Heute ist der 8. Dezember und damit Tag 8 im Geburtsgeschichten-Adventskalender. Julia erzählt heute von ihrer selbstbestimmten Geburt im Krankenhaus. Die Bilder sind von Julia und dürfen nur mit ihrer schriftlichen Genehmigung vervielfältigt werden.
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Um denjenigen gerecht zu werden, die sich mit den Worten „Frau“ oder „Mutter“ nicht identifizieren können, obwohl in ihrer Geburtsurkunde „weiblich“ steht, habe ich mich dazu entschlossen, in meinen eigenen Beiträgen „Mutter“ und „Frau“ jeweils mit dem Inklusionssternchen zu versehen. Ihr werdet also Frau* oder Mutter* lesen (falls der Text von mir kommt und nicht von anderen Menschen). Geschlechtergerechte und inklusive Sprache ist mir ein Herzensthema, allerdings ist (meine persönliche und die gesellschaftliche) Entwicklung dazu noch lange nicht abgeschlossen. Mal sehen, wie ich es in Zukunft angehe. Mehr zum Thema liest du unter anderem hier: Sollte ein Geburtsblog geschlechtsneutral sein, Gebären wie eine Feministin und Sex, Gender, Geburten und die deutsche Sprache.
Alle Adventskalender-Geschichten 2024
Alle Geschichten des Adventskalenders erscheinen nach und nach hier im Blog. Ob ich wirklich alle Tage füllen kann, weiß ich noch nicht. Einen Überblick erhältst du hier (und nach und nach funktionieren auch die Links.) Alle Geschichten aus den vergangenen Jahren findest du hier.
Adventskalender 2024: Alle Geschichten
(bitte zum Lesen aufklappen)
- Anna: Selbstbestimmte Klinikgeburt
- Jule: Mutter mit 17
- Marisa: Hausgeburt mit Kerzenschein und Plazenta-Smoothie
- Anna: Alleingeburt in der Badewanne
- Corinna: Selbstbestimmte Geburt in der Klinik
- Marion: Die 48-Stunden-Spontangeburt
- Theresa: Geschichte eines Schwangerschaftsabbruchs
- Julia: Geburt vor Termin
- Julia: Selbstbestimmte Geburt mit Einleitung
- Claudia: Geburten einer Doula
- Mandy: Urvertrauen und eine leichte PDA
- Katharina: Das Osterhäschen
- Elisabeth: Hausgeburt mit Geschwisterkindern
- Tara: Vaginale Geburt nach zwei Kaiserschnitten
- Eileen: Hausgeburt mit halbvollem Pool
- Luise: Eingeleitete Geburt in England
- Julia: Geburten meiner Söhne
- Christine: Asthma in der Schwangerschaft
- Diana: Wassergeburt zu Hause
- Eileen: Friedvolle Geburt im Familienkreis
- Nadine: Der gut gelaunte OP-Arzt
- Eileen: Alleingeburt mit ausführlicher Vorbereitung
- Freya: Traumgeburt in Rückenlage
- Eileen: Hausgeburt trotz Hüftschmerzen
Eine Geburt vor Termin: Erfahrungsbericht
Ist eine selbstbestimmte Geburt im Krankenhaus möglich? Was kann man tun, um eine tolle Geburt zu erleben? In diesem Text möchte ich euch meine Erfahrungen in diesem lustigen Geburtsbericht mit euch teilen.
Heute passiert nichts mehr
An dem Tag, an dem die Wehen begannen, hat unser Frechdachs uns zuerst in Sicherheit gewogen und kam dann überraschend doch um die Ecke. Er hat seinen Eltern gleich gezeigt, wer ab jetzt das Geschehen diktiert. Morgens versicherte mein Frauenarzt, dass unser Baby noch gemütlich vor sich hin strampelt und wir wahrscheinlich noch eine gute Woche vor der Geburt entspannen können. Schließlich waren es noch 11 Tage bis zum errechneten Geburtstermin. Für ein Weinfass war ich auch noch sehr beweglich und hatte nicht das Gefühl, dass die Geburt naht. So schrieb ich meiner Familie, Freunden, der Bundeskanzlerin und dem Rumpelstilzchen, dass sie mich die nächste Woche nicht fragen müssen, wann unser Baby endlich da ist.
