Nora: Beckenendlagengeburt im Krankenhaus

Hinter dem heutigen 11. Türchen des Geburtsgeschichten-Adventskalenders verbirgt sich Noras Geschichte. Nora berichtet von einer spontanen Beckenendlagengeburt im Krankenhaus.

Ungeduld

Ich habe ab 29.10. Wehen, aber sie sind anfangs sehr unregelmäßig und hören immer wieder auf. Ich bin davon ziemlich genervt und will, dass es endlich losgeht. Um das irgendwie voranzutreiben, mische ich Zimt in den Himbeerblättertee.

Am Freitag (31.10.) haben wir einen Kontrolltermin im Krankenhaus (wegen Beckenendlage), dort zeichnet das CTG 2 Wehen in 10 Minuten auf und die Hebamme meint, der Muttermund sei fingerdurchlässig.

Den restlichen Tag habe ich immer wieder Wehen und Verdauungsprobleme, bis ich in der Nacht plötzlich starke Schmerzen auf der linken Seite meines Bauches habe. Ich kann nicht schlafen und mir ist ziemlich schlecht. Aber nachdem ich mich übergeben musste, geht es mir besser und ich kann endlich schlafen.

Der Samstag ist anfangs ruhig, aber am Nachmittag fangen die Wehen wieder an. Am Abend gehen wir ins Kino, während des Films habe ich Wehen und am Heimweg denke ich, die Wehen werden schlimmer, aber zu Hause sind sie wieder weg.

In der Nacht kann ich kaum schlafen, erst am Vormittag finde ich ein paar Stunden Schlaf. Am Nachmittag haben wir Besuch von Verwandten, gegen fünf fahre ich noch allein zum Bäcker, aber zurück daheim fangen die Wehen wieder an.

Als der Besuch weg ist,  beschließen wir, die Gelegenheit nochmal für Sex zu nutzen und dann um 20:15 schaue ich mir den Polizeiruf an. Mein Freund erledigt Uni-Hausaufgaben.  Ich habe ca. alle 5-7 Minuten Wehen und werde ein bisschen nervös, weil ich nicht genau weiß, ob es jetzt ernst wird. Nach dem Polizeiruf schaue ich noch eine Folge Charmed, da sind die Wehen wieder weg, aber bei einer Folge Castle danach sind sie wieder da und stärker und öfter als vorher.

Ab ins Krankenhaus

Als Castle zu Ende ist, sage ich meinem Freund, dass wir vielleicht ins Krankenhaus fahren sollen. Er googelt erstmal, ab wann man ins Krankenhaus fahren sollte und bekommt etwas Panik. Nachdem er sich übergeben hat, Fieber gemessen und Blutdruck gemessen hat, können wir fahren. Im  Auto habe ich Angst, dass die im Krankenhaus uns wieder wegschicken, weil es nur falscher Alarm ist.

Um ca. 00:20 sind wir im Krankenhaus und klingeln beim Kreißsaal. Mein Freund M meldet uns mit den Worten: „Ich glaub, das Baby kommt“ an. Dann werden wir von einer Hebamme ins Untersuchungszimmer gebracht und ich werde ans CTG gehängt. Die Wehen sind schon ziemlich schmerzhaft und die Hebamme erklärt mir, wie ich richtig veratme. Dann tastet sie den Muttermund ab und verkündet, er sei schon 6cm offen. Das hätte ich nie erwartet und ich bin sehr erstaunt.

Dann kommt eine Ärztin, die ebenfalls den Muttermund abtastet und einen Ultraschall macht, um zu schauen, ob das Baby noch in Beckenendlage liegt. Ich sage ihr, dass sie sich nicht gedreht hat, sondern den Kopf nach wie vor rechts oben hat. Ich habe Recht damit. Während des Ultraschalls winkt uns das Baby zu, ich denke, sie sagt: „Bis gleich, Mama“. Dieser schöne Gedanke gibt mir zusätzlich Kraft für diese Geburt, die ich mir so anders vorgestellt und gewünscht habe.

Ich wäre sehr gerne herumgegangen, um die Wehen besser auszuhalten, aber weil das CTG nicht mobil ist, werde ich immer wieder zurück auf die Liege gezwungen, sobald ich versuche, aufzustehen, was ich dann aufgebe. Ich darf nichts essen, nichts trinken und mich nicht bewegen.

So haben wir die Zeit bis ca. halb vier verbracht. Die Wehen werden immer schlimmer und ich hab so schlimmen Durst. Statt mir Wasser zu geben, hängt mir die Hebamme zwei Beutel Ringerlösung an.

Besonderheiten einer Beckenendlagengeburt

Dann wird M rausgeschickt, weil die Pflicht-PDA für Beckenendlagen-Geburten an der Reihe ist. Ich muss gerade sitzen, während ein Anästhesist die PDA legt. Während schlimmer Wehen gerade zu sitzen, ist echt nicht so leicht, wie es für den Anästhesisten vielleicht klingt.

Die PDA wirkt aber sofort und ich habe zwei Stunden Ruhe, die ich statt schlafen dummerweise mit surfen und Facebook verbringe. Ich spüre unterhalb der Brust gar nichts mehr und hab totale Angst, mich anzupinkeln, ohne es zu merken. Die Hebamme leert dann die Blase mit einem Katheter. Sowas will ich nie wieder erleben, ein echt ungutes Gefühl und ganz sauber geht’s da auch nicht zu.

Um 05:45 kommen die Hebamme und die Ärztin und öffnen ohne weitere Erklärungen die Fruchtblase. Die PDA wird abgedreht und kaum ist das Fruchtwasser auf meiner Unterlage gelandet, setzen so schlimme Wehen ein, dass ich kurz denke, ich pack das nicht mehr.

