Der Verein Mother Hood e.V. hat auf Datengrundlage des Kliniklotsen des Verbandes der Ersatzkassen e. V. eine interaktive Karte zu Kaiserschnittraten in Deutschland veröffentlicht.
Die Karte ist in Googlemaps eingebettet und sieht so aus:
Wenn du den folgenden Link klickst, gelangst du zur Einbettung der Karte und kannst dann alle Funktionen nutzen. Ich habe diesen Zwischenschritt eingebaut, damit du frei entscheiden kannst, ob die Tatsache, dass du auf meiner Seite warst, an Google weitergegeben wird– denn ich befürchte, dass die Einbettung der Karte genau das bewirkt. (Wenn du das genau weißt, gib mir doch bitte Bescheid!)
Hier ist der Link zur eingebetteten Interaktiven Karte zu Kaiserschnittraten in deutschen Krankenhäusern. Der Rest des Beitrages ist identisch mit diesem hier, du brauchst also nicht zurückspringen…
Du erreichst die Karte auch auf der entsprechenden Seite von Mother Hood e.V.: Hier geht es zur Karte auf der Seite von Mother Hood.
Was sagt uns die Karte
Die Karte wertet die Daten des Kliniklotsen aus, der jährlich die Geschäftsberichte der einzelnen Krankenkassen vergleicht. Über den Kliniklotsen kannst du auch viele andere Dinge herausfinden. Schau doch einfach mal hier rein: https://www.vdek-kliniklotse.de/
Die Karte zeigt deutschlandweit alle Krankenhäuser mit Geburtsstationen. Die Farbe des Punktes steht dabei für die Quote der Kaiserschnitte im Jahr 2017. Die Datenlage ist gut: Nur bei zwei Kliniken mit Geburtsstation lagen keine Angaben über die Kaiserschnittrate im Jahr 2017 vor. Diese beiden Kliniken lagen im Vorjahr 2016 im Mittelfeld bei den Kaiserschnittraten und verzerren insofern das Gesamtbild vermutlich nicht ausschlaggebend.
Die Karte listet insgesamt 729 Krankenhäuser, bei denen Daten für das Jahr 2017 vorliegen.
- Grün: <15% Kaiserschnitte: 6 Kliniken
- Gelb: zwischen 15 und 19% Kaiserschnitte: 28 Kliniken
- Blau: zwischen 20 und 29% Kaiserschnitte: 259 Kliniken
- Orange: Zwischen 30 und 39 % Kaiserschnitte: 315 Kliniken
- Rot: Zwischen 40 und 49 % Kaiserschnitte: 47 Kliniken
- Violett: Kaiserschnittraten über 50%: 6 Kliniken
- Schwarz: Geschlossene Geburtsstationen: 68 Kliniken
Darunter sind Krankenhäuser der Versorgungsklasse I, die also auch schwierige Situationen wie Frühchen, Mehrlinge und Frauen mit Vorerkrankungen aufnehmen. Darunter sind aber auch Krankenhäuser aller anderen Versorgungsklassen (es gibt insgesamt vier).
Es ist leicht zu erklären, dass Krankenhäuser der Versorgungsklasse 1 höhere Kaiserschnittraten verzeichnen als andere Krankenhäuser. Schließlich sind bei Spezialfällen die Kaiserschnittquoten deutlich höher als bei „normalen“ Geburten (also all denjenigen Geburten, die medizinisch gesehen auch für hebammenbegleitete Hausgeburten in Frage kommen. Mehr dazu findest du in meinem Beitrag Medizinische Voraussetzungen für eine Hausgeburt). Dennoch schwanken auch innerhalb dieser Zentren die Kaiserschnittraten enorm.
nur im Notfall: Kaiserschnittraten unter 15%
Sechs der gelisteten Krankenhäuser hatten 2017 eine Kaiserschnittrate von unter 15% und erhalten auf der Karte somit einen grünen Punkt. Das Marien-Hospital in Düsseldorf legt mit knapp über 11% den niedrigsten Wert vor. (Oh, wie schade, dass das erste Bild auf der Homepage einen OP zeigt und keinen Gebärhocker!)
