Doula Jamina berichtet über eine ungeplante Hausgeburt, die sie begleitete. Aus medizinischer Sicht war es eine Alleingeburt, denn außer der Gebärenden waren nur noch ihr Mann und Jamina als Doula dabei.
Ich bin eine freie Doula, begleite und unterstütze Frauen in ihrer Schwangerschaft und stehe ihnen bei ihrer Geburt bei, egal wo sie gebären möchten.
So war es auch am Freitag den 17.8.2018. Geplant war es, dass meine Klientin mich anruft, wenn die Wehen da sind und wir uns absprechen, wann wir uns im Krankenhaus treffen werden.
Krankenhaus voll
Da das gewünschte Krankenhaus aber voll belegt war, sagten die Hebammen aus dem Kreißsaal, sie solle sich Badewasser einlassen und auf richtige Wehen warten und nochmal anrufen. Sie war sich aber als Erstgebärende unsicher, ob sie es noch ins gewünschte Krankenhaus schaffen würde und wollte mit mir gegebenenfalls ins nächstliegende Krankenhaus fahren. Deshalb machten wir aus, dass ich erstmal zur ihr kommen sollte und sie dann mit der Badewanne fertig wäre, um dann gemeinsam losfahren zu können.
Also fuhr ich kurz nach 2 Uhr nachts nach einem Telefonat mit ihrem Mann los, der sich nochmal versicherte, ob ich losgefahren bin und ob ich meine Doulatasche auch eingepackt hätte.
[Anmerkung von Katharina: Der Papa gehört wohl in die Kategorie „wir sind Vater“, wie du im Beitrag Die Typologie der werdenden Väter lesen kannst.]
Kraft sammeln und Auto vorbereiten
Als ich ankam, fand ich die gebärende Frau schon gut wehend in der Badewanne vor. Sie war auch noch guter Dinge und ich schlug ihr vor, sich anzuziehen und in ihr Wochenbettzimmer zu gehen, wo sie in Ruhe entscheiden könnten, in welches Krankenhaus sie denn jetzt fahren möchten.
Dort angekommen, die Wehen waren schon regelmäßig, alle 4 Minuten, wollte sie sich aber lieber sich in den Wehenpausen mal kurz ausruhen. Der Mann bereitete mit Handtüchern das Auto für die Überfahrt vor. Da die Fruchtblase ja noch platzen konnte, wollte er alle Sitze geschützt wissen.
Er packte auch die Kliniktasche ein und versorgte den Hund. In dieser Zeit war ich für die Gebärende da und sie musste nicht allein die Wehen veratmen. Ich gab ihr zu trinken und massierte ihren Rücken mit Geburtsöl.
Der Mann rief in der Zwischenzeit nochmal die Wunschklinik an, aber sie gingen nicht ans Telefon. Wahrscheinlich war der Kreißsaal total überlastet, wie es gerade in allen Kliniken der Fall ist, da es immer weniger gut zu erreichende Geburtskliniken gibt, in denen die Frauen nach ihren Wünschen gebären können.
Wunschkrankenhaus oder gar nicht
„Na gut, dann fahren wir in das nächstliegende Krankenhaus“, sagte der werdende Vater. Die Frau verneinte vehement im ganzen Sinne des Wortes. Immer, wenn er davon sprach, loszufahren, schüttelte eine heftige Wehe die Gebärende.
Um 3.36 Uhr ging der Schleimpfropf mit einer Zeichnungsblutung ab und wir wussten: Der Muttermund öffnet sich. Das Baby drückte und schraubte sich ins Becken rein.
Irgendwann meinte ich scherzhaft, dass das Kind wohl zuhause kommen möchte und sagte, sie als werdende Eltern müssten nun entscheiden, ob sie sich eine Hausgeburt zutrauen. Ich sagte, dass ich keine medizinische Ausbildung dafür hätte und lediglich als gute Freundin agierte und weiterhin für sie da sein würde.
Ich sagte auch, dass es ihre alleinige Entscheidung sei und ich ihre Entscheidung respektierte — und egal wie sie sich entscheiden würden, ich einfach für SIE da wäre.
