Wehentropf ohne Betreuung — ein Beispiel für unvollendete medizinische Eingriffe.
Neulich im Gespräch mit einer Bekannten: „Klar, ich war doch im Yoga-Kurs und im Geburtsvorbereitungskurs. In beiden haben wir Wehen veratmen geübt. Ich hab gedacht, ich bin vorbereitet. Und dann war ich da im Wehenzimmer, weil die Kreißsääle ja alle dicht waren, und es wurde mithilfe von Oxytocin eingeleitet, und BÄÄM — dann kamen die ersten Wehen! Sie waren mega-stark und ich konnte nicht damit umgehen. Ich bin total verzweifelt. Es dauerte total lange, bis mal jemand kam. Ich war echt überfordert!“
Ich habe der Frau einfach nur zugehört. Eine Belehrung „das wäre dir mit einer Beleghebamme nicht passiert“ oder ein Groll auf die allgemeine gesellschaftliche Situation „Mensch, die Unterversorgung mit Kreißsäälen ist echt ein Problem! Lass uns eine Postkarte an den Gesundheitsminister schreiben!“ hätte ihr in der Situation wohl kaum weitergeholfen.
Für sie war es wichtig, ihre Gefühle aussprechen zu können. Die bewusste Aufarbeitung einer Geburt ist so wichtig!
Mich hat dieses kurze Gespräch dennoch sehr bewegt.
Die Frau ging in diesem Moment an ihre Leistungsgrenze. Jeder betreuenden Person im Krankenhaus muss klar gewesen sein, dass ein Wehentropf echt hart sein kann; dass die Frau Unterstützung bekommen sollte. Den Tropf anzuschmeißen und dann abzuhauen ist genauso sinnvoll, wie einem Kind den Motor im Auto anzuschmeißen und dann auszusteigen mit den Worten „von hier kannst du es alleine.“ Wäre bei diesen ersten paar Wehen jemand dabei gewesen und hätte die Wirkung des Mittels kontrolliert, hätte eventuell die Dosierung angepasst und hätte vor allem auch mit der Frau gemeinsam die ersten Wehen erlebt, hätte die Geburt, die in einem Kaiserschnitt endete, vielleicht einen ganz anderen Verlauf nehmen können.
Panik ist eine denkbar schlechte Voraussetzung für eine Geburt. Sie hatte Panik und ihr wurde damit die Möglichkeit einer guten Geburt genommen. Ich bin der Meinung: Wenn medizinisches Personal überzeugt ist, dass eine Einleitung vorgenommen werden soll, muss dieses medizinische Personal auch die nächsten Schritte miterleben. Wenn sie denn Ball anstoßen (wozu es gute Gründe geben kann!), dann sollten sie auch sehen, wohin der Ball rollt und ob es einer Kurskorrektur bedarf. Die Frau hat ihre Geburt vertrauensvoll in die Hände anderer gelegt und wurde dann verlassen.
Das darf nicht passieren. Sie wollte nicht zum Objekt werden, sie wollte Unterstützung, um Subjekt ihrer Geburt zu bleiben. Das wurde ihr verwehrt.
Ja, vielleicht hätte eine Doula geholfen. Ja, die Hebammen sind überlastet. ja, manche Frauen kommen nach der Einleitung allein klar. Ja, manche Frauen entscheiden sich ohne medizinischen Grund für eine Einleitung. Ja, es gibt viele Punkte, über die ich in dieser Geschichte noch schreiben könnte.
Im Moment geht es mir hautpsächlich um eine Klarstellung: Wenn Frauen bei der Geburt Fachpersonal einen Eingriff gewähren, sollten wir darauf vertrauen können, dass das Ziel dieses Eingriffs ist, uns in unserer eigenen Kraft, in unseren eigenen Möglichkeiten zu bestärken. Und das bedeutet, dass die Folgen des Eingriffs ebenfalls vom medizinischen Personal überprüft werden und der Schwangeren gezeigt wird, wie sie mit der neu geschaffenen Situation umgehen kann. Das Ziel sollte es sein, die Frau wieder zum Subjekt ihrer Geburt zu machen.
Eigentlich ist es schade, dass ich über eine solche Selbstverständlichkeit einen Blogbeitrag schreiben muss.