Putzen und Sekt schlürfen
Mit dem Gedanken noch ganz viel Zeit zu haben, konnte ich noch das Wichtigste erledigen: das Auto putzen. Klar, was soll sonst das Wichtigste vor der Geburt sein? Die Steuererklärung ganz bestimmt nicht! Mit der Wasserkugel quetschte ich mich zwischen die Sitze und hob jedes Staubkorn einzeln auf. Ich hatte Angst, dass der Storch direkt wieder umdreht, wenn er das dreckige Auto sieht. So ein Baby hat schließlich auch seine Ansprüche…
Abends waren wir in Feierstimmung. Es war ja schließlich Mittwoch. Also holten wir den Sekt – alkoholfreien natürlich – und die Tiefkühlpizza raus und sahen den schlechtesten Film der Welt. Eine richtige Party! Wie feierten, dass wir in weiter Zukunft Eltern werden. Ganz bald, nur nicht heute.
Zwei Stunden später platzte meine Fruchtblase.
Auch in diesem Jahr gibt es einen Geburtsgeschichten-Adventskalender und ein paar Adventsverlosungen. Sei dabei!
Ganz entspannt ins Bett legen…
Abends gegen 21 Uhr begann meine Fruchtblase gemütlich auszutröpfeln. Wider Erwarten habe ich keine Überschwemmung ausgelöst, wie es im Fernsehen immer so schön gezeigt wird. So langsam verliert das Fernsehen seine Glaubwürdigkeit als Bildungsvermittlung… Stattdessen dachte ich zuerst, ich werde jetzt kurz vor der Geburt noch inkontinent und rannte alle 10 min auf Toilette. Man muss schließlich Prioritäten setzen und diese spannende Serie wollte unbedingt zu Ende geguckt werden. Der Film davor war schließlich schlecht genug.
Irgendwann brachte es mich aber doch zum Grübeln, warum alle Punkte zutrafen, die Fruchtwasser beschrieben. Es sah genauso aus, roch genauso und hatte die passende Konsistenz. Konnte das ein Zufall sein? Darüber lässt sich am besten Nachdenken, wenn man sich gemütlich duscht und bettfertig macht. Beim Zähneputzen erzählte ich dann meinem Mann, dass ich vielleicht eventuell einen Blasensprung haben könnte. Ich war mir aber nicht sicher, weil schließlich alle Punkte zum Erkennen von Fruchtwasser zutrafen. Da kann man schon unsicher sein…
Du kannst dich doch nicht schlafen legen!
Mein Mann entgegnete mir einem schockierten Blick und fragte mich, ob ich mich jetzt ernsthaft ins Bett schlafen legen will. Na gut, vielleicht hatte er Recht. Also haben wir gemütlich nochmal die ganze Kliniktasche ausgepackt, alles kontrolliert und wieder eingepackt. Währenddessen bekam ich gegen 23 Uhr die ersten Wehen, die sich wie leichte Regelschmerzen anfühlten. Das Merkwürdigste an dieser Phase der Geburt war, dass mein Mann und ich relativ entspannt waren. Wir wussten was zu tun ist. Wahrscheinlich waren wir aber in einer Schockstarre und waren deswegen so „entspannt“. Oder es lag daran, dass ich das Auto schon geputzt hatte und diese Last nun nicht mehr auf meinen Schultern lag.
Für später, wenn die Geburt dann naht, installierte ich mir spontan eine Wehenapp. Nochmal ganz gemütlich in den Rezensionen gucken, vergleichen und sorgfältig die richtige App auswählen. Das wird mir in einer Woche, wenn die Wehen beginnen, bestimmt helfen. Die App war allerdings fehlerhaft. Sie fragte zuerst nach, ob die Fruchtblase geplatzt ist und gab dann direkt eine Warnmeldung aus „Fahren Sie sofort ins Krankenhaus“. So eine ungechillte Elektronik. Hat die nicht gehört, dass es noch lange nicht losgeht?
