Nur noch drei Geschichten und schon ist der Adventskalender wieder Geschichte! Heute erzählt Melissa von der Geburt ihres Töchterchens. Melissa hatte eine PDA, die ihr leider kaum geholfen hat.
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Dieser Beitrag erscheint im Rahmen des Geburtsgeschichten-Adventskalenders 2023. Alle Folgen sowie Infos zu Gewinnspielen findest du unten.
Melissa: Wenn das Körpergefühl verschwindet
Nervosität
Es war Freitag früh und ich merkte ein ganz, ganz leichtes ziehen im Bauch. „Vielleicht sind das die ersten Senkwehen, wer weiß“, dachte ich. Marian erzählte ich nichts davon und verabschiedete mich wie jeden Morgen, als er zur Arbeit fuhr.
Beim Toilettengang dann kam ein Schwall Wasser aus mir heraus. „Ist das jetzt Fruchtwasser oder kann ich die Blase einfach nicht mehr dichthalten?“, fragte ich mich und rief bei meinem Gynäkologen an, um dies einmal abklären zu lassen. Die Sprechstundendame am Telefon sagte mir allerdings, dass ich sofort ins Krankenhaus fahren sollte, sobald ein Verdacht auf Fruchtwasser bestehe.
Also rief ich im Krankenhaus an, dort wurde mir gesagt, dass ich mir noch etwas Zeit lassen könne, da sie eh erst etwas unternähmen, wenn die Fruchtblase über 12 Stunden undicht wäre. Ich wollte mich dann noch etwas ausruhen, da es ja jeden Moment los gehen könnte, war durch das Telefonat aber viel zu aufgeregt und nervös.
Denn eigentlich war mein Plan ja, die Wehen zu Hause so lange wie möglich zu erleben und so spät es geht nur „kurz“ ambulant im Krankenhaus zu entbinden. Am liebsten wäre mir sogar ein Geburtshaus gewesen, da ich eine möglichst natürliche Geburt wollte. Aber leider waren diese schon mehr als voll, als ich in der zwölften Schwangerschaftswoche dort anrief.
Ich schrieb meinem Partner eine Nachricht, dass er bald Feierabend machen sollte, da Mini sich eventuell langsam auf den Weg mache und wir bald ins Krankenhaus müssten.
Im Krankenhaus
„Was soll es denn sonst sein?“ war die Antwort von der Hebamme auf meine Frage, ob wir nicht vielleicht doch einen Test machen könnten, ob die Blase wirklich undicht sei. Ich war zu gehemmt, um darauf zu bestehen, ich wollte den „Profi“, der bei der Geburt meiner Tochter dabei sein würde, nicht verärgern. Also wurde ich aufgenommen und bekam ein Zimmer, es war Freitagnachmittag. Ich hatte nicht mehr das Gefühl, dass Fruchtwasser oder irgendetwas anderes austrat und hätte gerne Gewissheit gehabt, es wurde allerdings nie ein Fruchtwassertest gemacht.
Am Abend fing es langsam an. Die ersten Wehen waren im Liegen schlecht auszuhalten, im Stehen fast nicht präsent. So stand und ging ich die ganze Nacht in meinem Zimmer auf und ab. Ich war froh, ein Einzelzimmer gehabt zu haben, wäre aber noch lieber zu Hause gewesen. Trotzdem hatte ich ein klein wenig die Hoffnung, dass es nun los ginge und ich der Einleitung, zu der mir dringlichst geraten wurde, umgehen könnte.
Einleitung
Auf dem CTG am Morgen waren keine Wehen zu sehen, also sollte ich zum Einleiten. Gut, dass die Ärztin mich daran auch vor dem Frühstück noch einmal erinnerte, man könnte es ja vergessen…
Die Pillen machten mir Angst. Das Antibiotikum, welches durch meine Venen und zu meinem Baby floss, auch. Ich hatte das Gefühl, dass das unnötig und übereilt war, schließlich ging es uns doch gut. Jetzt ärgerte ich mich umso mehr, dass ich nicht doch auf diesem Test bestanden hatte. Doch nun war es zu spät, die Medikamente waren schon drin. Meine Gedankenspirale ging bergab. „Warum hast du dich nicht eher um ein Geburtshaus gekümmert? Hättest du dir so einen Test nicht in der Apotheke besorgen können? Warum kannst du dich nicht durchsetzen; nicht mal, wenn es um dein Baby geht? Und warum muss ich hier eigentlich alles alleine machen? Scheiß Coronaregeln.“
Zwei Pillen morgens, zwei Pillen mittags und am Nachmittag ging es dann endlich richtig los. Die Wehen waren stark, aber im Wasser fühlte ich mich wohl. Die Hebamme guckte etwas verwundert, als ich mich direkt auszog, obwohl sie gerade erst den Wasserhahn der großen Wanne angestellt hatte. Ich konnte es aber kaum erwarten, ins warme Wasser zu kugeln, es war das erste und einzige, was sich in dem Krankenhaus komplett richtig anfühlte.
