Und schon sind wir am letzten Tag des Geburtsgeschichtenadventskalenders angekommen. Ihr drittes Kind gebar Kristina zu Hause. Sie entschied sich dafür, die Geburt mit einem Rizinuscocktail einzuleiten. An dieser Stelle wünsche ich Frohe Weihnachten und bedanke mich bei allen, die bei diesem Projekt mitgemacht haben.
Geburtseinleitung mit Rizinuscocktail
Der errechnete Geburtstermin. Wie bei den vorherigen Schwangerschaften erreichte ich den ET ohne wirkliche Anzeichen einer baldigen Geburt. Die Wellen, die ich unregelmäßig hatte, waren weder schmerzhaft noch anstrengend. Ich beobachtete aber, dass ich sie bewusst auslösen konnte, zum Beispiel durchs Laufen, auf dem Ball hüpfend oder wenn ich und meine Zweijährige kuschelten. Das erzählte ich auch meiner Hebamme, die heute vorbei kam. Sie fand, das war ein gutes Zeichen. Auf meinem Wunsch hin untersuchte sie auch das erste Mal in ihrer Betreuung den Muttermund. Dieser war zwar noch geschlossen, aber es war alles weich und bereit.
In der letzten Woche vor dem ET hatte ich es geschafft, mich von der Schwangerschaft zu verabschieden und war nun auch entschlossen, Knirpsi bald in den Armen halten zu wollen.
Meine Hebamme fragte mich nach meinem Gefühl. Ich äußerte die Sorge, dass Knirpsi sich gerade dann auf den Weg machen würde, wenn mein Partner und meine Mutter arbeiteten und ich mit den beiden Großen alleine zuhause wäre. Da meine Hebamme mindestens anderthalb Stunden bis zu uns brauchte, machte auch sie sich Gedanken, dass sie es nicht rechtzeitig zu uns schaffen könnte.
Ich hatte keine Angst vor einer Alleingeburt, aber ich wusste, es würde nicht klappen, wenn ich allein mit beiden Kindern wäre. Meiner Hebamme machte es Sorge, dass Knirpsi noch frei über dem Becken lag und sich ab und zu schräg mit dem Kopf zum Becken legte. Dies war immer der Fall, wenn ich lag. Stand oder saß ich, lag Knirpsi mittig über dem Becken.
Sie bot mir an, dass wir am nächsten Tag, in ihrer Anwesenheit, versuchen könnten, die Geburt anzustoßen. Mit einer Eipollösung oder einem Rizinuscocktail. Ich bat um Zeit mir das zu überlegen. Ich sprach alle Pro und Contras mit meinem Partner und meiner Mutter durch und überlegte dann für mich alleine, was ich möchte. Ich hielt auch nochmal ein Zwiegespräch mit Knirpsi. Dann sagte ich meiner Hebamme Bescheid, dass ich am nächsten Tag gerne den Cocktail versuchen würde.
13.07.2020
12:00 Uhr
Wir kauften alle Zutaten für den Cocktail ein. Ich erlebte die Nacht und den gesamten Tag ganz bewusst. Bewusst als die letzten Stunden meiner letzten Schwangerschaft.
15:00 Uhr
Wir aßen eine kräftigende Gemüsesuppe.
16:00 Uhr
Ging ich in die Wanne und machte mich nochmal mit allem Pipapo frisch.
17:00 Uhr
Ich trank den kleinen Cocktail (20ml) nach dem Rezept meiner Hebamme.
17:30 Uhr
Meine Hebamme kam, machte eine Vorsorgeuntersuchung und massierte mir den Bauch nochmal mit Ut-Öl. Die Massage löste immer wieder Wellen aus. Dann verabschiedete sie sich, hielt sich aber in der Nähe auf.
18 – 20 Uhr
Wir waren alle bei traumhaftem Wetter in unserem Garten. Ich lief hin und her. Die Kinder spielten Basketball mit Papa. Wir machten letzte Bilder.
20 Uhr
Ich hatte weder Durchfall noch Übelkeit vom Rizinus, also aßen wir noch ein Abendbrot zusammen.
