Wie kommunizieren Gebärende und ihre Partner unter der Geburt?

„Drück während der Wehen auf den Rücken!“ Der Partner drückt. „Nein, nicht so! Tiefer! Und kräftiger!“ Der Partner schiebt die Hand nach unten und drückt kräftiger. „Aua! Doch nicht so fest! Und jetzt hör auf, die Wehe ist vorbei!“

Kommunikation zwischen Gebärenden und ihren Partner*innen während der Geburt ist nicht immer einfach. Umso spannender ist es, darüber zu schreiben, wie es laufen kann. Anlass für diesen Blogbeitrag ist die Blogparade von Lisa Guarcello mit dem Thema „Wie kommunizieren Männer und Frauen?“ [Aus diesem Anlass wird es in diesem Beitrag auch tatsächlich um männliche Partner gehen. Das heißt aber nicht, dass die Kommunikation zwischen einer Gebärenden und ihrer Partner*in nicht genauso wichtig wäre…]

Kommunikation während der Geburt: Eine Ausnahmesituation

Ständig kommunizieren wir. Je länger und besser wir einen Menschen kennen, desto persönlicher ist die Kommunikation. Nur du kannst wissen, was es bedeutet, wenn dein Partner dich statt mit „Hase“ nun mit „Schatz“ anspricht. Fühlt er sich dir besonders nahe oder liegt Streit in der Luft?

Eine Geburt ist eine Ausnahmesituation. Und genau da liegt auch schon der Hase im Pfeffer. Wir können uns gut kennen, wir können seit Jahren ein eingespieltes Team sein. Und dennoch können wir unter einer Geburt aneinander vorbei kommunizieren.

Das trifft übrigens sowohl auf die verbale als auch die non-verbale Kommunikation zu. Zwar werde ich im Folgenden häufig Gesprächsfetzen als Beispiele heranziehen, doch sind ähnliche Situationen durchaus auch nonverbal denkbar, wie Lisa in diesem Beitrag über verbale und nonverbale Kommunikation ausführt.

Probleme der Kommunikation während der Geburt

Folgende Situationen zwischen einer Gebärenden und ihrem Partner können zu Problemen bei der Geburt führen:

Sie weiß nicht, was sie will

Wenn sie nicht weiß, was sie will, kann er ihr auch keine Wünsche erfüllen. „Soll ich dein Bein abstützen?“ kann dann auch schon mal mit „Aah, woher soll ich das wissen!? Ich bin doch keine Hebamme!“ beantwortet werden.

Doch auch bei weitreichenderen Entscheidungen fühlt sich ein Partner oft außen vor gelassen, wenn er ihre Beweggründe nicht nachvollziehen kann. Eigentlich wollte sie keinen Kaiserschnitt, aber nun schlägt die Ärztin ihn doch vor. Sie ist verunsichert. Der Partner vertritt, wie vorher abgesprochen, die Meinung, dass sie einen Kaiserschnitt nicht wollen. Er merkt nicht, was in ihr vorgeht. Er weiß nicht, dass sie schwankt. Vielleicht gibt es Signale, aber er kann sie nicht deuten.

Wenn Gebärende nicht wissen, was sie wollen, reagieren ihre Partner meist auf eine der beiden folgenden Arten: Entweder halten sie sich an das, was vorher abgesprochen wurde, oder (falls es solche Absprachen nicht gibt) ziehen sie sich zurück. „Die Entscheidung kann ich nicht für dich treffen.“ In jedem Fall ist es für Partner keine leichte Situation, ihren Frauen zu helfen, wenn diese selber nicht wissen, was ihnen gut tut.

Sie will ihn nicht

Manche Frauen wollen unter der Geburt vor allem ihre Ruhe. Sie wollen weder angesprochen noch angefasst werden (zum Beispiel Mary). Für manche Männer ist das schwierig auszuhalten — besonders, falls das Paar es vor der Geburt anders geübt hat. Er möchte helfen, er möchte sie unterstützen. Er will nicht nur einfach da sitzen und nichts tun. Erst Recht nicht will er der Kreißsaal verlassen. Was aber, wenn sie genau das will? Wenn die Gebärende sehr fordernd ist, kann er sich vor den Kopf gestoßen fühlen. Wenn sie dagegen ihren Wunsch nur sehr unterschwellig äußert, wird er diesen Wunsch vielleicht gar nicht erst wahrnehmen. Es entsteht ein Dilemma.

Sie will etwas, das vorher nicht abgesprochen war

Um das Beispiel von oben wieder aufzugreifen: Wenn beide vorher abgesprochen hatten, keinen Kaiserschnitt zu wollen, kann er sich ganz schön in die Nesseln setzen, wenn sie ihre Meinung nun ändert. Als Gebärende ist sie aus meiner Sicht diejenige, die die letzte Entscheidung fällt. Niemand kann sie ihr abnehmen. Und wenn sie diese Meinung nun ändert, muss sie das kommunizieren.