Vielleicht würde es ja mit der gewünschten Wassergeburt klappen. Meine Laune wurde besser. Der Raum war abgedunkelt, die Musik angenehm – die neue Hebamme war toll. Marian war auch endlich da, er durfte sich ab vier Zentimetern Muttermundöffnung auf den Weg machen. Die halbe Nacht war bereits um, die Hebamme tastete noch einmal. Ich befürchtete schon, dass wir höchstens die Hälfte hatten, weil der Schmerz noch gar nicht so schrecklich war, wie alle immer sagten. Acht Zentimeter. Ich freute mich: Dann kann der Rest ja nicht mehr schlimm werden und eine Wassergeburt wird es auch. Marian war stets an meiner Seite. Er reichte mir zwischen jeder Wehe Wasser, maß die Wehenlängen, er hat geholfen so gut es nur ging.
Änderung der Wehen
Plötzlich bekam ich panische Angst, als die Wehen sich veränderten. Auf einmal tat es weh, als würde mein komplettes Becken nach unten gezogen. Die Wehenabstände wurde länger statt kürzer, die Wehen an sich dafür schmerzhafter. Irgendwas stimmt nicht, hatte ich im Gefühl. Obwohl ich den Wehenschmerz nicht kannte, spürte ich, dass dieser „falsch“ war. Der Hebamme gefiel es auch nicht, ich sollte aus dem Wasser raus und erst einmal laufen. Weder das noch das Anziehen fühlte sich gut an.
Es war bereits Sonntagfrüh und der Muttermund öffnete sich nicht weiter. Ich wusste nicht so recht weiter und war verunsichert, obwohl ich mich vorher extra damit beschäftigt hatte, dass eine Geburt auch mal stagnieren kann, ohne dass es gleich gefährlich wird. Die Hebamme besprach sich mit der Ärztin; beide empfahlen mir eine PDA. Ich fühlte mich schwach und hilflos.
PDA
Auf gar keinen Fall wollte ich eine PDA und jetzt fummelte mir ein Anästhesist da am Rücken herum. Hebamme und Ärztin empfahlen sie mir dringlichst, da es sonst langsam gefährlich werden würde wegen des „vorzeitigen Blasensprungs“, der bereits über 48 Stunden her war. Außerdem bräuchte ich eine Pause, da ich seit Freitagfrüh wach war. Ja gut, wenn die Profis das sagen… Die Empfehlung fühlte sich einfach nicht gut an. Außerdem war es für mich so, als wären jegliche Mühen zuvor die Schmerzmittel abzuwenden umsonst gewesen. Irgendwann habe ich aber an meiner Intuition und meiner Überzeugung gegen die PDA durch die vielen Ratschläge gezweifelt.
Zwei Stunden volle PDA-Wirkung, zwei Stunden Schlaf. Zwischendrin war Schichtwechsel, ich hatte die erste Hebamme wieder. Muttermundtasten und händisch Weiten tat bei ihr auch mit PDA gut weh. In dem Moment fühlte ich mich bei ihr dennoch gut aufgehoben.
Die Wehen wurden stärker, mein Tönen sehr laut. Warum drängten sie mich zu dieser scheiß PDA, wenn die Wirkung dann komplett nachließ? Das Einzige, was davon übrig war, war ein taubes Bein. Und damit wurden meine zwei Hauptkriterien, die ich auf keinen Fall unter der Geburt haben wollte, erfüllt: PDA und Rückenlage.
PDA und Rückenlage gaben mir den Rest. Ich fühlte mich völlig ausgeliefert und übermannt. Es war nicht so, als hätte ich die Kontrolle abgegeben, sondern, als hätte man sie mir weggenommen.