[Anmerkung von Katharina: Dazu passt auch der Beitrag Subjekt statt Objekt.]
So tat ich alles, was ich konnte, nach bestem Wissen und Gewissen, dass sie es alleine zuhause schaffen würde, ein Kind zu gebären.
Jaminas Erfahrung
Ich selbst habe vier Hausgeburten gehabt und hatte die Alleingeburt meiner Mutter als Sechsjährige miterlebt. Ich begleitete einige Geburten im Geburtshaus, im Krankenhaus und zuhause und hatte Vertrauen in die Gebärkraft dieser Frau. Und ich sah, dass es ihr gut ging.
Atmen, Ausruhen, Musik, Kuscheln, Bewegung. Was man eben so macht…
So vergingen die Stunden voller Hoffnung und Wellenveratmen, Ausruhen, Trinken, Musik hören, Kuscheln, Beckenkreisen, Massieren, Stellungen ausprobieren, Traubenzucker lutschen, Beten, Tönen, Atmen, Kraft sammeln, Sonnenaufgang anschauen, Lüften, Kaffee kochen, Schreiben, Lesen, Reden, Lachen, Stillsein, auf die Uhr sehen und merken, dass es voran ging.
Gegen Morgen ließ der werdende Vater den Hund raus und rief nochmal im Krankehaus an, ob jetzt der Kreißsaal leerer geworden wäre. Sie sagten, jetzt dürften wir kommen, doch als der Papa wieder ins Geburtszimmer kam, sah ich schon die Fruchtblase wie einen Mützenzipfel vor dem Kopf des Babys. Ich sagte dem Papa: „Der Kopf kommt gleich!“ Das gab uns allen nochmal Kraft und Zuversicht, dass die Kleine mitmachte und es weiterging.
Presswehen: Der Arschlochmoment
Um 8.56 Uhr hatte sie dann alle 2 min Wellen. Sie hatte mittlerweile schon Pressdrang und entleerte erstmal ihren Darm.
Als ihr Muttermund wahrscheinlich vollständig geöffnet war, sagte ich ihr, dürfte sie in die Hocke gehen und mit der Welle mittönen und mitgehen, was sie sowieso alles instinktiv mitmachte. Ich sagte ihr, dass ihr Körper das alles intuitiv und instinktiv kann und sie einfach mitmachen dürfe. Es war nur eine kleine Erinnerung und ein Mutmachen. Einfach weiter atmen und alles rauslassen auch die Sch… und alles, und alle Worte die ihr einfallen. Sie sagte immerzu „sch…, sch… und oh Gott, oh Gott!’’
Ich sagte darauf: „Ja der liebe Gott ist hoffentlich bei uns und seine Engel und Mutter Maria und deine Mutter und Mutter Erde und wer sonst uns hierbei hilft“. Und sie sagte: „Ich pack es nicht“ und „Ist jetzt der Punkt, wo die Frau nach einer PDA schreit?“ Ich sagte „Ja, aber jetzt würdest du keine mehr bekommen, weil der Kopf kommt.’’
Mit der Fruchtblase zuerest!
Und so war es: Ich sah aber nur die Fruchtblase zuerst, die Kleine hatte eine Glückshaube und das machte es für die Erstgebärende so anstrengend. Und die Kleine hatte die Hand am Gesicht, was es auch ein bisschen schmerzvoller für sie machte. Aber sie riss nirgends; ich hatte ihren Damm mit Dammöl gut einmassiert und mit Kaffeekompressen bei jeder Welle gehalten.
Sie krallte sich an den Bettrahmen und ging bei jeder Welle tönend in die Hocke. Ihr Mann hielt sie auch fest, weil ihr Beine schon schwach waren. Sie waren beide so ein tolles Paar!
Immer wenn eine Welle kam, schrie sie mich an, ich sollte ihren Damm halten und ihr Mann hielt sie in den Armen. Wir waren in diesen Augenblick ein eingespieltes Team und die Gebärende machte die Regeln und war sich ihrer Kraft auf einmal so bewusst, dass ich wusste, wir können nur gewinnen.