Manche Partner akzeptieren das dann so.

Andere Männer diskutieren mit der Gebärenden über die Entscheidung. Ob diese Diskussion förderlich ist, hängt natürlich ehr vom Einzelfall ab. Wenn die Frau während einer besonders schmerzhaftn Wehe unvermittelt nach der PDA ruft, kann es durchaus sinnvoll sein, sie mit ruhigen Wotren und eingeübten Affirmationen wieder auf sich zu fokussieren. Der Partner widerspricht dann der Frau zwar im ersten Moment, aber vermutlich wird sie ihm im Nachhinein dankbar sein, wenn es tatsächlich bloß dieser eine Moment war, in dem sie die Schmerzen überrollten. Wenn sie dagegen beständig um eine PDA bittet, ist es nicht unbedingt förderlich, wenn er versucht, ihr diese auszureden.

Sie macht ihn für die Schmerzen verantwortlich

„Du hast mir dieses Kind gemacht. Ich hasse dich für diese Höllenschmerzen!“

Autsch.

Daran hat beim Liebesspiel bestimmt niemand gedacht.

Die meisten Frauen nehmen diese Anschuldigungen zwar nach der Geburt zurück und entschuldigen sich dafür, aber sie schmerzen im entsprechenden Moment dennoch. Er will doch nicht, dass seine Frau leidet. Er will ihr doch helfen. Er würde ihr vielleicht sogar gern die Schmerzen abnehmen. Er kann aber nicht. Da hilft tatsächlich nur: Ohren auf Durchzug. Wenn sie es wirklich ernst meint mit ihrem Hass, wird sie ihn nach der Geburt wieder ansprechen. Wenn sie es dagegen nicht tut, kann auch er die Episode gern vergessen — oder sie die nächsten zwanzig Jahre damit aufziehen, falls das denn dem gemeinsamen Verständnis von Spaß entspricht.

Er kommuniziert seine Grenzen nicht

Solche Situationen gibt es immer wieder in Geburten. Bei der Geburt unserer Tochter wollte ich zum Beispiel, dass mein Mann mit in das Planschbecken steigen sollte. Er wollte nicht. Unsere Hebamme löste die Situation gut auf. Auch Ina-May Gaskin berichtet in ihrem Buch Die selbstbestimmte Geburt (Affiliate-Link zu Amazon) davon, dass ein werdender Vater sich nicht traute, das Geburtszimmer zu verlassen, um auf’s Klo zu gehen — und dadurch aber immer weiter verkrampfte. Das half dann auch niemandem.

Obwohl ich oben geschrieben habe, dass die Gebärenden diejenigen sind, die letztendlich die Entscheidungen treffen müssen, haben werdende Väter das Recht auf die Beachtung ihrer Bedürfnisse und Grenzen. Das fängt übrigens allein schon an mit der Frage, ob er bei der Geburt überhaupt dabei sein will. Wenn er es nicht will, nutzt es auch nichts, wenn sie es sich umso mehr wünscht. Da sind dann andere Lösungen, wie eine Doula, vermutlich sinnvoller. Doch auch wenn er sich grundsätzlich für seine Anwesenheit bei der Geburt entscheidet, hat ein Partner Grenzen. Es nutzt nichts, diese mutwillig zu überschreiten. Auch ein Partner darf während der Geburt nein sagen. Wenn möglich, kann er dazu beitragen, eine andere Lösung zu finden. Kommunikation ist also nicht nur von der Gebärenden zum Partner wichtig, sondern auch in die umgekehrte Richtung!

Kommunikation mit Dritten

Während einer Geburt sprechen nicht nur die Gebärende und ihr Partner miteinander. Falls es sich nicht um eine Alleingeburt handelt, sind auch noch andere Menschen mit dabei: Eine Hebamme oder ein Entbindungspfleger, ein*e Ärzt*in, vielleicht ältere Geschwister oder eine Doula. Und natürlich kommunizieren sowohl die Gebärende als auch ihr Partner auch mit diesen Menschen.

Wenn die Gebärende und der Partner vorher bestimmte Aspekte abgesprochen haben, kann der Partner eine Art „Puffer“ zwischen ihr und anderen Menschen sein. Wenn sie gerade die Außenwelt ausblendet und sich voll auf die Geburt fokussiert, kann er ihr Sprachrohr nach außen sein. Viele Frauen sind auch in der Tat sehr dankbar dafür, wenn ihr Partner diese Rolle übernimmt.

Das funktioniert aber andererseits nur, wenn sie tatsächlich derselben Meinung sind. Wenn, wie oben angesprochen, die Gebärende ihre Wünsche während der Geburt ändert oder nicht klar kommuniziert, kann dieses Sprachrohr schnell zum Problem werden. Dann fühlt er sich vielleicht verpflichtet, sie zu unterstützen, und sie empfindet es vielmehr als ungewollte Einmischung.

Geburtsspezifische Kommunikation üben?