21 Uhr
Meine Hebamme war wieder da. Ich hatte seit 18 Uhr regelmäßige Wellen (ca. alle 5min für 30sek) aber sie waren weder schmerzhaft noch unangenehm. Ich fühlte mich müde. Knirpsi und mir ging es von den Werten her super. Die Hebamme schlug vor, die Kinder zu meiner Mutter zu bringen, weil dies ja eventuell eine Wirkung zeigen könnte und ich mich dann in einer Stunde nochmal melden könnte. Meiner Einschätzung nach wollte Knirpsi noch drinne bleiben und es würde erst in den nächsten Tage losgehen. Ich war nicht enttäuscht oder ähnliches, es war für mich okay.
22 Uhr
Die Kinder waren bei meiner Mutter. Die Wellen waren immer noch gleich. Ich wollte schlafen und nicht weiter rumlaufen. Ich rief meine Hebamme an und sagte ihr, dass sie nach Hause fahren könne. Ich meinte, ich könne mich natürlich irren, aber ich dachte, es passierte heute nichts mehr.
23:30 Uhr
Wir gingen ins Bett. Ich schaute noch etwas TV. Die Wellen waren gleich bleibend und ich konnte ohne weiteres damit einschlafen.
14.07.2020
1:20Uhr
Ich musste zur Toilette. Die Wellen waren immer noch gleich. Ich legte mich wieder hin und schlief sofort wieder ein.
2:45Uhr
Meine Gebärmutter war unfassbar hart. Ich konnte mich im Bett ohne Schmerzen nicht drehen. Ich dachte an das Rizinus, dass es vielleicht doch jetzt Wirkung zeigte. Ich schaffte es, mich aus dem Bett zu quälen. Im Stehen ging es mir gleich besser. Ich ging zur Toilette. Dort hatte ich im Sitzen auch Wellen, alle drückten nach unten. Ich schaute auf die Uhr.
3 Uhr Nachts.
Ich musste lachen. Da ging es bei Smilla auch los und um 8 Uhr war sie da. Ich weckte meinen Partner. Er sollte mich mal bei den Wellen beobachten, ob es für ihn nach Geburtswehen aussehe und wir die Hebamme anrufen sollten (sie hatte darum gebeten, sie frühzeitig anzurufen).
Die Wellen drückten allesamt nach unten, ich musste tief atmen, aber sie waren nicht schmerzhaft und ich musste auch nicht tönen. Schätzungsweise kamen sie alle Minute für eine Minute. Mein Partner bereitete, nachdem er die Hebamme angerufen hatte, alles vor. Planschbecken im Bad, Isomatte im Geburtszimmer usw.
Ich musste noch mal aufs Klo. Als ich danach auf dem Weg ins Geburtszimmer war, riss die Fruchtblase und der Schleimpropf ging mit ab. Ich rief meinen Partner, nun wurde er etwas nervös. Ich bat ihn darum, Licht an zu machen, damit ich mir die Farbe angucken konnte und ob es einen Nabelschnurvorfall gab.
Alles gut und klar.
Er benachrichtige die Hebamme und legte das Geburtszimmer mit Vorlagen aus. Das Tuch an der Decke war mein bester Freund. Ich hörte Entspannungsmusik, hatte die Kerzen angezündet, hörte das Wasser in den Pool laufen und genoss die schöne Atmosphäre im Geburtszimmer. Richtig bewusst konzentrierte ich mich darauf, mich intuitiv zu bewegen, genug zu atmen, die Schultern nach den Wellen wieder locker zu lassen, die Lippen zu entspannen und die Füße fest auf dem Boden aufzustellen.
Geburt ohne Zeitgefühl
Ab jetzt hatte ich kein Zeitgefühl mehr.
Es fing zunehmend an zu stören, dass mein Partner hin und her lief und alles erledigte. Ich wollte ihn bei mir haben, konnte aber nicht mehr laut rufen. So wartete ich ab, bis er wiedermal um die Ecke schaute. Er blieb dann bei mir und ich bat ihn bei einer Welle mal, meinen unteren Rücken zu massieren. Meine Oberschenkel fingen auch schon an zu ziehen.