Körpergefühl und Instinkte waren futsch
Ultraschall innen, außen, innen, außen. Nicht pressen. Die Hölle. „Das Baby hält den Kopf etwas schräg, deswegen geht’s nicht weiter.“ „Aha okay, und jetzt?“, dachte ich. Wehentropf, volle Pulle. Von „nicht pressen“ auf keine Pause mehr zwischen den Wehen innerhalb von Minuten. (Also ging es ja doch weiter, wenn man halt auch schieben „darf“?!) Ich habe nicht mehr gefühlt, wann ich schieben müsste und wann nicht, nur noch Schmerzen. „Wofür war die PDA gleich nochmal gut?!“
Ich hatte kein Körpergefühl mehr, die Instinkte waren futsch. Meine innere Stimme hatte sich verabschiedet und ich wollte wirklich lieber sterben, als das länger aushalten zu müssen. Ich wollte nur noch, dass es vorbei ginge und hatte keine Kraft mehr zu diskutieren, deswegen stimmte ich ab dem Wehensturm einfach allem zu. Auch die interne Kardiotokographie nickte ich ab, obwohl ich mir fest vorgenommen hatte, dieses Ding meinem Baby zu ersparen, falls das Krankenhauspersonal es einsetzen wollen würde.
Die Hebamme leitete mich zum Schieben an, ohne wäre es nicht mehr gegangen. Marian hielt währenddessen mein taubes Bein und reichte mir weiterhin oft Wasser. Zwischendurch tuschelte die Hebamme mit der Ärztin. „Was reden die da?“, wollte ich wissen. Obwohl ich da gar keinen Kopf für hatte, aber ich wusste, dass es um mich ging, um mich und mein Baby.
Gescheiterter Kristellergriff
Die Ärztin wollte nun mit dem Kristellergriff nachhelfen. Ich war froh, als sie nach zwei oder drei Versuchen damit wieder aufhörte, da ich durch ihren Druck schlecht atmen konnte und dementsprechend nicht richtig tief einatmete.
Nach gefühlt unendlich vielen Presswehen spürte ich endlich den Kopf des Babys. Obwohl es noch einige Wehen brauchte, bis mein Baby geboren wurde, waren ab dem Moment des sogenannten Feuerrings die unerklärlichen Schmerzen endlich weniger exzessiv, ich hatte das Gefühl wieder mehr Führung übernehmen zu können.
Endlich hatte ich mein Baby im Arm. Sie war so goldig. Sie war ganz anders, als ich mir ein Neugeborenes vorgestellt hatte und gleichzeitig das schönste Baby, was ich jemals gesehen hatte. Dennoch war mein erster Gedanke „Was war das für eine Scheiße?“
Auch in diesem Jahr gibt es einen Geburtsgeschichten-Adventskalender und ein paar Adventsverlosungen. Sei dabei!
Rückblick
Die Hebamme deutete später an, dass sie froh wäre, keine Saugglocke benutzt haben zu müssen. Es klang ein wenig nach Eigenlob, als wäre es allein ihr Verdienst gewesen, dass alles noch „so gut“ gelaufen war.
Gewünscht hatte ich mir eine ambulante Geburt, möglichst im Wasser. Aber auch mit Plan B, einer Geburt in einer stehenden Position an Land, wäre ich zufrieden gewesen. Hauptsache keine PDA, ich wollte die natürliche Hormonausschüttung erleben.
Ab dem Punkt, an dem sich die Wehen veränderten, wurde ich unruhig. Dadurch, dass der Hebamme die verlängerten Wehenabstände nicht gefielen, wurde ich dann auch verunsichert.
Durch diese Unsicherheit und die steigende Kraftlosigkeit habe ich mich von den Empfehlungen sehr beeinflussen und letztendlich mitreißen lassen. Auch wenn im Krankenhaus alle sehr freundlich waren und sicherlich ihr Bestes gaben, habe ich dem Druck des Personals letztendlich nachgegeben, da ich irgendwann verängstigt und vor allem zu erschöpft war.