Alle 5 min eine Wehe.
Mein Mann rief das Krankenhaus an, dass wir jetzt kommen. Er schien auf der Seite der App zu sein. Na ja, dafür schmierte er mir Nutellabrote und ich habe ihm verziehen.
Wie ist der längste Weg zum Krankenhaus?
Um den nächtlichen Verkehr in der leeren Stadt zu vermeiden, fuhr mein Mann lieber einen Umweg. So konnte er vermeiden, dass wir nachts um halb Eins noch in einen Stau geraten. Sicher ist sicher.
In dieser Phase wurden die Schmerzen stärker, jedoch immer noch vergleichbar mit stärkeren Regelschmerzen. Zwischendurch quatschte ich fröhlich vor mich hin, hielt kurz inne für die Wehe und philosophierte dann weiter über das Wetter, Leuchtreklame und das Verkehrskonzept der Stadt.
Die 5 Dämonen
Im Krankenhaus angekommen, begrüßte ich die Hebamme mit „Ich würde sagen, ich habe Wehen“- Die Hebamme entgegnete mir einen ernsten Blick. Sie fand Geburten wohl nicht so spaßig…
In der Maschinerie der Standardprotokolle eines großen Krankenhauses gefangen, merkte ich direkt, dass ich den falschen Stift zum Ausfüllen der Protokolle dabei hatte. So lernte ich sehr schnell meine fünf Dämonen kennen, die ich besiegen musste, um zum Endgegner zu kommen und eine selbstbestimmte positive Geburt zu haben:
Der Wehenschreiber und ich hatten ein großes Kommunikationsproblem. Das Gerät zeigte nicht an, was ich fühlte und spielte meine Wehen herunter. Ist es denn so schwer, die Gefühle einer Frau messbar zu machen?! Der Sensor für die Messung des Herzschlages verschob sich ständig. So suchte er verzweifelt den Herzschlag meines Babys an meinem Knie und benachrichtigte mich, dass ich und mein Kind keinen Herzschlag haben. Äußerst beruhigend!
Mein Sinn für Ästhetik wurde von der Hebamme in Frage gestellt. Im Blümchenbikini mit Glitzerschrift und bunten Top betrat ich dieses Krankenhaus. Ständig wollte sie mir Erwachsenenwindeln und Klinikkittel andrehen, doch das entspricht nicht meinem modischen Wohlbefinden. Wie soll ich denn sonst auf das Cover der „Schöne Geburt“-Zeitschrift kommen?
Freundlicherweise bot mir die Dealerin, äh Hebamme, ständig Drogen an. Selbstverständlich habe ich ihr mein 100-Seiten Dossier zu meinen Vorstellungen der selbstbestimmten Geburt überreicht, doch irgendwie hat sie dieses Dossier scheinbar nicht gelesen. Vielleicht lenkte sie die Flower-Power von meinem Bikini auch etwas ab…
Ich wurde ständig gebeten, mich auf den Rücken zu legen. Von den Nutellabroten aufgeputscht hatte ich genug Energie, um Gräben zu laufen. Ich verstand auch nicht, warum ich mir mehr Schmerzen antun sollte als nötig. Wenn mich jemand mit einem Messer ersticht, sage ich doch nicht „Weiter nach rechts, noch schön in der Wunde herum bohren und Essig rüber schütten, dann tut es mir mehr weh. Oh ja, so ist es gut!“ Ich habe mir dadurch zwar den schönen Nebeneffekt genommen, die Geburt zu verlangsamen und gegen die Schwerkraft zu ackern, aber ich wollte vor dem Mittagessen fertig werden. Es gab schließlich Schnitzel!
Die 5 Dämonen besiegen für eine positive Geburt
Den Monitor für Wehenstärke und Herzschlag haben wir nach ein paar Stunden verdeckt. Eine Frau in den Wehen hat eine klar strukturierte Gefühlswelt, die man nicht in Zahlen umdeuten muss! Verrutscht ist der Sensor auch nicht mehr, nachdem mein Mann seine Hand daran festklebte. Wir sahen aus wie Hans im Glück mit der goldenen Gans. Bei einer Geburt muss eben jeder Opfer bringen!