Ich stemmte mich bei den Wellen richtig gegen ihn mit dem Rücken und hielt mich am Tuch fest. Beim Nachlassen der Welle ließ ich mich ins Tuch hängen und kreiste das Becken aus. Die Wellen waren nie schmerzhaft und ich musste auch nicht tönen, sie drückten nur nach unten.
Knirpsi verhielt sich sehr ruhig im Bauch.
Mein Partner lief in einer Pause schnell Hausschuhe holen, weil ich ihn so ziemlich wegschob. Weil mir die Beine schmerzten, wollte ich die Hocke vorm Sofa ausprobieren. Mein Partner drückte wieder gegen den Rücken. Doch dies war nicht auszuhalten, also ging ich zurück ans Tuch. Mit jeder Welle schwappte auch noch immer Fruchtwasser nach. Der Druck nach unten wuchs, ich hatte keine Ahnung in welcher Phase ich mich befand. Auch mein Partner meinte später, dass er dass nicht einschätzen konnte, war es doch bei meiner Zweijährigen viel eindeutiger gewesen.
Kaltes Wasser
„Vielleicht sollte ich das Wasser zumindest ausprobieren “ flüsterte ich. „Ja ok, der Heisswassertank ist nur leer“, meinte mein Partner und verschwand Richtung Heizungsraum. Das Bad war ja nur eine Tür weiter, also ging ich schonmal dort hin. In der Tür kam die nächste Welle und ich stemmte mich in den Rahmen. Danach ab in den Pool. Die Abkühlung war herrlich. Die nächste Welle kam und ich schaute verzweifelt, wo ich mich festhalten sollte. Das Waschbecken war die einzige Möglichkeit, aber nicht wirklich optimal. Ich spielte mit dem Gedanken, den Pool wieder zu verlassen.
Meine Hebamme kam herein und suchte sich leise einen Platz. Ich bat meinen Partner, mir bei den Wellen den Gegendruck in den unteren Rücken zu geben. In der nächsten Pause begrüßte mich meine Hebamme leise und fragte ob ich mich aufrichten könnte, damit sie die Herztöne hören könnte. Es war alles ok. Sie fragte noch, ob der Druck in den Rücken wichtig sei und ob ich mich anders hinhocken wollte.
Ich lag mit der Brust auf dem Rand des Pools, der Bauch und der Po hingen im Wasser und die Beine hatte ich wie ein Frosch auf Knien gespreizt. Ich wollte genauso bleiben, die Hände stemmte ich mit voller Kraft gegen das Waschbecken. Ich hatte Sorge, meine Füße zu verkrampfen und lockerte diese häufig. Mein Partner drückte gegen und ich tönte mit aller Kraft ein tiefes Aahhhh. Bewusst versuchte ich tief zu tönen und alle Kraft damit schob ich ins Becken.
In den Pausen hing ich schlaff überm Rand, hechelte oder atmete so wie es mir meine Hebamme vor machte. Mein Partner reichte mir Wasser und blieb an meiner Seite. Meine Hebamme bat darum, nochmal die Herztöne hören zu können, aber ich wollte mich keinen Milimeter bewegen. Ich vertraute darauf, dass sie einen Weg finden würde, um die Herztöne zu hören. Und den fand sie.
Lange Pressphase
Die Pressphase war so lang. Ich hoffte vor jeder Welle, dass der Kopf es nun schaffen würde. Aber es dauerte und dauerte. Ich sagte mir, dass es besser fürs Gewebe sei und nahm alle Kraft zusammen. Mein Partner strich mir über den Kopf und sagte „Gleich hast du es geschafft!“
Selber fühlen wollte ich diesmal wieder nicht. Nachdem ich schon gesagt bekommen hatte, dass sie viele Haare sehen könnten, presste ich, was das Zeug hielt.
Endlich war der Kopf da. Endlich. Hätte ich noch Puste gehabt, ich hätte jubeln können.
Zwischenzeitlich war auch die zweite Hebamme angekommen und mit ihr ein herrlich frischer Windhauch. Ich fragte, wie rum der Kopf lag, ob in Sterngucker oder nicht. „Nee alles richtig rum.“
Mein Körper schenkte mir eine längere Pause und meine Hebamme sagte mir schon mal, wie ich es gleich hoch nehmen sollte.
