Welche frisch-gebackenen Eltern kennen das nicht… Nach der Geburt ist die Länge des Zeitraums, in dem die Frau „in den Wehen lag“ (gruselig, daran zu denken, ich müsste die ganze Zeit liegen… Beitrag hierzu folgt noch…), oft Thema für Vergleiche.
Statistisch gesehen dauert die Geburt beim ersten Kind länger als bei den folgenden. Das ist erstmal auch logisch: Wo schon mal ein Baby durchkam, ist der Körper schneller darauf vorbereitet, das auch wieder zu vollbringen.
Lange Geburtsvorgänge haben schon ihren Sinn: Der Körper kann sich langsamer dehnen, Dammrisse werden unwahrscheinlicher; es bleibt genug Zeit, sich selber und die Umgebung auf die Geburt vorzubereiten…
Trotzdem stört mich der „Überbietungswettkampf“, den manche Menschen (nicht nur Mütter, auch Väter sind davon betroffen!) hier einleiten. Der Hintergedanke ist:
Je länger die Frau Wehen hatte, bevor das Kind geboren wurde, desto mehr Respekt müssen wir ihr zollen, dass sie das durchgestanden hat.
So also die Annahme. Aber: Stimmt das!? Nicht unbedingt:
- Wie bereits erwähnt sind lange Geburtsvorgänge nicht grundsätzlich problematisch, weil sie dem Körper und dem Geist die Zeit geben, sich langsam auf das Kind vorzubereiten.
- Die reine Dauer von Wellen sagt rein gar nichts über ihre Effektivität, Dauer und Stärke aus. Manche Frauen haben wochenlang Übungswehen, die relativ stark sind. Diese leiten aber eben noch lange nicht die Geburt ein… Auch bei den Geburtswellen sagen die Werte noch wenig über Effektivität aus (hier verlinke ich bald hoffentlich noch auf eine Geburtsgeschichte, die das deutlich macht).
- Nicht jede Frau empfindet jede Welle als schmerzhaft. 6 Stunden unter Wellen, die extrem schmerzhaft empfunden werden, sind vielleicht schlimmer, als 12 Stunden, die für die Frau gut zu meistern sind. Deshalb ärgern mich auch Formulierungen wie „durchhalten“, „durchstehen“, „überwinden“. Ich würde mir wünschen, dass wir- (erstmal ohne Wertung) vom Erlebnis der Frau sprechen. Vielleicht empfand sie selber die Geburt und die Wellen ja als kraftvolles Erlebnis!?
- Respekt hat jede Geburt verdient; nicht nur die langen. Mein Tipp: hör dir die gesamte Geburtsgeschichte an und bewerte diese nicht, sondern zolle einfach deinen Respekt.
Aus diesen Gründen beteilige ich mich sehr ungern an den Diskussionen darum, wessen Geburt wie lange dauerte. Es ist eben auch nur ein Ausschnitt aus dem Erlebnis Geburt, der allein wenig aussagekräftig ist. Lieber höre ich mir die gesamte Geburtsgeschichte an. Denn wenn wir uns gegenseitig die Gelegenheit geben, ausführlicher zu berichten, lernen wir viel mehr — über uns, über unsere Körper, unsere (bewussten und unbewussten) Denkens- und Verhaltensmuster. Mehr über Geburtsgeschichten findest du auch hier: Was ist eine Geburtsgeschichte?
Wie ist deine Erfahrung mit der Dauer von Geburten? Wurden sie von Geburt zu Geburt kürzer? Wie empfindest du den Vergleich von Geburtsdauern? Hinterlass mir gerne einen Kommentar!
3 Gedanken zu „Wehen-Überbieten: „nur 12 Stunden!? Ich hatte 16!““