt: Ja, wir gebären. Jede Geburt ist einzigartig. Wir sollten darüber sprechen. Wir sollten durch unsere Gespräche in Gesellschaft und Politik so weit kommen, dass Frauen sich als Subjekte ihrer Geburten definieren. Wir sollten uns gegenseitig nicht überbieten wollen mit Horror-Geschichten oder mit überbordenden Erwartungen, sondern wir sollten füreinander einstehen und uns erlauben, unsere Weiblichkeit im Kleinen wie im Großen zu leben.

Dieser Text ist übrigens nicht während meiner Mens entstanden. Nach dem letzten Baby habe ich meine Tage nämlich noch nicht wieder. Ich hätte aber gerne gewartet, um ihn noch einmal während der Mens zu lesen. Bestimmt wäre er dann noch besser geworden.

Du bist dran!

Wie stehst du zum Thema Menstruation am Arbeitsplatz? Hinterlass mir gerne einen Kommentar hier, und nimm am besten doch auch gleich an der Blogparade teil — das kannst du auch ohne eigenen Blog! Schau dich einfach auf Annas Seite um, dort findest du die Details.

Und teile diesen Beitrag, damit möglichst viele Frauen von diesem extrem spannenden Thema erfahren!

2 Gedanken zu „Menstruation am Arbeitsplatz — was hat das mit Geburt zu tun?“

  1. Ein super Beitrag, Danke dafür. Ich habe ihn auf Facebook geteilt und etliche Likes bekommen :).

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