Die nächsten zweieinhalb Stunden sind die schmerzhaftesten meines Lebens. Die Wehen, die ich als Presswehen wahrnehme, kommen sehr schnell hintereinander und ich muss auf dem Rücken liegen und kann so keine Position einnehmen, die ich als angenehm oder erträglich empfinde.

Außerdem habe ich noch immer großen Durst und fühle mich kraftlos. Also stopft mir die eine Hebamme (es waren inzwischen 2, weil Schichtende) einen DextroEnergy in den Mund. 1. Mag ich die Dinger nicht und 2. ist mein Hals sowieso schon trocken genug. Danke für nichts, denke ich, kann aber nichts sagen.

Ich schreie vor Schmerz und sage, ich kann nicht mehr. Ich starre die Uhr an und bin der festen Überzeugung, dass sich der Zeiger keinen Millimeter bewegt.

Ich habe den Drang zu pressen, aber die Hebammen sagen, ich darf auf keinen Fall, also quäle ich mich weiter, bis ich nach einer Ewigkeit endlich anfangen darf zu pressen. Das Pressen ist wahnsinnig schmerzhaft, aber gleichzeitig sehr befreiend.

In jeder Wehenpause will ich wissen, wie lang es noch dauert. Die Hebammen wissen es nicht, aber sagen, dass ich alles sehr gut mache. Aber das ist mir eigentlich ziemlich egal, ich will nur, dass es endlich vorbei ist. Nach einer weiteren Ewigkeit kann die Hebamme endlich den Po der Kleinen fühlen, der sich langsam nach unten schiebt.

Ohne groß darüber nachzudenken und zur Verblüffung aller Anwesenden greife ich auch hin und zum ersten Mal berühre ich mein Kind. Das motiviert mich, weiter zu pressen. Etwas später greife ich nochmal nach meiner Tochter und der Po ist schon ein Stück weiter draußen. Ich bin noch mehr motiviert und presse weiter.

Dann kommt endlich mal der Arzt, der als Spezialist für Beckenendlagen gilt, und führt den, ebenfalls verpflichtenden, Dammschnitt durch. Er hält den Po der Kleinen fest, damit sie nicht wieder zurück rutschen kann. Dann, ganz plötzlich, hält der Arzt das Baby hoch. Ich bin überwältigt, sprachlos, erschöpft, einfach überglücklich und M weint vor Freude.

Liebe, Stolz, Erschöpfung

Ich bekomme unsere Tochter gleich auf die Brust gelegt, während eine Ärztin ewig lang braucht, um den Dammschnitt zu nähen. Die Hebamme zeigt mir, wie ich das Baby anlegen kann und wir haben Zeit, um unsere Tochter ein bisschen kennen zu lernen und sie zu bestaunen.

Nach einiger Zeit wird die Kleine kurz untersucht, sie ist 49cm groß und wiegt 3450g. M kuschelt dann mit ihr und ich gehe schnell duschen. Anschließend werden wir in ein Zimmer gebracht, wo wir weiter unser tolles Baby bestaunen.

Auch wenn die Geburt ganz anders gelaufen ist, als ich mir die Jahre davor ausgemalt habe, bin ich glücklich und ein bisschen stolz, dass wir uns nicht beirren ließen und eine spontane Geburt durchgezogen haben.

Der vollständige Geburtsgeschichten-Adventskalender 2021

Alle Geburtsgeschichten, die bereits erschienen sind, sind hier verlinkt:

  1. Rebekka: Traumgeburt mit Pizza
  2. Doris: Nele — Geburt in drei Akten
  3. Jeanette: Heilsame Hausgeburt im Wohnzimmer
  4. Dieter & Katrin: Alleingeburt aus Sicht eines Vaters
  5. Franziska: Das fünf-Kilo-Baby
  6. Franziska: Ein Sternengucker
  7. Carina: Schnelle Alleingeburt
  8. Sintia: Alleingeburt beim ersten Kind: Weil es genau das Richtige war
  9. Cindy: Angst ist ein schlechter Ratgeber
  10. Jana: Hockergeburt im Krankenhaus
  11. Nora: Beckenendlagengeburt
  12. Nora: Wassergeburt zu Hause
  13. Katrin: Hausgeburt einer Hebamme
  14. Barbara: Hausgeburt trotz extrem kurzer Nabelschnur
  15. Miriam: Geburt einer Sternenguckerin mit PDA und toller Unterstützung
  16. Andrea: Wassergeburt im Krankenhaus
  17. Nora: ungeplante Alleingeburt
  18. Kasia: Magische Vollmondgeburt
  19. Jana: Geburtshausgeburt mit viel gelassener Zeit und viel Geburtskraft
  20. Jessica: Die Wellensurferin
  21. Anna-Elisabeth: Drei Tage Blubbern vor dem Kaiserschnitt
  22. Katrin: Ein sanfter Notfallkaiserschnitt
  23. Sintia: Alleingeburt vor dem Klo
  24. Franziska: Wehencocktail vor der Hausgeburt

Und deine Geschichte?

Diese Geschichte habe ich nicht geschrieben, durfte sie aber veröffentlichen. Hast du deine Geburtsgeschichten aufgeschrieben? Oder fehlen mir dir die Worte? Willst du dazu meine Unterstützung in Anspruch nehmen, um die richtigen Worte zu finden? Ich helfe dir beim Schreiben der Geburtsgeschichte. Achtung, sie wird lang. Viel länger als diese hier. Das liegt alleine schon daran, dass du nicht schreiben musst, sondern erzählst. Hier gibt es mehr Informationen!

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