Auch wenn ich mich wie oben erwähnt bei der Hebamme gut aufgehoben fühlte, denke ich jetzt im Nachhinein oft daran, dass Einleitung, PDA, Wehentropf und was noch alles so folgte, vielleicht durch einen einfachen Test vom Fruchtwasser vermieden hätten werden können. Ich glaube nämlich, dass die Fruchtblase gar nicht undicht war und diese Prozedur nicht hätte sein müssen. Ich ärgere mich immer noch mehr darüber, nicht auf den Test bestanden zu haben oder zumindest die gefühlt nutzlose PDA abgewendet zu haben, als dass ich stolz darauf bin, am Ende noch die Kraft aufgebracht zu haben, um endlich mein Baby in den Armen zu halten.
Dennoch versuche ich, mich, wenn wieder blöde Gedanken zur Geburt hochkommen, bewusst auf die schönen Abschnitte, wie die Zeit in der Geburtswanne, zu konzentrieren.
Stillstart
Wir mussten noch zwei Tage im Krankenhaus bleiben. Stillen haben wir erst überhaupt nicht hinbekommen. Nachdem mein Baby die erste Nacht nichts trinken konnte, weil wir beide nicht wussten wie es geht, haben wir am nächsten Morgen ein Stillhütchen bekommen. Ich hatte sehr lange ein schlechtes Gewissen, dass meine Tochter die ersten Stunden ihres Lebens gehungert hat. Ich war leider etwas blauäugig davon ausgegangen, das Babys es intuitiv alleine schaffen, von der Brust zu trinken.
Zu Hause hat meine Wochenbetthebamme dann alles gegeben, um mir das Stillen möglich zu machen. Sie hat mir den Griff an der Brust gezeigt und für den Anfang das Abpumpen empfohlen. So habe ich eine Pumpe aus der Apotheke gemietet, alle zwei Stunden abgepumpt und wir haben Mini dann mit einer Spritze gefüttert. Nach fünf Tagen kam der Milcheinschuss und wir konnten nach und nach von Spritze auf Brust wechseln. Der Aufwand war groß, hat sich aber sehr gelohnt. Ich bin meiner Hebamme heute noch sehr dankbar dafür, dass sie sich für unsere Stillbeziehung so eingesetzt hat und ich und meine Tochter unsere Stillbeziehung seit über zwei Jahren immer noch genießen können.
Alle Geschichten im Adventskalender 2023
An dieser Stelle werde ich alle bereits veröffentlichten Geburtsgeschichten des Adventskalenders 2023 auflisten. Aus technischen Gründen kann das ein paar Tage dauern. Du findest aber auch alle Geschichten hier.
- Michèle: Elisas Hausgeburt
- Lea: Beckenendlagengeburt nach erfolgloser Äußerer Wendung
- Manon: Hausgeburt von Claire
- Sarah: Hausgeburt von Max Benedikt
- Barbara: Ungewollter Kaiserschnitt
- Wanda: 103 Stunden Geburt
- Anna: Anouks Geburt im Geburtshaus mit Notfallverlegung
- Anne: Kaiserschnitt nach Schwangerschaftsdiabetes und erfolgloser Einleitung
- Martina: 2 mal Kaiserschnitt, VGA2C, Hausgeburt
- Bea: Aufgeben ist nicht das Ziel
- Gerit: Im Krankenhaus gibt’s keine Decken
- Verena: Persönlichkeitsentwicklung hoch Drei
- Julias Sternenkind: Geburt zuhause
- Marion: Loreley wurde tot geboren
- Maranda: Today my baby will be born
- Natalie: Hausgeburt einer Sternenguckerin
- Natalie: Mit Kaiserschnitt im Reinen
- Magdalena: Hingabe an den weiblichen Körper
- Sabine: versöhnliche Krankenhausgeburt nach außerklinischen Geburten
- Patricia: Hausgeburt im Wasser oder an Land?
- Stefanie: Dominik lebte nur fünf Tage
- Melissa: Wenn das Körpergefühl verschwindet
- Laura: Alleingeburt nach Kaiserschnitt
- Tanja: Der Kreislauf der Natur
- Bonus: Maria: Ungeplante Alleingeburt
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Katharina Tolle
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Meine Leidenschaft ist das Aufschreiben von Geburtsgeschichten, denn ich bin davon überzeugt, dass jede Geschichte wertvoll ist. Ich helfe Familien dabei, ihre Geschichten zu verewigen.
Außerdem setze ich mich für eine selbstbestimmte und frauen*-zentrierte Geburtskultur ein. Wenn du Kontakt zu mir aufnehmen möchtest, schreib mir gern!