Oha. So viel kann also falsch laufen zwischen der Gebärenden und ihrem Partner während der Geburt.

Aus meiner Sicht ist es deshalb wichtig, dass Partner sich ebenfalls auf die Geburt vorbereiten. Damit meine ich nicht unbedingt einen „Hechelkurs“. Stattdessen geht es darum, die eigene Rolle während der Geburt abzustecken. In meinem Ebook der kompetente Hausgeburtsvater habe ich das ausführlich beschrieben. Es gilt aber aus meiner Sicht auch für Krankenhaus- oder Geburtshausgeburten. Ein Partner soll im Normalfall keine medizinischen Entscheidungen treffen. Aber soll er die vorher besprochenen Wünsche gegenüber Dritten vertreten? Gibt es feste Sätze, die ihr vorher ausgemacht habt? Spielt unterschiedliche Möglichkeiten durch. Übt den Druck auf den Rücken, aber seid genauso deutlich darin, dass es sein kann, dass der Partner das Geburtszimmer verlassen soll.

Und vor allem: Macht euch vorher klar, dass eine Geburt eine Ausnahmesituation ist. Macht deutlich, dass ihr einander vertraut, aber dass ihr nicht wisst, was kommen wird. Macht euch klar, dass die Kommunikation bei der Geburt nicht unbedingt so abläuft wie im Alltag.

Folgende konkrete Punkte könnt iht durchsprechen (und üben), um Missverständnisse während der Geburt zu vermeiden:

  • Welche Affirmationen oder Merksätze gibt es, die während der Geburt zum Einsatz kommen sollen?
  • Wie kommuniziert ihr Abweichungen von Geburtsplan?
  • Gibt es einen bestimmten Satz oder eine Formulierung, der euch beiden klar macht, dass ihr euch unter vier Augen absprechen wollt?
  • Welche Rolle übernimmt der werdende Vater bei der Geburt? Ist er für die Kinderbetreuung zuständig, für die technische Logistik (z.B. bei Fahrtwege etc.), für Essen und Trinken?
  • Soll der Partner die Belange der Gebärenden gegenüber Dritten vertreten? (In diesem Zusammenhang kann es auch wichtig sein, ob ihr verheiratet seid oder nicht. Wenn ihr nicht verheiratet seid, kann es theoretisch sein, dass dem Partner keine Kommunikationsrechte gegenüber dem Krankenhauspersonal zugesprochen werden. Bitte erkundigt euch!)
  • Wenn der Partner die Frau auch bei Meditationen unterstützen soll, kann es zum Beispiel sinnvoll sein, einen gemeinsamen Hypnobirthing*-Kurs zu besuchen. Vor der Geburt unseres zweiten Sohnes haben wir einen solchen Kurs besucht und er trug dazu bei, dass mein Mann mich in meinem schwachen Moment gut aufbauen konnte. Einige Hypnobirthing-Kurse findest du zum Beispiel hier.

Fazit: Kommunizieren Männer und Frauen anders?

Es gibt viele Berichte dazu, dass Männer und Frauen anders kommunizieren – sowohl privat als auch geschäftlich. Studien dazu ergeben differenzierte Bilder; gute Bücher dazu sind teilweise überraschend teuer (Affiliate-Link).

Ich habe mich in diesem Beitrag deshalb nur auf die Situation während einer Geburt fokussiert. Und in diesem Fall ist meine persönliche Einschätzung, dass die Probleme in der Kommunikation weniger auf das Geschlecht und mehr auf die Rollenverteilung zurückzuführen sind. Die Gebärende kann ihre Rolle an keine andere Person abgeben. Der Partner — oder eben auch die Partner*in — hat seine*ihre eigene Rolle.

Innerhalb dieses Rollengefüges findet die Kommunikation statt.

Andere Menschen (Ärzt*innen, Hebammen, Entbindungspfleger, Doulas) kommunizieren ebenfalls aufgrund ihrer Rolle bei der Geburt. Die Frage, ob eine Ärztin selber Kinder zur Welt gebracht hat, ist weniger wichtig als ihre fachliche Ausbildung. (Hier würden mir manche Menschen vermutlich widersprechen: „Eine Ärztin, die selber Kinder geboren hat, kann sich viel besser in die Situation versetzen!“ Mag sein. Oder auch nicht. Denn wer weiß, unter welchen Umständen sie ihre Kinder gebar?)

In jedem Fall lohnt es sich, die Geburt als außergewöhnliche Situation anzuerkennen und sich entsperchend — auch bezüglich der Kommunikation zu Einander und zu Dritten — vorzubereiten.

Kommunizieren Männer und Frauen unterschiedlich?

Siehst du Unterschiede zwischen der Kommunikation zwischen Männern und Frauen? In welcher Hinsicht? Und was bedeutet das für eine gelungene Zusammenarbeit während der Geburt? Habt ihr euch als Paar auf die Geburt vorbereitet? Hinterlass mir gerne einen Kommentar!

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