Den Bikini behielt ich natürlich an. Schnell fand ich auch heraus, dass es eine dezente Alternative zu den übergroßen Erwachsenenwindeln gibt, nachdem ich alle Schränke im Bad einmal ausräumte. Dickere Binden. So konnte ich mein Bikinihöschen weitertragen. Ich konnte meinen Mann ja nicht das Vergnügen verwehren, während der Geburt auf einen glitzernden „Aloha“-Schriftzug auf meinem Po zu gucken. Das hat thematisch so gut gepasst…
Den Drogenkonsum konnte ich glücklicherweise abwenden. Mein Mann hat mein Geburtsdossier nämlich gelesen und ausgiebig studiert und mündlich mehrmals an die Hebammen weitergetragen. Gut, dass ich ihn ein Tag vorher nochmal abgefragt habe!
Die Rückenlage konnte ich zum Glück verhindern, weil mich die Hebamme plötzlich verstand. Also nachdem ich mich stur seitlich aufgerichtet hingelegt hatte, als die Wirkung der Nutellabrote nachließ.
Schon war der Weg für eine positive Geburt frei.
Das Vorspiel
Zurück zum Zeitpunkt kurz nach dem Einchecken ins Krankenhaus. Mit einer Hebamme entwickelte ich direkt eine Romanze. Sie sah aus und hatte den Charme von Cindy aus Marzahn. Es war nicht die Art von Frau, von der man ausgiebig vaginal untersucht werden möchte. Doch ich stellte mich dem Abenteuer. Es hat sich angefühlt als würde Cindy ein Supermarktregal einräumen und etwas aus der hintersten Ecke heraus fummeln wollen. Dann ließ sie uns mit diesen Eindrücken wieder alleine und ich musste meine Gefühle neu ordnen.
Das habe ich im Vorwehenzimmer getan, in dem ich Gräben lief, die Sprossenwand strapazierte, Müsliriegel und Magnesiumtabletten aß und mit dem Kopf im Schoß meines Mannes lag. Komischerweise habe ich die Sprossenwand nicht heruntergerissen. Doch das Zimmer musste nach mir definitiv gefegt werden wegen der Essenskrümel.
Außerdem habe ich fröhlich vor mich hingeplappert: „Meinst du wirklich, heute kommt unser Baby? Aber das wäre doch sehr überraschend! Ja, ich weiß wir sind schon im Vorwehenzimmer, aber meinst du wirklich? Moment eine Wehe kommt uuuuuuhhhhhhhhhh. Ok, sie ist weg. Ok, wann wollen wir morgen eigentlich Schwimmen gehen?“.
Die Schmerzen waren noch weit unter dem, was ich erwartet habe und vergleichbar mit starken Regelschmerzen. Das Tönen des tiefen uuuuuuhhhhhhhhhh hat mir sehr geholfen und mein Baby war sehr entspannt. Währenddessen hatte ich das Bild vom „Werner“-Film im Kopf, in dem ein Polizeiauto die Hügel hoch- und runterfährt und eine lange Gaswolke nach sich zieht. Das waren meine Uuuhhs.
Im Vorwehenzimmer waren wir ca. 5 Stunden und wurden dann in den Kreißsaal geführt.
Vielleicht kommt unser Baby doch heute…
Im Kreißsaal wurden die Wehen dann stärker, jedoch fand ich es noch auszuhalten. Zu diesem Zeitpunkt war ich allerdings nicht mehr in Plauderlaune. Ich habe eigentlich nur noch getönt und die Augen zu gehabt. Die Brille habe ich trotzdem nicht abgesetzt, um schärfer zu sehen – mit geschlossenen Augen…
Mein Mann holte schon die Streichhölzer heraus, um die Augen aufzuhalten. Es war nachts um 5 Uhr und wir haben seit 20 Stunden nicht geschlafen. Wobei mich das nicht störte, denn ich war voll von meinen körpereigenen Drogen. Der arme Mann brauchte seine Energie, um mir fässerweise Wasser einzuflößen, denn ich war sehr durstig. Wahrscheinlich war der Schlafmangel Schuld, dass er nicht auf die Idee kam, mir direkt einen Gartenschlauch in den Mund zu stecken. Das hätte die lästige Koordination mit dem Becher geben erspart.