Frauen, die in diesen Krankenhäusern gebären wollen, können sich sicher sein, dass die Geburt erst mal als natürliches Ereignis gesehen wird, und dass nicht sofort bei der zweiten Wehe das Skalpell gezückt wird. Diese Krankenhäuser sind, wie die Zahlen zeigen, selten. Spannend wäre es, zu erfahren, wie die Kreissaalleitungen selber das Zustandekommen dieser Zahlen einschätzt und ob eine so niedrige Kaiserschnittrate ein bewusstes Ziel der Geburtsstation ist, oder eher Nebenprodukt.
Knapp darüber: Zwischen 15 und 20 %
Eine Kaiserschnittrate zwischen 15 und 20 % bedeutet, dass weniger als jede fünfte Frau ihr Kind in diesen Kliniken per Kaiserschnitt bekommt. Von diesen Kliniken gibt es eine ganze Menge, und ihre gelben Punkte sind quer durch Deutschland verteilt.
28 Kliniken fallen in diese (ja doch relativ kleine!) Spanne zwischen 15% und 20% Kaiserschnittrate. Auch in diesen Kliniken können die Frauen vielfach ihre Kinder spontan zur Welt bringen. Spannend ist, dass Mother Hood e.V. tatsächlich unter diesen 28 Kliniken auch zwei Kliniken der Versorgungsklasse I und drei Kliniken der Versorgungsklasse II aufzählt.
Diese Kliniken sind also auch spezialisiert auf schwierige Schwangerschaften und Geburten. Trotzdem gelingt es ihnen, die Kaiserschnittrate vergleichsweise niedrig zu halten. Die beiden Kliniken der Versorgungsklasse I sind das Klinikum der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz und die Medius Klinik Ostfildern-Ruit. Dazu kommen in der Versorgungsklasse II noch die Thüringen Kliniken „Georgius Agricola“, die Filderklinik sowie das Städtische Krankenhaus Dresden-Neustadt.
Das große Mittelfeld: Zwischen 20 und 29 %
259 Kliniken habe ich gezählt, deren Kaiserschnittrate zwischen 20% und 29% liegt. Ist das viel? Ist das wenig? Das kommt sicherlich auf die Umstände an. Für ein Krankenhaus, das im städtischen Gebiet liegt und „nur“ ein Versorgungszentrum der Klasse IV ist, bedeutet ein Wert von 30% etwas ganz anderes als für ein Uniklinikum mit Versorgungsklasse I:
Das erstere Krankenhaus wird kaum diejenigen Fälle aufnehmen, bei denen ein Kaiserschnitt bereits vor der Geburt feststeht oder bei denen mit Komplikationen nach der Geburt gerechnet werden muss. Die Schwangeren werden eher in eine Klinik mit höherem Versorgungsniveau gehen. Wenn ein kleines Krankenhaus dennoch eine Kaiserschnittrate von knapp unter 30% hat, bedeutet dies vielleicht, dass tendenziell eher schnell als langsam zum Skalpell gegriffen wird — selbst, wenn es eigentlich gar nicht nötig ist.
Kliniken mit einer Kaiserschnittrate zwischen 20 und 29% haben übrigens einen blauen Punkt.
30 – 39 % — jetzt muss es doch weniger werden?!
Als ich angefangen habe, zu zählen, war ich der Überzeugung, dass jetzt wieder ein Bereich mit weniger Kaiserschnitten kommen würde. 30% bedeutet ja schon, dass fast jede dritte Geburt ein Kaiserschnitt ist. Das ist dann ja doch schon ziemlich hoch. Ich öffnete die Liste und fing an zu zählen.
Das Ergebnis: 315 Kliniken haben eine Kaiserschnittrate von 30% – 39%. Oh wow. Damit habe ich wirklich nicht gerechnet. Die 315 Kliniken führen mit ungefähr einer Chance zwischen 1:4 und 1:3 einen Kaiserschnitt aus. Wer als Frau eine Spontantgeburt erleben will, sollte sich absolut sicher sein, nicht klein bei zu geben, wenn es nicht unbedingt nötig ist. Es scheint, dass in diesen Kreißsäälen der Griff zum Skalpell Alltag ist.