Die Welle kam und ich schaffte es, bis zu den Beinen zu drücken, dann half Knirpsi noch einmal mit und ich presste ohne eine Welle die Beine heraus.
Geburt und Sonnenaufgang
5:25 Uhr (Sonnenaufgang 05:08 Uhr)
Meine Hebamme ließ es mir durch die Beine nach vorne schwimmen und ich hob es aus dem Wasser. Sofort fing es an zu schreien.“Hey mein Schatz, ich bin’s, Mama!“ waren meine ersten Worte zu diesem kleinen rosigen, ganz zartem Wesen.
Jetzt waren die Hebammen voll präsent. Sie gaben Tips und Anleitungen, sie halfen mir und meinem Partner und arbeiten einfach wunderbar selbständig im Team. Meine Hebamme fragte mich, ob ich die Plazenta im Pool bekommen möchte, oder lieber an Land, da das Wasser inzwischen ziemlich kalt geworden war. Ich entschied mich dazu, nachdem Knirpsi mir lautstark entgegenbrüllte, als ich nach dem Geschlecht gucken wollte, aus dem Pool zu steigen.
Die Telefonschnur-ähnliche Nabelschnur war total lang. Ich entschied mich für den Platz vor’m Kamin, auf dem die Handtücher und Decken gewärmt wurden, auf dem Sofa. Als ich den Raum betrat war es so herrlich warm. Das Feuer knisterte gemütlich und das warme Licht verströmte Wohlfühlatmosphäre.
„Björn, schau doch auch mal, aber es sieht mir doch verdächtig nach nem Mädchen aus!“ Ja, da war sie. Unser drittes Mädchen. Ganz zart und schlank und sah mal nicht dem Papa als erstes ähnlich. Auf dem Sofa kam dann ganz entspannt und ohne Anstrengung die Plazenta. Vielleicht auch, weil Tuva von Anfang an super an der Brust saugte. Sie war ganz wach und aktiv.
Fasziniert ließen wir uns die Plazenta zeigen. Ich nabelte diesmal ab. Leider schlief meine große Tochter nämlich noch bei Oma und mein Partner war auf dieses Erlebnis nicht so scharf. Die sehr lange Schnur hatte einen Knoten und meine Hebamme demonstrierte uns noch warum das kein Problem darstellte.
Verletzungen hatte ich nur eine klitzekleine Abschürfung und auch bei dieser Untersuchung gingen die beiden Hebammen absolut sorgsam und respektvoll mit mir um. Da ich das ja leider schon anders erleben musste, fällt mir das besonders auf und ist eine Wohltat für meine Seele. Das Vermessen und Begutachten der kleinen Tuva fand auf mir statt und als ich die Toilette besuchte, machte die erste Hebamme mit meinem Partner zusammen die U1.
Danach zogen wir ins Bett um und das Wochenbett konnte beginnen. Abschließend muss ich sagen, dass die Hausgeburt, nach Krankenhaus und Geburtshaus, die schönste von den Dreien war. Ich bin unsagbar dankbar für dieses Erlebnis. Alle Befürchtungen und Ängste, die zwischenzeitlich aufkamen, traffen nicht ein und ich hab mich sogar ein bisschen geärgert, dass ich die Schwangerschaft nicht noch mehr genossen habe. Die Schwangerschaft nicht so überwachen zu lassen, wie die anderen und dann noch Zuhause zu gebären, waren die besten Entscheidungen, die ich für mich, meine Seele und mein drittes Mädchen hätte treffen können.
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Der komplette Adventskalender
Hier findest du alle Geschichten, die ich im Geburtsgeschichtenadventskalender 2020 veröffentliche bzw. bereits veröffentlicht habe:
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- Annika: Hausgeburt trotz hohen Blutdrucks
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- Mirabella: Ein Wehentag mit großem Geschwisterkind
- Laura: So schnell kann keine Hebamme sein
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- Anja: Anstrengende Geburt zu Hause
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