Ich rannte immer noch herum, jedoch war das nun sehr anstrengend. Langsam realisierte ich, dass unser Baby bald kommt. Ich bin eben nicht die Schnellste…
Cindy, ich und die positive Geburt…
Dann kam Cindy wieder herein. Ob wir langsam mal über einen Wehentropf nachdenken wollen und ich Schmerzmittel haben will. Außerdem soll ich nicht so laut tönen, sonst bin ich heiser. Eine Mischung zwischen Wut und Verzweiflung machte sich breit. „Nicht so laut tönen? Heiser? Wen interessiert, ob ich heiser bin? Ich bekomme hier gerade ein Kind! Und meine Meinung zu Schmerzmitteln habe ich dir, liebe Cindy, schon fünf Mal über meinen Mann und im Geburtsdossier zukommen lassen.“
Ich mochte Cindy. Das klingt vielleicht nicht so, doch sie hat mich motiviert. Zugegeben, ich habe mich zuerst unter Druck gesetzt gefühlt von der Androhung des Wehentropfes. Dann habe ich einen Ausflug ins Tal der Tränen gemacht, habe dort mein Feindbild in Cindy gefunden und bin gestärkt wieder herausgelaufen. „Der werde ich es zeigen“, dachte ich mir. „Die kann mal sehen, wie es hier vorangeht. Die hat doch keine Ahnung von Geburten! Das kriege ich hin!“
An dieser Stelle könnte ich erwähnen, dass meine Wahrnehmung während der Geburt möglicherweise zu Ungunsten der Hebamme verschoben war. Da ich zu diesem Zeitpunkt die Wehen nicht mehr voneinander unterscheiden konnte und sich alles gleich schmerzhaft anfühlte, habe ich mir meine eigene Welt gebastelt. Alles, was sich nicht stärker anfühlte als die letzte starke Wehe, interpretierte ich nicht mehr als Wehe. Da kann ja jede Wehe kommen und behaupten sie wäre jetzt der schmerzhafteste.
Da kommt was!
Mittlerweile legte ich mich seitlich auf die Liege und stellte die Lehne weiter aufrecht. Zwischendurch wurde mir Antibiotikum gespritzt, da der Blasensprung mehr als 12 Stunden her war. Dann kamen ein paar stärkere Wehen, bei denen ich auf die Knie gegangen bin und mich am Band festhielt. Bei der letzten hatte ich das Gefühl, dass eine Melone eine Etage tiefer in mein Becken fällt. Gleichzeitig spürte ich Muskelzuckungen im Unterleib als müsse ich durch meine Vagina erbrechen. Doch es tat nicht mehr weh.
Ich sah meinen Mann panisch an und sagte „Da kommt was! Da kommt was!“ Das überraschte mich tatsächlich. Als hätte ich nicht gewusst, worauf das Ganze hinausläuft. Wie gesagt, ich bin manchmal nicht die Schnellste…
Cindy verstand mich endlich und vertiefte unsere Romanze mit einer romantischen Dammmassage mit viel Öl, um mir eine positive Geburt zu ermöglichen. Vorher durfte ich mich noch so positionieren, dass sie meinen wohlgeformten schwangeren Po im Gesicht hatte. Für sie war es bestimmt genauso schön wie für mich.
Ich begab mich, leichtfüßig wie ich war, zur Austreibungsphase in eine Position, die eine Mischung zwischen Vierfüßlerstand und Hocke war. Mir war wichtig, niemanden währenddessen ansehen zu müssen und nicht angesehen zu werden. Die Frisur saß nach 14 Stunden einfach nicht mehr und das will doch wirklich keiner sehen. Ich erwähnte meine ästhetischen Ansprüche bereits.