Willkommen im Leben!
Um 11.07 Uhr war der Kopf geboren und das Baby hatte noch die Augen geschlossen und sah aus wie klein-Buddha. Mit der nächsten Welle kam die erste Schulter, sie röchelte und fing an zu atmen. Dann kam mit der nächsten Welle der ganze Körper rausgeflutscht, mit ganz viel Fruchtwasser. Die Fruchtblase hing noch am Körper, als die Mama und der Papa das Kind empfingen.
Den Papa holte ich vorher zu mir hinter die Gebärende, damit er mit das Kind auffangen konnte und wir es der Mama gaben. Er sprang danach auf suchte sein Handy für die Geburtszeit, es war genau 11.11 Uhr, was für eine verrückte Zeit!
Die Kleine war geboren!! Sie war sofort rosig und versuchte zu atmen, weil sie soviel Fruchtwasser im Mund und in der Nase hatte, saugte ich sie kurzerhand schnell mit meinem Mund ab, während die frische Mama sie festhielt. Wir bestaunten das Wunder und ich lies die frischgeborenen Eltern erstmal mit ihrem Wunder allein.
Sie hat es geschafft!!! Sie haben es geschafft!! Wir hatten es ganz ohne medizinische Hilfe geschafft!!
Plazentageburt mit der Nachbarshebamme
Doch nun war die Geburt noch nicht zu Ende: Die Plazenta musste noch geboren werden. Ich gab ihnen eine Stunde, dann probierten wir es, dass sie aufstand und mit drückte, doch die Plazenta wollte nicht kommen. Dann fiel ihr die Nummer einer Nachbarin ein, die Hebamme ist, ob sie nicht ein paar Tipps für uns hätte. Sie sagte kurzerhand, sie komme vorbei, um auf der sicheren Seite zu sein und sich selbst ein Bild zumachen.
Als sie kam, war die Kleine gerade das erste Mal an der Brust und saugte heftig. Das gab dem Mutterkuchen auch das Signal, sich mal endlich zu lösen. Die Hebamme drückte gleich auf dem leeren Bauch der frischen Mama, um festzustellen, dass der Mutterkuchen sich gelöst hatte. Dann empfahl sie der Mama, aufs Klo zu gehen, weil der Mutterkuchen manchmal nicht an der vollen Blase vorbeikommt und den Weg nach draußen so nicht findet.
Auch sehe man womöglich zu spät innere Blutungen, wenn die Plazenta noch nicht vollständig geboren ist.
Vorher durfte die Mama noch die Nabelschnur durchschneiden, mit ihrer eigenen Nähschere. Da die Hebamme keine Geburten mehr machte, hatte sie die Nabelschere und Nabelklemmen aus ihren Hebammenkoffer aussortiert. Auf dem Klo flutschte dann die Plazenta heraus und die Geburt war vollbracht. Erst wenn die Plazenta da ist, ist die Geburt zu Ende und dort wo die Plazenta geboren ist, dort wird der Geburtsort festgelegt, wusstet ihr das? Also wenn eine Frau ihr Kind zuhause bekommt aber doch noch ins Krankenhaus für die Plazentageburt fährt, so hat der Gesetzgeber festgelegt, ist der Geburtsort im Krankenhaus. Wie absurd, oder?
U1 mit der Nachbarshebamme
Die Hebamme machte ihren Job gut und auch gleich die U1 mit. Die Kleine wog 3530g, war 54cm groß und hatte ein Kopfumfang von 35cm. Dann wurde die Kleine angezogen und ich hielt sie, während die Hebamme sich noch die Vagina ansah, um mögliche Verletzungen zu versorgen.