Diese Krankehäuser haben in der Karte einen orangenen Punkt.
Zwischen 40 und 49 % Kaiserschnittrate
Noch immerhin 47 Krankenhäuser der Liste haben eine Kaiserschnittrate von 40 bis 49 %. Immerhin 23 dieser Kliniken bieten die höchste Versorgungsklasse an und sind damit ein Perinatalzentrum Klasse 1. Somit haben sie mehr Risikoschwangere und entsprechend auch höhere Kaiserschnittzahlen. Allerdings ist fraglich, ob die hohe Kaiserschnittrate allein daher rührt, denn wie ich bereits beschrieb, sind auch Perinatalzentren in der Lage, geringe Kaiserschnittraten zu erzielen.
Krankenhäuser mit einer Kaiserschnittrate zwischen 40 und 49% haben einen roten Punkt in der Karte.
Zwischen 50 und 100 %. Ich habe es selbst nicht geglaubt
Krass, oder!? Mehr als jede zweite Geburt in diesen Kliniken ist ein Kaiserschnitt. Sechs Kliniken listet Mother Hood e.V. in der Karte auf, die eine Kaiserschnittrate von über 50% haben. Das kann ich mir nur als einen Kreislauf vorstellen:
Einerseits werden dort natürlich viele Kinder zur Welt gebracht, bei denen aufgrund gewisser Risikofaktoren ein Kaiserschnitt bereits vor der Geburt feststand. Andererseits gibt es vielleicht auch Personal, das schneller zum Skalpell greift als in anderen Kliniken.
Und dann tritt eine Spiralwirkung ein: Mehr Kaiserschnitte bedeuten, dass Frauen, die keinen Kaiserschnitt wünschen, sich eher für ein anderes Krankenhaus entscheiden. Dadurch wächst der Anteil derjenigen Frauen im Kilinikum, die einen Kaiserschnitt durchführen lassen, im Verhältnis nochmal an. Diese Entwicklung bewegt wiederum andere Frauen, sich noch weniger für dieses Krankenhaus zu entscheiden, wenn sie keinen Kaiserschnitt wollen.
Ich hätte nicht gedacht, dass wir Krankenhäuser in Deutschland haben, in denen der „Normalfall“ einer Geburt der Kaiserschnitt ist. Und sofort notiere ich mir die Aufgabe: Ich möchte mit einer dieser Kliniken mal ins Gespräch kommen und herausfinden, was da so läuft.
Übrigens sind diese sechs Geburtsstationen in der Karte lila markiert.
Immer mehr geschlossene Geburtstationen
Die Interaktive Karte zu Kaiserschnittraten in Deutschland zeigt auch eine Menge Punkte in schwarz — und damit Orte, an denen die Quote der Kaiserschnitte tatsächlich bei 0 % liegt. Das ist leider überhaupt keine gute Nachricht! Denn an diesen Orten wurden die Geburtsstationen schlicht und ergreifend geschlossen.
68 Kliniken sind in der Liste aufgeführt, die mal eine Geburtsstation hatten und diese nun geschlossen haben. Das Problem schließender Geburtsstationen für Gebärende (aber auch alle anderen Beteiligten wie Väter und Geschwister) habe ich bereits an anderer Stelle beschrieben.
Wohin?
661 offene Geburtstationen mit Daten zur Kaiserschnittrate zählt Mother Hood e.V. Allerdings wird eine davon Ende Oktober 2019 schließen. Dann sind es noch 660 Stationen, in denen du in Deutschland dein Kind zur Welt bringen kannst (plus die beiden, von denen keine Daten vorlagen). Die Auswahl ist also groß. Wohin du gehst, und ob du überhaupt in ein Krankenhaus gehst oder lieber in ein Geburtshaus oder zu Hause bleibst, hängt natürlich von vielen Faktoren ab. Sicherliche ist auch die Kaiserschnittrate dabei ein Faktor. Es spielen natürlich aber auch andere Erwägungen ein Rolle, wie die Nähe zum Wohnort, der persönliche Kontakt zum Personal und auch deine eigenen Vorerfahrungen oder Berichte anderer Mütter.