Gleich gibt es Schnitzel
Mein Baby kam dann in einem Rutsch zur Welt, weil ich die Hebamme in meiner „Marathonblase“ nicht „Pause“ sagen hörte. „Ich presse hier doch nicht nochmal eine Stunde rum, damit der Rest des Körpers auch noch kommt. Ich hätte schon vor 30 min Mittag essen sollen“, dachte ich mir. Das Schnitzel wartet nicht!
Habt ihr das gesehen?
Mein Mann ging gleich zu meinem Baby an den Untersuchungstisch. Ich feierte mich erst mal selbst für diese wundervolle positive Geburt, während ich fasziniert in der Plazenta herumstocherte. Ich hatte es Cindy gezeigt und vor allem eine selbstbestimmte Geburt im Krankenhaus gehabt. „Habt ihr das alle gesehen?!! War das nicht krass?! Sowas habt ihr bestimmt noch nicht gesehen!“
Dann war es Zeit für den großen Moment: das Schnitzel wurde serviert! Außerdem durfte ich mein Baby nun endlich auf der Haut spüren und mein Mann fütterte mich. Das Schnitzel war mit Sicherheit nicht so lecker, wie ich es in diesem Moment empfand. Diese positive Geburt ließ mich vor Endorphinen glühen und dieses tolle Gefühl trage ich auch noch mehr als fünf Jahre später in mir. Als ich mein kleines Baby dann endlich auf den Arm hatte, konnte ich immer noch nicht fassen, dass das nun unser Kind ist. Wir waren so erfüllt mit Stolz und es war so toll, meinen Mann so gerührt zu sehen. Der kleine Frechdachs begrüßte uns mit „öff öff“ wie ein kleines Äffchen, passend zum Thema seines Kinderzimmers. Wir waren nun eine Familie: der kleine Frechdachs, mein Mann, das Schnitzel und ich. Das ist das größte Geschenk des Lebens!
Doch genug vom Schnitzel. Der erste Anruf ging dann an meine Mutter: „Bringt bitte Kuchen mit!“
Das Baby ist da!
Ich habe mich einfach nur toll gefühlt durch diese positive Geburt und mein Baby bewundert. Mein Mann sah aus wie ein sehr glücklicher Zombie nach dem langen Schlafentzug. Die Streichhölzer, die seine Augen offenhielten, waren zerbrochen, schließlich hat er auch mit gepresst.
Jetzt mal ernsthaft
Es war sehr faszinierend, was mein Körper kann und hat mich sehr stolz gemacht. Ich kann jeder Schwangeren raten, sich für eine positive selbstbestimmte Geburt vorher genau auf die Geburt vorzubereiten – körperlich und mental. Euer Körper ist ein Wunderwerk der Natur – ihr müsst nur auf ihn hören. Der Geburtsvorbereitungskurs ist die Basis, doch darauf gibt es noch viel aufzubauen. Es gibt viele Ratgeber und Videos im Internet, wie man mit Schmerz umgeht, seinen Körper auf den Marathon vorbereitet und wie man Schmerz interpretiert.
Geht positiv an dieses einzigartige Erlebnis heran und nicht mit Angst. Ihr schafft das!
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Jule Weber
Jule Weber (*1993) lebt und arbeitet in Bochum und gehört zu den führenden Stimmen der deutschsprachigen Spoken-Word-Szene. Sie schreibt, seit sie schreiben kann, seit 2009 tourt sie mit ihren Texten im gesamten deutschsprachigen Raum und füllt die Bühnen und Räume mit präziser Sprache und einer sanften Atemlosigkeit.
Katharina Tolle
Wie schön, dass du hier bist! Ich bin Katharina und betreibe seit Januar 2018 diesen Blog zu den Themen Geburtskultur, selbstbestimmte Geburten, Geburtsvorbereitung und Feminismus.
Meine Leidenschaft ist das Aufschreiben von Geburtsgeschichten, denn ich bin davon überzeugt, dass jede Geschichte wertvoll ist. Ich helfe Familien dabei, ihre Geschichten zu verewigen.
Außerdem setze ich mich für eine selbstbestimmte und frauen*-zentrierte Geburtskultur ein. Wenn du Kontakt zu mir aufnehmen möchtest, schreib mir gern!