Aber da die Mama alles so gut gemeistert hatte — ohne Stress und ohne Interventionen — und nur instinktiv auf ihr Körper reagiert hat, trug sie keine Verletzungen davon. Na gut, vielleicht auch, weil ich ihren Damm mit Kaffeekompressen hielt und ihr eine gute Unterstützung körperlich, mental und emotional, ihr also ein positives Mindset bot, und ihr das Recht gab, selber zu entscheiden, welchen Geburtsort sie wählt und wie sie gebären möchte ( zB: ohne Wehentropf, ohne PDA, ohne Fruchtblase öffnen, ohne Saugglocke, ohne nicht gefragten Dammschnitt, ohne Befehle zum Pressen).
Und das wollte sie in Ihrem Haus, wo sie ihre Kindheit verbracht hatte, mit ihrem Mann an ihrer Seite und mit ihrer ausgewählten Doula, die ihr alle Zeit der Welt schenkte. Zeit, die sie und das Baby auch brauchten, um in Liebe geboren zu werden.
Möchtest du Kontakt mit Jamina aufnehmen? Du erreichst sie über www.heilpraktikerin-doula.de.
Das stimmt so nicht mit dem Geburtsort.
Der Geburtsort ist nicht dort wo die Plazenta geboren wird. Das ist schlichtweg FALSCH.
Hallo Patricia, ich habe Jaminas Bericht inhaltlich nicht überprüft — reiche aber gerne noch Quellen nach, die den Geburtsort klären 🙂 Oder hast du eine Quelle zur Hand? Liebe Grüße! Katharina
Hallo Patricia,
ich habe mal ein bisschen rumgegooglet. Unter anderem hier https://rechtsinformationen.beepworld.de/geburtsort.htm und hier https://www.eltern.de/foren/hausgeburt/786399-hausgeburt-lautet-geburtsort-3.html wird das Thema aufgegriffen. Es gibt wohl verschiedene Auslegungsarten — erster Atemzug, Nabelschnurdurchtrennung, Plazentageburt… Die „Auslegungsfreiheit“ von Hebammen und Ärzt*innen führt hier anscheinend manchmal dazu, dass gleichartige Fälle unterschiedlich bewertet werden. Hast du deine Infos vom örtlichen Standesamt?
Liebe Grüße,
Katharina
Hi Katharina, Hi Jamina,
Ich bin nach wie vor kein Fan von Alleingeburten. Wenn man sich früh und ausgiebig kümmert und trotzdem keine Hebamme bekommt, sollte man wenigstens den Notarzt rufen wenn das Kind kommt. Für den Notfall, der ja leider immer eintreten kann. Es geht um das Leben des Kindes! Die Verantwortung muss man übernehmen!
Die Plazentageburt ist Teil der Geburd. Absurd finde ich diese Definition daher (ob nun wahr oder falsch) nicht.
Trotz allem mal wieder ein schöner Geburtsbericht! Danke fürs Teilen!
Hör auf dein Herz.
Alles Liebe, Claudia
Liebe Claudia,
ich bin mir nicht sicher, ob ich dich richtig verstanden habe in Bezug auf den Notarzt: Meinst du, dass er Notartz gerufen werden sollte, um ins Krankenhaus zu verlegen, oder um „untätig“ dabei zu sein, um nur einzugreifen (und zu verlegen), falls tatsächlich ein Notfall eintritt?
herzliche Grüße,
Katharina
Haha, ehrlich gesagt bin ich mir da auch nicht ganz sicher. Vielleicht ruft man in so einer Situation einen Rettungswagen, wenn das Kind sich gut auf den Weg macht, so dass die Sanitäter notfalls eingreifen können, aber nicht unnötigerweise verlegen?
Wenn es denn tatsächlich so ginge, dass die Sanitäter*innen und der*die Ärzt*in im Nebenzimmer warten und sich nicht einmischen, wäre das eine gute Lösung. Wird das nicht bei Hausgeburten in den Niederlanden so praktiziert? (Ich meine, das mal gehört zu haben, hab aber keine Quelle…) Ich befürchte allerdings, dass ein einmal gerufener Rettungseinsatz auch sofort in den Notfallmodus springt und die Frau direkt verlegt; auch, wenn das für den Geburtsverlauf eher hinderlich ist…