Zum guten Schluss
Zum Schluss möchte ich noch auf zwei Themen hinweisen, die häufig aufkommen, wenn wir über Kaiserschnitte sprechen: Zum einen retten Kaiserschnitte leben. Und zum zweiten ist es absolut nicht meine Entscheidung, ob du einen Wunschkaiserschnitt durchführen lässt.
Kaiserschnitte retten Leben
Einer der ersten Blogbeiträge, die ich je geschrieben habe, hat den Titel Kaiserschnitte retten Leben. Ich bin nach wie vor dankbar für jedes kleine Wesen, das durch einen modernen Kaiserschnitt die Möglichkeit erhalten hat, zu leben, statt ohne Kaiserschnitt tot zur Welt zu kommen. Und ich bin dankbar für jede Mutter, die dank eines Kaiserschnittes nicht bei oder kurz nach der Geburt stirbt. Ich sehe Kaiserschnitte als sinnvolle Ergänzung zur vaginalen Geburt.
Ich fühle mich trotzdem bei diesen Kaiserschnittraten nicht wohl.
War wirklich in jedem Fall das Leben von Mutter und Kind bedroht? Schwierig zu sagen, denn wie soll man herausbekommen, wie es anders weiter gegangen wäre? Ist früher, als wir noch keine Kaiserschnitte kannten, wirklich jede dritte Geburt für Mutter oder Kind tödlich oder mit schweren Folgen verlaufen? (Dazu will ich noch mehr schreiben — wenn du hierzu gute Quellen hast, lass es mich wissen!)
Wunschkaiserschnitt — ganz alleine deine Entscheidung
„Oh Mensch, da traue ich mich ja fast gar nicht zu sagen, dass ich einen Wunschkaiserschnitt hatte.“ Das spukt in deinem Kopf herum? Muss es nicht. Du bist diejenige, die dein Kind trägt. Du bist diejenige, um deren Körper es geht. Du kennst dich, deinen Körper und dein Kind. Du kannst auf das medizinische Personal hören, du kannst dir Informationen besorgen, du kannst Ratschläge annehmen. Und letztendlich bist du ganz allein die Person, die entscheidet. Ich kann versuchen, Wissen zu vermitteln. Ich kann auch versuchen, Angst zu nehmen und Vertrauen zu schaffen. Die Entscheidung bleibt aber bei dir. Du bist die Entscheiderin, du bist das Subjekt deiner Geburt, ob bei Kaiserschnitten oder Alleingeburten. Und ich akzeptiere das. Und diese Akzeptanz fühlt sich gut an. Es steht weder mir noch irgendeiner anderen Person zu, deine Entscheidung zu kommentieren oder zu werten. Ich darf zuhören, versuchen, zu verstehen. Mehr nicht.
Dank & eure Meinung
Als allererstes spreche ich an dieser Stelle dem Verein Mother Hood e.V. einen großen Dank aus! Die Karte, in vermutlich mühsamer Kleinarbeit erstellt, ist wirklich eine große Hilfe!
Als zweites habe ich viele Ideen für weitere Fragen und Interviews gesammelt, während ich diesen Beitrag geschrieben habe. Auch für diese Inspiration geht mein Dank an Mother Hood e.V.
Und als drittes interessiert mich eure Meinung: Hat die Kaiserschnittrate Einfluss auf die Wahl eures Geburtsortes gehabt? Würdet oder werdet ihr bei einer weiteren Geburt auf so etwas achten? Welche Kaiserschnittrate haltet ihr deutschlandweit für „normal“ oder gut?
Hinterlasst mir sehr gerne einen Kommentar!
(Und hier ist nochmal der Link zur Seite mit der eingebetteten Karte: https://ichgebaere.com/kaiserschnittrate-kartenansicht/)
6 Gedanken zu „Interaktive Karte zu Kaiserschnittraten in Deutschland“